Politische Börsen haben kurze Beine, oder?

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Üblicherweise meiden Anleger politische Börsen. So betrachtet grenzt es an ein Wunder, dass europäische Aktien nicht längst einen veritablen Crash hingelegt haben. Vom nicht enden wollenden Griechenland-Desaster möchte schon niemand mehr hören, doch Probleme gibt es nicht nur dort:

Erst vor wenigen Tagen scheiterte eine hochrangige EU-Delegation (mit „unserem“ mäßig genialen EU-Kommissar Johannes Hahn an der Spitze) in Bosnien-Herzegowina. Das Land hängt am Tropf internationaler Financiers, darunter natürlich der EU, doch die Verpflichtung auf Reformen scheiterte in letzter Minute am Veto des Präsidenten des bosnischen Landesteils. Diesem käme eine Pleite des Landes ohnedies gelegen, denn dann könnte er argumentieren, Bosnien-Herzegowina sei nicht lebensfähig, was seine Chancen bei einer Abspaltungs-Volksabstimmung deutlich erhöhen würde. Stimmt, eine Pleite des Kleinstaates würde niemanden ernsthaft behelligen, doch sie wäre ein weiterer Hinweis darauf, dass die EU von einer ökonomisch und politisch funktionierenden Organisation noch weit entfernt ist.

Dass das Endspiel in Griechenland begonnen hat, dürfte ebenfalls nicht zur Verbesserung der Stimmung beitragen. Noch einmal: Erst haben die Griechen im Bewusstsein der Unfinanzierbarkeit ihrer Ausgaben jahrelang Regierungen gewählt, die ihnen das Blaue vom Himmel versprochen haben, dann haben sie eine Regierung gewählt, die den Schuldnern nun erklärt, dass man die Schulden weder begleichen wolle noch dies überhaupt könne (die sich aber zum Beispiel weigert, die exorbitanten Militärausgaben zu kürzen). Und in Spanien gewinnt eine populistische Partei die Wahlen, die ebenfalls fordert, die notwendigen Reformen zu stoppen.

Reformen – das Unwort der Pleitestaaten. Was ist da gefordert? Vor allem Flexibilisierungen am Arbeitsmarkt. Das bringt soziale Härten mit sich, keine Frage – aber langfristig sollte es auch dazu führen, dass sich die Wirtschaft der jeweiligen Länder erholt, mehr Menschen Arbeitsplätze bekommen und der Wohlstand letztlich wieder steigt. Notwendig ist dazu aber eine Eigenschaft, die vor allem erfolgreiche Anleger auszeichnet: Geduld und auch die Bereitschaft, Verluste einzustecken. Das ist dort schwierig, wo Gehalts- und Pensionskürzungen die Existenz bedrohen. Schwierig, aber unausweichlich. Vor allem: Wo sind die Alternativen? Den bisherigen Weg weiter verfolgen, einen Weg, der zielstrebig in die Katastrophe geführt hat? Dass die Aktienkurse in Europa trotz der Turbulenzen und Querelen noch nicht abgestürzt sind, liegt nicht nur daran, dass die Alternativen angesichts historisch niedriger Zinsen derzeit eben dünn gesät sind. Es liegt auch daran, dass Europas Potenzial von den Investoren immer noch hoch eingeschätzt wird. Knowhow, Qualifikation der Beschäftigten – all das spricht immer noch für die „Alte Welt“. Die größte Gefahr droht von „Wirtschaftspopulismus“: Die derzeitige griechische Regierung ist keineswegs, wie sie immer wieder betont, „Neuanfang“, sondern Fortsetzung der alten Lügenpolitik. Der Hinauswurf Griechenlands aus der Eurozone würde zweifellos ein Erdbeben bringen, doch danach könnte Europa mit guten Chancen den Wiederaufbau beginnen. Die Chancen für dieses Szenario stehen nicht schlecht.

Franz C . Bauer, Trend RedakteurEin Beitrag von Franz C. Bauer

Franz C. Bauer ist Chefkolumnist des Austria Börsenbriefs

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