Die Rückkehr zur geldpolitischen Normalität ist leider nur eine Illusion für unverbesserliche Bundesbank-Romantiker

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Die Wachstumsverlangsamung Chinas macht sich seit Jahresbeginn in einem markanten Einbruch deutscher Exporte nach China bemerkbar. Allerdings hat sich die deutsche Exportwirtschaft zumindest teilweise aus ihrer Abhängigkeit von China befreit. Denn zogen verlangsamte Exporte in der Vergangenheit immer auch eine Verlangsamung der Auftragseingänge in der deutschen Industrie nach sich, so scheint dieser Zusammenhang aktuell an Bedeutung zu verlieren. Für Ersatzbefriedigung sorgt u.a. die Nachfrage nach deutschem Industrie Know How aus Indien, den USA und wieder Europa.

Deutsche Aktien – Renditeschwäche heißt Aktienstärke

Dennoch kann sich auch Deutschland der durchwachsenen weltkonjunkturellen Stimmung nicht komplett entziehen. Die zuletzt merkliche Euro-Aufwertung kommt als zumindest mentales Handicap für den exportlastigen deutschen Mittelstand hinzu. Tatsächlich haben die ifo Geschäftserwartungen mit ihrem dritten Rückgang in Folge einen Trend nach unten ausgebildet. Wenn aber schon Deutschland als stärkste Wirtschaftsnation der Eurozone leichte Schwächen zeigt, spricht nichts, aber überhaupt nichts dafür, dass die EZB ihr staatsanleihedrückendes Liquiditätsprogramm einschränkt oder vorzeitig beendet. Im Gegenteil, zur nachhaltigen konjunkturellen und exportseitigen Unterstützung der Eurozone ist eher mit einer Verlängerung des geplanten Anleiheaufkaufprogramms, auch über das geplante Ende im September 2016 hinaus, zu rechnen.

Und so spricht das Liquiditätsargument der EZB weiter für den DAX. Den Aktienmarkt gefährdende, höhere Renditen bei Zinsanlagen sind nicht zu befürchten.

Die Zinswende ist nur ein Phantomschmerz!

Insgesamt vertragen eine verhaltene Weltkonjunktur und ein global schwaches Preisumfeld keine zins- und liquiditätspolitischen Restriktionen.

Allerdings wurden damit auch Blasen an den Aktien-, Immobilien- und insbesondere den Rentenmärkten geschaffen. Vor allem die Anleiheblase ist mittlerweile die größte Anlageblase aller Zeiten. Wenn sie platzt, sind für das Weltfinanzsystem und die Weltwirtschaft irreparable Schäden nicht zu vermeiden.

Daher werden die Notenbanken als schnelle Finanzmarkt-Eingreiftruppe alle „spitzen Gegenstände“ in Reichweite der Anleiheblase entfernen. Und aus der US-Leitzinswende wird nur ein Leitzinswend-chen. Draghi & Co. haben Geister gerufen, die sie nun nicht mehr loswerden: Die Notenbanker sind ohnmächtig dazu gezwungen, an den Rentenmärkten allmächtig zu sein.

Bubble Economy China

Anlageblasen machen selbst vor China nicht Halt. Neben Immobilien finden sich diese ebenso bei Aktien: Angetrieben von einer beispiellosen Liquiditätshausse – die chinesische Wertpapierkreditblase vervierfachte sich gegenüber Vorjahr – hat sich der Shanghai Shenzen CSI 300 Index binnen Jahresfrist mehr als verdoppelt. Kommt es zu einer Wiederholung des Schicksals am Neuen Markt in China? Immerhin lassen sich klare Parallelen zeitversetzt nicht leugnen.

Aber auch im Land der Mitte gilt „Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“ Peking fürchtet, dass ein Aktiencrash über die damit verbundene Liquiditätspräferenz auch die Immobilienblase bersten ließe. Dieser Vermögensverlust der chinesischen Bevölkerung würde zu schweren wirtschafts- und sozialpolitischen Unruhen führen. So hält auch China seine Anlageblasen gezwungenermaßen unter Überdruck. Der Leitzins wurde bereits dreimal in sechs Monaten gesenkt. Damit soll auch die Währung geschwächt werden, um den Export zu stärken.

Aktuelle Marktlage: Kurzfristig Griechenland, langfristig geldpolitische Konjunkturstützung

Trotz geopolitischer und konjunktureller Risiken zeigten sich risikoreiche Anlageklassen im 1. Halbjahr immer noch relativ robust, auch wenn sich die Aktienhausse im II. Quartal nicht fortsetzte. In Euro gerechnet avanciert der japanische Aktienmarkt geldpolitisch bedingt und dank der vermehrten Aktienkäufe durch japanische Pensionsfonds zum Top-Performer. Deutsche Aktien führen innerhalb der westlichen Industrieländer die Performance-Liste an. Grundsätzlich profitieren Titel aus der Eurozone von der Aussicht auf eine – wenn auch nur Pyrrhus-Sieg ähnliche – Lösung im griechischen Schuldenstreit, der grundsätzlichen Euro-Abschwächung, der konsequenten Beibehaltung einer konjunkturstimulierenden Geldpolitik der EZB und der Unattraktivität von Zinsanlagen. Doch aufgrund der zuletzt etwas aufgewerteten Gemeinschaftswährung halten sich US-Aktien für Euro-Anleger stabil. Hiervon können ebenso Edelmetalle profitieren. Trotz der Überversorgung am Weltmarkt hält sich Rohöl der Sorte Brent für Euro-Investoren robust.

Zunächst wird die Entwicklung an den Finanzmärkten vom Liveticker in punkto griechischem Schuldendrama bestimmt.

Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50: Kritische Lage hat sich entschärft

Aus charttechnischer Sicht verläuft im DAX auf dem Weg nach oben der erste Widerstand bei 11.300 Punkten. Darüber bestehen weitere Hürden zwischen 11.500 und 11.600 Punkten und an der oberen Begrenzung des Abwärtstrendkanals bei derzeit 11.623 Punkten. Weitere Barrieren folgen schließlich bei rund 11.900 und 12.080 Punkten.

Im Falle einer Fortsetzung der Korrektur findet der Index dagegen im Bereich der jüngsten Tiefs um 10.800 Punkte Unterstützung. Darunter geben die untere Begrenzung des Abwärtstrendkanals bei derzeit 10.739 und die Marke bei 10.523 Punkten Halt. Weitere Unterstützungen bestehen zwischen 10.050 und 9.927 Punkten.

Im Euro Stoxx 50 gilt es auf dem Weg nach oben, den kritischen Widerstand im Bereich um die 3.610 Punkte zu überwinden. Darüber wartet dann die nächste Hürde bei 3.782 Punkten.

Auf der Unterseite verläuft dagegen die nächste nennenswerte Unterstützung in der Zone zwischen 3.450 und 3.417 Punkten. Wird diese durchbrochen, gibt die Marke bei derzeit 3.367 Punkten Halt.

Und was passiert in der KW 27?

Der Fokus der Finanzmärkte liegt auf dem kommenden griechischen Wochenende, wo „letztmalig“ eine Lösung gefunden werden kann. Zu einem Grexit wird es zumindest vorläufig nicht kommen.

In China deutet der offizielle Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe auf eine konjunkturelle Stabilisierung hin. In den USA findet die voranschreitende US-Konjunkturerholung Ausdruck in einem erneut freundlicheren ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe, ansteigenden Auftragseingängen in der US-Industrie und robusten US-Arbeitsmarktdaten. Der US-Immobiliensektor zeigt sich gemäß US-Bauinvestitionen jedoch weiterhin in vergleichsweise verhaltener Verfassung.

In der Eurozone signalisieren die von der EU-Kommission veröffentlichten Economic Sentiment Indikatoren eine stabile Konjunkturverfassung. Die Inflation stabilisiert sich gemäß Vorabschätzungen im Juni mit 0,2 Prozent weiter nur knapp über der Deflationsgrenze und gibt der EZB weiter Unterstützung für die Beibehaltung ihrer Geldpolitik.

In Deutschland weisen stabile Arbeitsmarktdaten und Einzelhandelsumsätze auf eine stabile deutsche Binnenkonjunktur als wichtige gesamtwirtschaftliche Stütze hin.

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128

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