Unsterbliche Technische Analyse

Als ich vorgestern im Finanzteil der online-Ausgabe der FAZ las, dass fundamentale Aktienanalysen praktisch wertlos seien, dachte ich mir, diese Erkenntnis ist eigentlich nicht neu. Aber der Beitrag geht noch weiter, da er sich auf eine Studie stützt, die die Prognosen der Fundamentalanalysten mit denen von technisch orientierten Prognostikern vergleicht. Natürlich haben die Techniker besser abgeschnitten, werden jetzt einige meiner Leser sagen. Das sei doch auch nicht überraschend. Auch ich kam ins Grübeln, zumal ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass die Technische Analyse seit einiger Zeit hierzulande eine regelrechte Renaissance erfährt. So viel wie jetzt anlässlich der jüngsten Korrektur in den globalen Aktienmärkten wurde selten über die 200-Tage-Linie diskutiert. Bekanntermaßen habe ich Vorbehalte gegen diese Betrachtungsweise, die ich HIER schon einmal geäußert habe.

Das Interessante an dieser Studie ist indes die Erkenntnis, dass die Prognosen der Charttechniker nur bei Einzelaktien treffsicherer sind als die der „Fundis“. Geht es um Aktienindices oder andere Anlageklassen wie Staatsanleihen oder Rohstoffe, treffen die Vorhersagen der Techniker anscheinend genauso wenig ein wie die der Fundamental-Analysten. Verwenden die technischen Analysten bei der Analyse von Aktien womöglich weniger bekannte Indikatoren, um aus den Chartbildern verborgene Informationen –

möglicherweise sogar Insider-Trading-Muster – zu extrahieren, die sich nur auf die einzelnen Unternehmen beziehen? Das wären Informationen, die sich naturgemäß in den breiteren Indices verflüchtigen müssen.

Self-fulfilling destruction

Auch ich habe mich vor langer Zeit (und das mit Herzblut) mit der so genannten technischen Analyse beschäftigt und habe Formationen und Kursverläufe der Vergangenheit studiert, um aus früheren Marktpositionierungen der Akteure Rückschlusse zu ziehen, zu welchen Preisen sich in der Zukunft Angebot und Nachfrage ergeben könnten. Ich habe aber die Chartanalyse vor langer Zeit nicht auf den Müllhaufen geworfen, weil diese Methode immer gerne mit Verschwörungstheoretikern und Kaffeesatzlesern in Verbindung gebracht wurde. Sondern, weil ich durch das Studium der Behavioral Finance zu der Erkenntnis gelangt war, eine tickende Zeitbombe in der Hand zu haben. Allein schon deswegen, weil auch Chartisten vor der selektiven Wahrnehmung von grafischen Bildern genauso wenig gefeit sind, wie Ökonomen und Händler vor der selektiven Auswahl Ihrer Informationen.

Jeder soll mit seiner Lieblingsanalysemethode glücklich werden…

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GoldbergEin Beitrag von Joachim Goldberg.

Er beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein. Seitdem setzt er sich intensiv mit der ”Behavioral Finance” genannten verhaltensorientierten Finanzmarktanalyse auseinander.
Joachim Goldberg schreibt regelmäßig auf seinem Blog www.der-goldberg.de.