Am Ende wird alles gut. Oder wir sind noch nicht am Ende…

Bildquelle: markteinblicke.de

Die Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft werden getrimmt. So stellt das ifo Institut eine spürbare Abkühlung fest. Setzt man die ermittelte Einschätzung der globalen Geschäftslage und -erwartungen für das IV. Quartal 2015 zueinander in Beziehung, befindet sich die Weltkonjunktur vor allem aufgrund der eingetrübten Erwartungen in der Rezession. Bei näherer Betrachtung kam es insbesondere in Asien zu einer merklichen Stimmungsverschlechterung.

Chinas konjunkturelle Stabilisierungsmaßnahmen zeigen bislang kaum Wirkung. Im Einklang mit einem schwachen Einkaufsmanagerindex für die Industrie nimmt der Deflationsdruck als Durchschnitt aus Verbraucher- und Produzentenpreisinflation seit Ende 2014 unaufhaltsam zu.

Durch den Deflationsdruck negativ beeinflusst, hat auch der chinesische Aktienmarkt (Shanghai Composite) im Vorjahresvergleich an Dynamik eingebüßt. Offensichtlich haben auch chinesische Unternehmen an Preissetzungsmacht bzw. -überwälzungsspielräumen eingebüßt. Angesichts dieser wirtschaftlichen Lethargie gilt in Chinas KP ein neuer Wahlspruch: „Wir haben verstanden“. Der neue Fünf-Jahres-Plan setzt wie in westlichen Ländern und in Japan auf die Zangenbewegung von staatlichen Konjunkturmaßnahmen und geldpolitischer Unterstützung. Am Aktienmarkt scheint dieses Signal angekommen zu sein. Nach seinem Verfall im August und September hat sich der chinesische Aktienleitindex erholt.

Die Geldpolitik übt sich in vorauseilendem Gehorsam: Kampf der Renditewende

Die Emerging Markets und Rohstoffländer wie Saudi-Arabien sind dafür bekannt, ihre Devisenreserven schwerpunktmäßig in internationalen Staatsanleihen anzulegen, was ihre Kurse stützt und Renditen drückt. Doch darin liegt auch eine Gefahr. Angesichts sinkender Rohstoffpreise und schwacher Konjunkturen wurden Reserven zur Realisierung hoher Buchgewinne aufgelöst, um sie im Inland zur konjunkturellen Stabilisierung einzusetzen. Im Extremfall könnten sie eine Trendwende bei Renditen nach oben einleiten und damit das angenehme Refinanzierungsumfeld für Staatsschulden in den USA und insbesondere in Europa einschränken.

Hinzu kommt ein geldpsychologisches Verlaufsmuster von Staatsanleiherenditen: Bei Ankündigung von Anleihekäufen reagieren die Rentenmärkte mit sinkenden Renditen. Doch nach tatsächlichem Vollzug ebbt dieser Effekt zunehmend ab bis hin zu erneuten Renditeanstiegen. Um diese Reaktion zukünftig nicht zu einem deutlichen Trend ausufern zu lassen, sind die Notenbanken zunehmend gezwungen, die Liquiditätserhöhungsphantasie aufrechtzuerhalten. Enttäuschungen dürfen erst gar nicht zugelassen werden. Die Notenbanken sind insofern ohnmächtig dazu gezwungen, ihre Allmacht zur Beruhigung an den Finanzmärkten fortzusetzen. Die Exponentialfunktion scheint zur Anwendung zu kommen.

Im Vergleich zu anderen Notenbanken ist die EZB in puncto Anleihekäufen noch ein „Waisenkind“. Während Fed und Bank of England ihre Volkswirtschaften vollmundig mit über 30 bzw. 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts refinanzieren – das sind über 43 bzw. 30 Prozent des Anleiheumlaufs – ist die EZB mit jeweiligen Aufkaufwerten deutlich unter 20 Prozent regelrecht rückständig. Diesen Rückstand wird die EZB definitiv aufholen. Auf der Zinssitzung am 3. Dezember wird Mario Draghi – die verbalen Ankündigungen sind unmissverständlich – nachlegen, um konjunkturschädliche Renditeanstiege im Keim zu ersticken.

Aktuelle Marktlage und Anlegerstimmung: Schwacher Euro heißt Aktienstärke

Zunehmende Anleiheaufkäufe der EZB dienen nicht zuletzt dem inoffiziellen Zweck, den Euro zu schwächen. Bereits jetzt ist die Zinsdifferenz von 10-jährigen Staatsanleiherenditen zu US-amerikanischen mit über 1,5 Prozentpunkten deutlich. Bei sich noch weiter ausweitendem Zinsunterschied wird sich die Attraktivität europäischer Staatsanleihen zulasten des Euros fortsetzen. Die EZB scheint die Parität zum US-Dollar anzustreben.

Grundsätzlich kommt deutschen, typischerweise exportorientierten Aktien eine abwertende Währung zugute.

Von einer Währungsabschwächung profitiert der MDAX als noch industrie- und exportlastigerer Aktienindex umso stärker.

Sicherlich verfolgt die US-Notenbank diese Entwicklung mit konjunktureller Sorge. Eine mögliche US-Leitzinswende mit Ausstrahleffekten auf Anleiherenditen erwiese sich als Belastungsfaktor für die US-Exportwirtschaft. Vor diesem Hintergrund wird US-Notenbankchefin Yellen bei einer tatsächlichen Zinserhöhung – die maßgeblich der Glaubwürdigkeit der Fed und nicht der US-Konjunkturverfassung geschuldet ist – anschließend Beruhigungsarbeit leisten müssen. Hierzu hat sie zwei Möglichkeiten: Entweder Frau Yellen verdeutlicht, dass die Zinserhöhung im Dezember nicht der Beginn eines Zinserhöhungszyklus ist und/oder sie kompensiert die Leitzinswende mit der Etablierung eines dann vierten Quantitative Easing, um einem übertriebenen Renditeanstieg vorzubeugen.

Insgesamt bleibt die Geldpolitik mehr als freizügig. Laut Finanzdatenanbieter Sentix trägt dies unter Finanzanlegern bereits zu verbesserten Konjunkturerwartungen in den USA, der Eurozone, Südamerika sowie Asien für die folgenden sechs Monate bei.

Deutsche Aktien sind im Oktober in eine typischerweise saisonal starke Jahresendphase gestartet. Nach den starken Kursgewinnen im Oktober ist kurzfristig zwar durchaus mit zwischenzeitlichen Verschnaufpausen zu rechnen. Jedoch stehen die Chancen aus historischer Sicht gut, dass der Deutsche Leitindex im November und Dezember seinen Aufwärtstrend fortsetzt.

Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50

Charttechnisch wartet im DAX bei einer Korrektur die erste Unterstützung bei 10.652 Punkten. Darunter bietet eine Kurslücke zwischen 10.587 und 10.508 Punkten Halt. Eine sehr heftige Korrektur könnte bis zur starken Auffanglinie bei 10.208 Punkten führen. Setzt der Index seine Rallye fort, liegt am seit April bestehenden Abwärtstrend bei derzeit 11.149 Punkten ein erster Widerstand. Darüber wartet die Kurslücke zwischen 11.154 und 11.278 Punkten, gefolgt von den Widerständen bei 11.600 und 11.800 Punkten.

Im Euro Stoxx 50 bietet eine Kurslücke zwischen 3.374 und 3.362 Punkten ersten Halt. Darunter warten weitere Auffanglinien bei 3.325 und 3.290 Punkten. Ein signifikanter Ausbruch über die Barriere bei 3.473 Punkten öffnet dagegen den Weg bis zum mittelfristigen Abwärtstrend bei zurzeit 3.578 Punkten. Darüber bieten eine Kurslücke zwischen 3.580 und 3.602 Punkten und schließlich die nennenswerte Hürde um 3.700 Punkte Widerstand.

Der Wochenausblick für die KW 47 – Japan in der Rezession

Die japanische Wirtschaft dürfte gemäß den BIP-Zahlen für das III. Quartal 2015 mit minus 0,4 nach minus 1,2 Prozent zum Vorjahr offiziell in die Rezession abrutschen. Der Handlungsdruck für eine Verstärkung der Liquiditätshausse der Bank of Japan nimmt immer weiter zu. Eine stabilere US-Konjunktur im Oktober in Form verbesserter Daten zu Industrieproduktion sowie Baubeginnen und -genehmigungen schüren aber Bedenken vor der US-Zinswende im Dezember.

In der Eurozone bleibt die Inflation im Oktober schwach und bestärkt die EZB in ihrer Bereitschaft zu einer Ausweitung ihrer Anleiheaufkäufe. Die Liquiditätsphantasien der EZB wird die ZEW Konjunkturerwartungen für Deutschland wieder etwas aufgehellt haben.

Nach den starken vergangenen Wochen am deutschen Aktienmarkt dürfte sich der DAX in der nächsten Woche zunächst seitwärst bewegen.

RobertHalverEin Beitrag von Robert Halver.

Robert Halver ist Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Das Haus mit Sitz in Unterschleißheim bei München ist eine der führenden Investmentbanken in Deutschland und Marktführer im Handel von Finanzinstrumenten. Halver beschäftigt sich seit 1990 mit Wertpapieren und Anlagestrategien.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128

Bildquelle: Baader Bank / markteinblicke.de