Warum die Turbulenzen an den Märkten nur eine Rally im Bärenmarkt auslösen
Es war nicht einfach, sich negativ zum Gold zu äußern, seitdem der Preis im Jahr 2011 seinen vorläufigen Hochpunkt bei rund 1900 US-Dollar pro Feinunze erreichte. Die wenigen Gold-Bären, die ihre Meinung öffentlich äußerten, wurden Opfer kritischer, sogar persönlicher verbaler Angriffe in sozialen Medien, erhielten emotional aufgeladene Kommentare auf Webseiten und per E-Mail und das Credo hinter der Mehrzahl dieser Reaktionen war: Alle Gold-Bären werden todsicher falsch liegen.
Ein gewaltiger Bärenmarkt hielt Gold seither drei Jahre lang gefangen und man muss sich heute wundern, wo all diese kritischen Stimmen geblieben sind. Wenn es stimmt, dass eine überbordend optimistische Stimmung sich erst neutralisieren muss, bevor ein neuer Aufschwung beginnen kann, dann ist Gold bereit, wieder zu steigen. Das Leben eines Marktanalysten wäre aber zu einfach, wenn es immer nur um ein Argument gehen würde. Freilich sind die Märkte komplex, und das gilt in keinem geringeren Maße für Gold. Ärgerlicherweise gibt es für die Gold-Bullen nur wenige zusätzliche Argumente, die für ein baldiges Ende des mehrjährigen Bärenmarktes sprechen.
Dow-Gold-Ratio liefert keinen Hinweis auf Ende des Abwärtstrends
Da ist zum Beispiel die Dow-Gold-Ratio, eine Verhältniszahl zwischen dem Dow Jones für Industriewerte und dem Preis für eine Unze Gold. Da Gold ein direktes Substitut zu Aktien in einem Portfolio eines Anlegers ist, ist die Dow-Gold-Ratio eine gute Orientierung dafür, wo wir uns gerade übergeordnet im Anlagezyklus befinden. Die Ratio erreichte im Jahr 2000 – dem Hoch der Dot.Com-Spekulationsblase – ein Allzeithoch bei 44. Man hätte also damals mit dem Erlös aus dem Verkauf eines Anteils des Dow Jones-Index 44 Unzen Gold käuflich erwerben können. Mit anderen Worten: Die Bewertungen bei Aktien hatten sich zu einer gigantischen Spekulationsblase aufgebläht und Gold war günstig. Dies war der Beginn eines neuen Bullenmarktes im Gold. In den Jahren, die folgten, fiel die Dow-Gold-Ratio immer tiefer, bis sie bei 5,7 im Jahr 2011 einen Boden ausbildete. Das bedeutete, dass ein Investor mit 5,7 Unzen Gold einen ganzen Anteil des Dow Jones Index für Industriewerte erwerben konnte. Also Gold war relativ teuer. Der bekannte Investor George Soros wurde damals zitiert, dass Gold seiner Meinung nach als die „ultimative Spekulationsblase“ anzusehen sei.
Heute wissen wir, dass die Spekulationsblase geplatzt ist. Die Verhältniszahl zwischen Dow Jones und Gold befindet sich seither in einer neuen Aufwärtsbewegung. Es könnte also jetzt an der Zeit sein, Aktien bei Korrekturen zu kaufen und Gold bei Erholungsbewegungen zu verkaufen. Anfang Januar 2016 liefert die Dow-Gold-Ratio auch aus charttechnischer Sicht keine Hinweise darauf, dass der Anstieg der Aktien relativ zum Gold bald enden wird. Im Gegenteil: Eine einmal begonnene Aufwärtsphase in der Dow-Gold-Ratio dauert normalerweise zehn Jahre an. Stellt also 2011 den Tiefpunkt des letzten Zyklus dar, würde das bedeuten, dass die Unterentwicklung des Goldes relativ zu US-Aktien noch bis zum Ende dieses Jahrzehnts andauert.
Erholung im Euro gegenüber dem Dollar könnte kurzfristig helfen
Von Zeit zu Zeit wird aber jeder vorherrschende Bärenmarkt durch Bärenmarkt-Rallys unterbrochen, die gut und gerne auch sehr kräftig und dynamisch ausfallen können. Seit sich die EZB im Dezember weigerte, weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen zu beschließen, sind große Adressen und Banken davon abgerückt, einen baldigen Rückgang des Euro zur Parität zu prognostizieren. Die Wetten auf einen fallenden Euro gegenüber dem US-Dollar haben jedoch etwas nachgelassen. Daraus könnte sich eine kurzfristige, über einige Wochen andauernde technische Gegenbewegung entwickeln, in welcher der Euro gegenüber dem US-Dollar aufwertet. Das könnte sich positiv auf den Goldpreis auswirken.
Der abweichende geldpolitische Kurs der US-Notenbank zu allen anderen Zentralbanken der Welt hat bereits dazu geführt, dass sehr viele Anleger einen steigenden US-Dollar erwarten. Sowohl die EZB als auch die FED müssen diese Entwicklung verwalten und beobachten. Ein zu starker Greenback wäre negativ für die US-Exportwirtschaft, die bereits unter den Folgen des hohen Kurses leidet. Während die jüngsten Beschlüsse der EZB bereits halfen, den Dollar zu schwächen, gibt es weitere Maßnahmen, die die US-Notenbank in diese Richtung unternehmen könnte. So könnte sie dazu übergehen, einen Teil ihres über QE-Programme erworbenen und 2500 Milliarden US-Dollar schweren Anleiheportfolios zu verkaufen. 216 Milliarden Dollar werden im Verlauf des Jahres 2016 fällig. Also könnten Zentralbanken geneigt sein, jegliche weitere Aufwertung des Dollar zu verhindern, was positiv für den Goldpreis wäre.
Rally im Bärenmarkt bleibt die wahrscheinlichere Option
Wenn die Vergangenheit eine Orientierung ist, dann könnte es dennoch Jahre dauern, bis Gold nach dem steilen Preiseinbruch der vergangenen Jahre einen richtigen Boden ausbildet. Viele Anleger haben sich dabei die Finger verbrannt und werden so schnell nicht mehr im großen Stil an diesen Markt zurückkehren. Nach dem letzten Bullenmarkt beim Gold in den 1980er Jahren dauerte es 19 Jahre, bis das Tief schließlich ausgebildet wurde. Ob das dieses Mal wieder geschehen wird oder nicht, bleibt abzuwarten. Aber es wäre sehr ungewöhnlich, wenn der Bärenmarkt dieses Mal bereits nach vier Jahren zu Ende wäre. Die Bewegungen des US-Dollar in den kommenden Wochen müssen genau im Blick behalten werden, da sie ein Signal für eine kräftige und temporäre Bärenmarkt-Rally im stark überverkauften Gold liefern könnten.
Er ist Chef-Marktanalyst bei CMC Markets, Frankfurt.
Davor war Jochen Stanzl über 15 Jahre bei der BoerseGo AG als Finanzmarktanalyst tätig und hat unter anderem die Portale GodmodeTrader, Jandaya und die Investment- und Analyseplattform Guidants mit aufgebaut und als erfolgreiche Kanäle in der deutschen Trading-Community etabliert. Sein analytischer Fokus liegt auf der Kombination aus technischer und fundamentaler Analyse von Währungen, Rohstoffen, Anleihen und der weltweiten Aktienmärkte.
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