Quo vadis EZB – was Sie zur heutigen Draghi-Show wissen sollten

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Das Thema geht in den Medien und Pressemitteilungen derzeit rauf und runter. Die Sitzung des EZB-Rats am heutigen Donnerstag und die Erwartungen an die Notenbanker. Was und wer so alles sich dazu an Gedanken gemacht hat – der Versuch einer kurzen Zusammenfassung.

Im Dezember waren viele Investoren von den Marktgegebenheiten enttäuscht. Es kamen dann Spekulationen im Raum, welche Maßnahmen die Europäische Zentralbank (EZB) ergreifen könnte. Nun werden für heute zwar nicht wahre Wunder fast schon erwartet, aber irgendeine „Hilfe für die Börsen“ dann schon – zumindest wenn wir diverse Marktteilnehmer hören.

„Die Notenbanker werden die Erwartungen der Märkte erfüllen“, sagt Paul Brain, Leiter des Fixed Income-Teams bei Newton Investment Management, einer der Investmentboutiquen von BNY Mellon Investment. Zu erwarten ist beispielsweise die Senkung des Einlagezinssatzes von minus 30 Basispunkte auf minus 40 Basispunkte und die Ausweitung der monatlichen Ankäufe um ein Volumen von 70 bis 75 Mrd. Euro. Denkbar wäre auch die formale Ausweitung des Ankaufprogramms bis 2017. Es könnte jedenfalls eine schrittweise Einführung von Maßnahmen sein, um die Banken nicht unnötig zu stressen. Schließlich sind es die Banken selbst, die die quantitative Lockerung an die Gesamtwirtschaft weitergeben müssen.

Dieser Meinung schließt sich auch seine Kollegin aus dem Hause BNY Mellon an. Rowena Macfarlane, Sovereign Analyst bei Standish Mellon Asset Management, ist zuversichtlich, dass das Treffen der EZB bedeutend für Anleger von globalen Staatsanleihen sein wird. „Die Erwartungen sind allerseits groß, dass die EZB ihre geldpolitischen Maßnahmen ausweiten wird. Dies könnte unter anderem dadurch geschehen, dass die Zinssätze noch weiter in den negativen Bereich sinken. Allerdings hat der Markt dies bereits größtenteils bepreist“, so Macfarlane.

Einmal kurz an dieser Stelle gesagt – quasi als Hintergrund: Seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 und seit der viel zitieren „Eurokrise“ haben die Währungshüter in Europa die Refinanzierungsbedingungen für Geschäftsbanken immer weiter verbilligt und im Zuge dessen den Leitzins auf 0,05 Prozent p.a. gesenkt. Die letzte Zinserhöhung war im Juli 2008.

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Der Euro und die niedrigen Zinsen im Blick der Märkte

Weitere expansive Schritte der Europäischen Zentralbank erwarten derweil die Kapitalmarktexperten der VÖB-Mitgliedsinstitute Alexander Aldinger (BayernLB), Dr. Christian Melzer (DekaBank), Dr. Jan Holthusen (DZ BANK), Ulf Krauss (Helaba), Dr. Cyrus de la Rubia (HSH Nordbank), Uwe Burkert (LBBW) und Dr. Jens Kramer (NORD/LB). Dies erklärten sie gemeinsam auf der 42. Zinsprognose-Pressekonferenz des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands. Der Wortlaut:

„Die weiterhin niedrigen Inflationsraten und -erwartungen in der Eurozone stellen die Glaubwürdigkeit der EZB auf die Probe. Die Experten erwarten eine erneute Senkung des Einlagesatzes für Banken, ebenso erscheint eine moderate Ausweitung der Programme zum Anleiheaufkauf – bezogen auf Volumen oder Assetklassen – möglich. Das Aufwärtspotenzial für Bundesanleihen bleibt weiterhin überschaubar; auf Jahressicht erwarten die VÖB-Zinsexperten bei den 10-jährigen Bundesanleihen eine Rendite zwischen 0,5 und 0,8 Prozent.

Von der US-Notenbank Fed erwarten die VÖB-Zinsstrategen hingegen weiterhin eine behutsame Rückkehr zur geldpolitischen Normalität. Die Fed wird die US-Konjunktur sowie den heimischen Arbeitsmarkt sehr aufmerksam beobachten und weitere Zinsschritte allenfalls sehr vorsichtig einleiten. Mehr als zwei Zinserhöhungen erwarten die Experten mehrheitlich im Jahr 2016 nicht. Die Prognosen für die 10-jährigen US-Treasuries liegen auf 12-Monatssicht zwischen 2,3 und 2,7 Prozent.

Für die deutsche Wirtschaft sehen die VÖB-Rentenstrategen weiterhin positive Signale: 2016 und 2017 wird das Wachstum stabil bleiben. Entscheidende Faktoren sind die hervorragende Beschäftigungslage, der niedrige Eurokurs und die geringen Energiepreise. Auch die massive Zuwanderung der vergangenen Monate wird wohl die Staatsaktivitäten erhöhen und die Konjunktur kurzfristig beleben.

Für Unsicherheit an den Märkten werden nach den Prognosen der VÖB-Kapitalmarktexperten weiterhin die konjunkturelle Entwicklung in China und die politische Bewältigung der Flüchtlingskrise durch die Europäische Union (EU) sorgen. Ein mögliches Votum der Briten für ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU (“Brexit”) im Juni könnte die Märkte nach Ansicht der VÖB-Experten ebenfalls in Unruhe versetzen.“

Der letzte Satz birgt Sprengstoff in sich, wie wir finden. Das Thema Breit hat nämlich weiterhin das Gros der Anleger nur bedingt auf dem Schirm bis jetzt. Fakt ist, dass das Börsenjahr 2016 ein sehr mediales Jahr der Notenbanken und deren Maßnahmen wird – noch extremer als in den Jahren zuvor.

Quelle: markteinblicke.de/ VÖB