Ein halbes Jahr Abwrackprämie – notwendiges Übel oder doch sinnlos?

Die “Abwrackprämie“ bzw. im Amtsdeutsch “Umweltprämie” wird ein halbes Jahr alt. Das ist eine Gelegenheit mal einen kurzen Blick zurück zu werfen. Denn das Thema kommt ja immer noch nicht aus den Schlagzeilen. Nachdem im April die Aufstockung auf 2 Millionen Anträge bzw. 5 Mrd. Euro durchs Kabinett geprügelt worden war, dachte eigentlich jeder, dass endlich Ruhe einkehrt. In der vergangenen Woche spekulierten nun wieder einmal einige Zeitungen und Politiker über eine weitere Aufstockung der Prämie. Aber erstaunlicherweise wurde die Diskussion auch relativ rasch wieder beerdigt. Vielen scheint das Instrument doch nicht mehr allzu tauglich zu sein. Hintergrund der Diskussion waren Berechnungen, wonach die Abwrackprämie bereits vor der Bundestagswahl am 27. September vollends ausgeschöpft sein könnte.

Dazu sollte man zunächst einen Blick auf die Zahlen des zuständigen Bundesamtes BAFA werfen. Laut Fördermittelübersicht (Stand 15.07.2009) wurden bislang 480.160 Anträge auf Gewährung der Umweltprämie nach dem alten Verfahren (Papierform) und 1.290.134 Anträge auf Gewährung der Umweltprämie nach dem Reservierungsverfahren (per Internet) gestellt. Somit kommt man bei 7.000 bis 8.000 eingehenden Anträgen pro Tag und noch zu stellenden 229.706 Anträgen auf ein Enddatum irgendwo im Zeitraum zwischen Ende August und Anfang September.

Das Ziel, den Automobilabsatz in Krisenzeiten anzukurbeln, wurde zweifelsohne erreicht. Deutschland wird bis zum Jahresende rund 2 Millionen (nicht alle Fahrzeuge werden in diesem Jahr auch ausgeliefert) verbrauchs- und CO2-arme Fahrzeuge auf den Straßen haben, anstatt mehr oder weniger schlimmen „Dreckschleudern“. Während man aber eigentlich den lahmenden deutschen Automobilbau wieder in Fahrt bringen wollte, hat man das nun eher in Frankreich, Italien, Japan und Südkorea getan. So haben immerhin deren Autohändler ihren Schnitt gemacht. Denn Dank der Abwrackprämie mussten sie ihre Rabatte nicht mehr ganz so großzügig verteilen. Und die deutschen Autobauer und ihre Zulieferer? Die meisten überbrücken die Krise mit Kurzarbeit und der Hoffnung auf ein baldiges Ende der Krise. Peer Steinbrück freut sich im Übrigen ebenfalls, denn durch die Mehrwertsteuer hat er ja einen Teil der 2.500 Euro Prämie schon wieder rein bekommen.

Insgesamt muss man also feststellen, dass die Abwrackprämie tatsächlich dafür gesorgt hat, alte Autos durch Neuwagen zu ersetzen. Die Frage ist nur, ob das nicht auch so passiert wäre und somit jede Menge Mitnahme- und Vorziehungseffekte die Zahlen verfälschen. Denn Autos werden dann ersetzt, wenn sie kaputt sind. Es sei denn sie werden nicht mehr gebraucht. Also hätte es Ersatzbeschaffungen auf jeden Fall gegeben. Damit dürfte im schlimmsten Fall ab Herbst die Nachfrage nach den in der Mehrzahl verkauften Kleinwagen einbrechen.

Neulich war ich bei meinem Autohändler und der zeigte mir fast den Tränen nahe einen 20 Jahre alten Mercedes-Kombi (diese unverwüstlichen Raumwunder): „Den muss ich verschrotten lassen, dabei hat der grade mal 150.000 km runter. Dabei hätte der gut nochmal soviel fahren können.“ Es zeigt sich: Bei Geschenken vom Staat setzt bei vielen Bürgern der Verstand aus. Nachgerechnet wird nicht mehr. Es will jeder nur das Geld was einem zusteht. Und so wird irrationalerweise eine absolut funktionstaugliches Fahrzeuge verschrottet und dafür ein neues angeschafft. In diesem Augenblick verliert der Begriff Umweltprämie meines Erachtens jegliche Berechtigung, denn die Umweltaspekte bei Herstellung und Verschrottung werden schlicht ausgeblendet.

Eine ebenfalls durch die Prämie angekurbelte Branche ist der Verschrottungshändler. Die Besitzer von Altwagen freuen sich in diesen Tagen übrigens über ein Überangebot und einen Preisverfall bei Gebrauchtteilen. Und da ein Gebrauchtwagenmarkt im Segment bis 3.000 und 4.000 Euro kaum noch existiert, weichen die Interessierten eben auf runderneuerte Autos aus. Auch wenn manch Autoverwerter Extraschichten fährt und neue Leute eingestellt hat. Von Dauer ist das nicht. Und die gesunkenen Preise sind ebenfalls schlecht fürs Geschäft. Einen weitere Aspekt: Der Export von Altwagen nach Osteuropa und Afrika ist natürlich ebenfalls eingebrochen, denn die abgewrackten Autos müssen verschrottet werden und können so maximal in Einzelteilen ins Ausland gebracht werden. Aber auch hier sieht man einen merklichen Preisverfall.

Alles in allem sehe ich die Abwrackprämie eher als sinnlosen Versuch an, in die Kaufentscheidung jedes Einzelnen einzugreifen, denn wenn jemand aufgrund der Abwrackprämie ein Auto gekauft hat, hat er kein Geld mehr für andere Konsumausgaben. Und nachhaltig ist das ganze sowieso nicht, denn die billigen Kleinwagen sind bislang nicht durch eine überdurchschnittliche Lebensdauer aufgefallen. Die Summe von 5 Mrd. Euro hätte man doch sicher auch in anderen Bereichen wie dem immer wieder als wichtig erachtetem Bildungssektor unterbringen können. Zur Erinnerung: Das vieldiskutierte Ganztagesschulprogramm hat ein Gesamtvolumen von 4 Mrd. Euro!

Nachtrag vom 16.7.09

Nachtrag zur Abwrackprämie – jetzt doch noch genügend Anträge möglich?