Nun haben also die Schweiz am vergangenen Wochenende in einem Referendum über ein bedingungsloses Grundeinkommen abgestimmt. Aber nur 22 Prozent der Wählerinnen und Wähler votierten für diesen Vorschlag, dessen Umsetzung bedeutet hätte, dass künftig jede dauerhaft in der Schweiz ansässige volljährige Person bis zu 2.500 Franken im Monat bekommen würde. Dabei hat es mich gewundert, wie wenig Interesse hierzulande diese doch brisante Abstimmung hervorgerufen hat. Zumal im Vorfeld des Referendums teilweise heftig diskutiert wurde. Zu teuer sei das Ganze, hieß es oft, und das bedingungslose Grundeinkommen setze falsche Anreize, war zu hören.
Anfang des Jahres gab es vom schweizerischen Meinungsforschungsinstitut DemoSCOPE eine erste repräsentative Umfrage, die zu dem Ergebnis kam, dass nach Einführung des bedingungslosen Einkommens nur 2 Prozent der Befragten zu arbeiten aufgehört hätten. Mehr als die Hälfte der Befragten gab stattdessen an, das Einkommen dafür zu nutzen, mehr Zeit für Familie und Weiterbildung aufzubringen. Fast hörten sich die Antworten an, als habe man die Frage: „Wie würde ein Lottogewinn Ihr Leben verändern?“ gestellt. Doch offensichtlich wollten die Schweizer keinen Lottogewinn.
Dennoch bezweifle ich, dass die Mehrheit der Wahlberechtigten einfach blind der Empfehlung der Regierung gefolgt ist, die sich bereits vor der Abstimmung deutlich gegen das bedingungslose Grundeinkommen gestellt hatte. Oder hatten die Bürgerinnen und Bürger gar Angst, das Grundeinkommen könne die öffentliche Moral untergraben und, wie es in der Internetausgabe des Economist vom 5. Juni hieß, die braven Schweizer in eine „Gesellschaft von unmotivierten sozialen Trittbrettfahrern“ verwandeln? Immerhin zeigte sich an der Umfrage von DemoSCOPE , dass rund ein Drittel der Befragten dachte, die Anderen würden mit Einführung eines Grundeinkommens die Arbeit niederlegen. Nach dem Motto: Ich selbst würde natürlich genauso fleißig weiterarbeiten wie zuvor, aber meinem Nachbar traue ich diese Haltung nicht zu.
Grundübel sozialer Vergleich
Und damit wären wir bei einem menschlichen Grundübel angelangt: dem sozialen Vergleich. Ein Gewinn von einer Million Euro wäre zwar ganz nett, aber wenn die Nachbarn auch jeweils eine Million Euro gewinnen würden, dann fänden das viele Menschen nicht so lustig. Ähnlich mag es sich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen verhalten.
Denn viele Menschen haben den Drang, ihre Stufe auf der sozialen Leiter ständig mit der anderer Leute abzugleichen, um den eigenen Rang gegenüber Dritten zu manifestieren…
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Ein Beitrag von Joachim Goldberg.
Er beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein. Seitdem setzt er sich intensiv mit der â€Behavioral Finance†genannten verhaltensorientierten Finanzmarktanalyse auseinander.
Joachim Goldberg schreibt regelmäßig auf seinem Blog www.der-goldberg.de.
Bildquelle: markteinblicke.de