Schlussgong: Warren Buffett oder die 44-Milliarden-Dollar-Wette

An den Aktienmärkten setzte gestern nach den Verlusten der Vortage eine Gegenbewegung ein. Die Indizes in Europa legten stark zu. Auch die US-Börsen eröffneten nach guten Konjunkturdaten stark. In den letzten Handelsminuten büßte der Dow Jones jedoch fast 100 Punkte ein und rettete nur ein kleines Plus von 0,31% ins Ziel. Auch S&P 500 und Nasdaq notierten nach dem Schlussgong nur hauchdünn im Plus. Auslöser für die Kursschwäche am Tagesende war die US-Notenbank Fed. Nach einer Sitzung wurde indirekt mitgeteilt, dass die Null-Zins-Politik noch längere Zeit beibehalten wird. Diese Einschätzung hat die gute Stimmung am Aktienmarkt verdorben.

Kurzfristig freuen sich Investoren über Zinssenkungen und möglichst niedrige Zinsen. Wenn aber eine Null-Zins-Politik längere Zeit durchgehalten wird, bedeutet das, dass die Wirtschaft weiterhin angeschlagen ist und künstlich gestützt werden muss. Die Fed sieht in den nächsten Wochen und Monaten offensichtlich keinen selbsttragenden Aufschwung der US-Wirtschaft. Daher die Gewinnmitnahmen am Aktienmarkt.

Buffett kauft riesigen Eisenbahnkonzern

Ein ganz anderes Signal sendet dagegen der erfolgreichste Investor aller Zeiten, Warren Buffett. Über seine Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway will Buffett den Eisenbahnkonzern Burlington Northern Santa Fe (BNSF) erwerben. Das Transaktionsvolumen (Kaufpreis und Übernahme der Schulden) liegt bei stolzen 44 Mrd. USD. Das ist die größte “Wette”, die Buffett je eingegangen ist. Mit einer Gesamtlänge von rund 54.000 Kilometern betreibt Burlington eines der größten Schienennetze in Nordamerika. Das Unternehmen besitzt 6.700 Loks und ist schwerpunktmäßig im Güterverkehr verankert.

Wette auf die Konjunktur

Und genau das macht die Sache so spannend: Der Güterverkehr hängt sehr stark von der Konjunkturentwicklung ab. Natürlich gibt es auch in den USA den Trend, die Gütertransporte von der Straße auf die Schienen zu verlagern, aber richtig rund werden die Geschäfte nur laufen, wenn der Gütertransport insgesamt stark wächst. Das ist also eine direkte Wette auf einen Konjunkturaufschwung. Buffett gibt das auch offen zu: “Vor allem aber ist sie eine umfassende Wette auf die wirtschaftliche Zukunft der Vereinigten Staaten. Ich liebe solche Wetten.” Diese positive Einschätzung erstaunt etwas, da sich Buffett noch Anfang Mai auf der Hauptversammlung von Berkshire Hathaway relativ kritisch zur US-Konjunktur geäußert hat.

2 Jahre gewartet, dann zugeschlagen

Man kann ausschließen, dass Buffett den Deal nur aus “Liebe zur US-Wirtschaft” getätigt hat. Buffett bevorzugt US-Unternehmen, will aber auch immer Geld verdienen. Und das ist ihm in den vergangenen 4 Jahrzehnten sehr gut gelungen. Die Entscheidung, Burlington vollständig zu übernehmen, kam überraschend, war jedoch kein Schnellschuss. Berkshire besitzt schon seit etwa 2 Jahren gut 20% der Burlington-Aktien. Wir können also davon ausgehen, dass Buffett das Unternehmen in dieser Zeit extrem gründlich aus nächster Nähe unter die Lupe genommen hat.

Kaufzeitpunkt signalisiert keine sofortige Konjunkturwende

Der Kaufzeitpunkt darf allerdings nicht überinterpretiert werden. Buffett kauft gerne gegen den Trend. Das bedeutet nicht, dass der Aufschwung direkt in den nächsten Wochen einsetzt. Buffett kann viele Monate oder auch Jahre warten. Ein gewisses Signal ist das aber schon. Betrachten wir die letzten großen Investitionen. Buffett ist nach der Lehman-Pleite im großen Stil in Bank-Aktien eingestiegen. Das Timing war nicht ganz optimal. Die Kurswende kam erst 3 bis 6 Monate später. Ein exaktes Timing ist aber auch unmöglich. Wenn Buffett von einer Idee überzeugt ist, will er investiert sein. Damit unterscheidet sich Buffett grundlegend von einigen “Experten”, die immer auf den perfekten Einstiegszeitpunkt warten und dann den Aufschwung verpassen.

Buffett: Der Großmeister der Informationen

Bei seinen Entscheidungen muss sich Buffett auch nicht auf die offiziellen Konjunkturprognosen verlassen. Seine Holding Berkshire Hathaway hat rund 80 Unternehmen im Portfolio. Die Unternehmen kommen aus der Finanzbranche, aber auch aus der Industrie, aus der Nahrungsmittelbranche und aus dem Handel. Die Lageberichte der 80 Unternehmen dürften eine relativ gute Konjunktureinschätzung ermöglichen.
Buffett hat mal wieder zum großen Schlag ausgeholt. Der Altmeister der Börse kann sicherlich auch Fehler machen, aber durch sein Informationsnetz gehört er zu den Investoren mit der aussagekräftigsten Datenbasis in der US-Wirtschaft. Wenn ein solcher Investor eine 44-Milliarden-Dollar-Wette auf einen Konjunkturaufschwung eingeht, ist das viel mehr wert als eine offizielle Konjunkturumfrage.