Seit einem Monat bewegt sich der S&P 500 in einer 50 Punkte Range bzw. in einer Range von ±1,3%. Da deutet sich doch etwas Großes an!
Vielen ist die Rally einfach nicht geheuer. Noch unheimlicher ist die Entwicklung der letzten Wochen. Nach einem dynamischen Ausbruch auf neue Allzeithochs geschieht vor allem in den USA gerade nichts mehr. Seit vier Wochen schieben sich die Indizes seitwärts – und zwar in einer historisch niedrigen Bandbreite.
Das kann man nun so deuten wie es einem gerade passt. Die einen sehen darin eine Konsolidierung, bevor es weiter nach oben geht. Die anderen sehen die Ruhe vor dem großen Sturm. Der große Sturm soll kommen, wenn Anleger die Sachlage nur endlich richtig erkennen.
Die Sachlage ist einfach beschrieben: US-Unternehmen haben im zweiten Quartal wieder einen Gewinnrückgang verzeichnet. Dafür schütten sie rekordhohe Summen an Dividenden aus. Grafik 1 zeigt den S&P Index, sowie den Gewinn je Aktien und die Dividenden.
Eine Gewinnrezession hat der S&P selten so gut überstanden wie im vergangenen und in diesem Jahr. Das ist mehr als suspekt, lässt sich aber durch zwei Faktoren erklären. Einerseits fehlt es an Alternativen zu Aktien, andererseits kaufen Unternehmen ihre eigenen Aktien zurück und stützen so die Preise.
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Wenn die Gewinne sinken, können Unternehmen nicht auf ewig eigene Aktien zurückkaufen und Dividenden steigern. Schon jetzt zahlen knapp 10 % der S&P 500 Unternehmen mehr an Aktionäre aus, als sie an Cashflow generieren. Die Lücke wird über zusätzliche Schulden geschlossen.
Ganz nebenbei wirken Aktien überbewertet, egal, ob man das Kurs-Gewinn-, das Kurs-Buchwert- oder das Kurs-Umsatz-Verhältnis zu Rate zieht. Nach einem sensationellen Bullenmarkt (Grafik 2) fehlt die Fantasie für weiter steigende Kurse. Das gilt ganz besonders, wenn die US-Notenbank die Zinsen doch noch irgendwann anhebt. Die Alternativen zu Aktien feiern mit jedem Zinsschritt ein kleines Comeback. Höhere Zinsen auf dem Geld- sowie Anleihemarkt sind eine ernstzunehmende Konkurrenz.
Nun ist es allerdings so, dass die gute Performance der Indizes bis vor kurzem allein von defensiven Sektoren getragen wurde (Grafik 3). Seit einem Monat, genau die Zeit, in der sich unterm Strich nichts mehr getan hat, läuft der Beginn einer Sektorrotation. Versorger und nichtzyklische Konsumgüter werden verkauft, dafür greifen Anleger bei Technologie- und Industrieaktien zu.
Der Markt befindet sich gerade durch die Rotation in einem Gleichgewicht. Defensive Sektoren ziehen den Markt nach unten, zyklische Sektoren ziehen ihn nach oben. Nun braucht es einen Impuls, um wieder einen klaren Trend zu erzeugen. Kommt es im September z.B. definitiv nicht zu einer Zinsanhebung in den USA, dann dürfte der Markt fröhlich weiter nach oben marschieren.
Eine Zinsanhebung wird den übergeordneten Trend nicht kippen, aber aufhalten. Persönlich favorisiere ich nach wie vor neue Allzeithochs. Die Frage ist für mich nicht so sehr, ob diese erreicht werden, sondern vielmehr, wann sie erreicht werden und wie lange sie dann halten. Der September gilt als schwierigster Börsenmonat. Nachdem schon der August ungewöhnlich ruhig war und sich so niedrige Volatilität wie derzeit selten länger als ein oder zwei Monate hält, kann man sich ausmalen, dass es zu einem kleinen Rücksetzer kommen wird. Das dürfte dann allerdings das Sprungbrett für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends sein.
Autor: Clemens Schmale, Finanzmarktanalyst bei GodmodeTrader.de
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Bildquelle: markteinblicke.de