Der Ölpreis hat gerade einen der kürzesten Bärenmärkte überhaupt überwunden und befindet sich nach nur zwei Wochen wieder im Bullenmarkt. Was steckt dahinter?
Dass der Ölpreis sehr volatil ist, weiß inzwischen jeder, doch die Preisbewegungen in den letzten 10 Wochen waren trotz des Ausnahmezustands ungewöhnlich. Erst verlor der Ölpreis innerhalb von zwei Monaten über 20 % und rutschte dadurch wieder in Bärenmarktterritorium. Seit Anfang August explodiert der Preis förmlich und war zwischenzeitlich mit über 20 % im Plus und somit erneut im Bullenmarkt. Aktuell läuft eine Konsolidierung.
Viele Anleger und Beobachter sind verwirrt und können sich das Geschehen nicht erklären. Es heißt, dass die Bewegung absolut nichts mit den Fundamentaldaten zu tun hat. Diese deuten weiterhin auf fallende Preise hin. Saudi-Arabien vermeldete gerade erst wieder eine Rekordproduktion.
Die OPEC brachte Anfang August wieder die Einfrierung der Produktion ins Gespräch. Nach mehreren gescheiterten Versuchen dürfte das jedoch kaum für die Rallye verantwortlich gewesen sein. Die Ankündigungen blieben bisher das, was sie sind: leere Worte. Wer aufgrund dieser Andeutungen Öl kauft, dürfte enttäuscht werden. Wenn nun aber nicht die Möglichkeit von Produktionsobergrenzen für die Rallye gesorgt hat, was war es dann?
Auf den ersten Blick wirkt es so, als würde sich der Ölpreis tatsächlich von den Fundamentaldaten komplett lösen. Das ist nicht der Fall. Der Fokus der meisten Analysten liegt auf den großen Ölexporteuren der OPEC. Dabei gehen die vielen anderen Länder, die Öl fördern, unter. Es sind jedoch genau diese Länder, die für ein Gleichgewicht sorgen.
Konkret ist es Venezuela. Die Ölproduktion in Venezuela ist vom mehrjährigen Hoch von knapp 3 Mio. Barrel pro Tag im Jahr 2014 auf 2,15 Mio. Barrel im Juli gesunken. Anfang des Jahres wurde die weltweite Überproduktion auf 1,5 Mio. Barrel geschätzt. Ein Drittel dieser Überproduktion ist seit Jahresbeginn weggefallen, nur weil Venezuela weniger fördert.
Venezuela fördert nicht freiwillig weniger Öl. Die niedrigen Ölpreise haben das Land zu einer Reduktion der Förderung gezwungen. Durch die niedrigen Ölpreise kommen weniger Devisen ins Land. Inzwischen sind die Dollarreserven des Landes aufgebraucht. Es ist allerdings für die Ölförderung auf die Dienstleistungen und Vorprodukte aus anderen Ländern angewiesen. Nachdem diese nicht mehr gezahlt werden können kommt es zu Engpässen und die Produktion kann nicht aufrechterhalten werden.
Die Ölfirmen Schlumberger (WKN: 853390 / ISIN: AN8068571086) und Halliburton (WKN: 853986 / ISIN: US4062161017) haben ihre Aktivitäten drastisch heruntergefahren, da ihnen inzwischen knapp 2 Mrd. Dollar geschuldet werden. In der Folge wird weniger gebohrt und weniger gefördert. Solange Venezuela seine Rechnungen nicht zahlt, wird sich daran auch nichts ändern.
Venezuelas Ölproduktion könnte um weitere 400.000 Barrel pro Tag sinken. Das weltweite Überangebot hätte sich dann auf 600.000 Barrel pro Tag reduziert. Das Nachfragewachstum, welches auf 1,5 Mio. Barrel in diesem und 1,2 Mio. Barrel im kommenden Jahr geschätzt wird, sorgt dann ganz alleine für ein Gleichgewicht auf dem Markt.
Venezuela braucht dringend Ölpreise von mehr als 50 Dollar je Barrel, um den Bankrott zu vermeiden. Bisher wurden Anleihen noch bedient, doch das wird trotz diverser Tricks nicht mehr ewig möglich sein. Mit Ölpreisen von mehr als 50 Dollar kann ein Bankrott vermieden werden. Die Schulden bei anderen Unternehmen wie Schlumberger lassen sich damit jedoch noch nicht begleichen.
Die Produktion in Venezuela wird vorerst weiter sinken. Es ist schwer zu sagen, welchen Preis das Land braucht, um wieder ausreichend Dollarliquidität zu generieren, damit es seine Zulieferer bezahlen kann. Vermutlich wird ein Preis von mehr als 60 Dollar benötigt. Solange der Preis also darunter notiert, dürfte es überraschend schnell zu einem Gleichgewicht auf dem Markt kommen, vorausgesetzt, andere OPEC Länder weiten ihre Förderung nicht noch mehr aus.
Autor: Clemens Schmale, Finanzmarktanalyst bei GodmodeTrader.de
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Bildquelle: markteinblicke.de