Bei Genworth Financial auf den Übernahme-Poker setzen?

Bildquelle: Pressefoto Genworth Financial

Die frühere Versicherungssparte des US-Giganten General Electric, Genworth Financial Inc. (WKN: A0CA8M / ISIN: US37247D1063) (NYSE: GNW), hat mit einigen Problemen zu kämpfen und deshalb ist der Kurs in den letzten beiden Jahren von $18 auf $2 eingebrochen. Kurz vor der Finanzkrise hatte er sogar einmal bei $37 gestanden, doch das ist Geschichte. Ich hatte GNW hier im Blog Anfang März vorgestellt und bin der Frage nachgegangen, ob es sich um ein Schnäppchen oder eine Value Trap handelt. Und habe eine erste Investition zu €1,72 getätigt.

Der Grund war, dass GNWs Buchwert über $30 je Aktie beträgt und der Aktienkurs verglichen hiermit ein Witz ist. Auf der Gegenseite ist zu vermerken, dass in GNWs Geschäften der Wurm drin ist. Nicht nur bei den klassischen Lebensversicherungen, deren Vertrieb man ausgesetzt hat, weil sie sich so gar nicht mehr rechne(te)n aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase, sondern viel mehr bei den Long Term Care-Produkten, also langlaufenden Pflegeversicherungen. Diese LTCs bereiten nicht nur Genworth Financial Sorgen, sondern der gesamten Branche, denn die Leute werden immer älter und die Behandlungen immer teurer. GNW selbst hatte dann auch noch seine Policen falsch kalkuliert und ist ist erst nach längerer zeit auf den Rechenfehler aufmerksam geworden. Die auf dieses Basis abgeschlossenen Policen muss man aber dennoch erfüllen und die bereiten weiterhin und zunehmend Kopfschmerzen. So starke, dass im dritten Quartal eine erneute heftige Abschreibung hierfür fällig war. Nachdem man 2014 bereits $698 Mio. abgeschrieben hatte, folgten nun noch einmal $475 Mio. Und die Sorgen der Anleger sind, dass dies nicht die letzten Abschreibungen auf dieses Geschäft gewesen sein dürften. Und hier liegt der Hund begraben…

Wie werthaltig ist der ausgewiesene Buchwert wirklich, wenn man ständig damit rechnen muss, dass dieser durch Abschreibungen zusammengeschrumpft wird? Denn Genworth Financial verdient im operativen Geschäft nicht genug, um derart hohe Abschreibungen zu kompensieren.

Genworth-Financial-Chart: finanztreff.de
Genworth-Financial-Chart: finanztreff.de

Nun, zwischen einem Aktienkurs von unter $5 und einem Buchwert von über $30 ist schon noch eine ganze Menge Luft. Und man darf auch nicht vergessen, dass die meisten dieser kritischen LTC-Policen aus Mitte der 1990er Jahre stammen und der betreffende Personenkreis immer kleiner wird, einfach durch den natürlichen Lauf des Lebens.

Also selbst wenn GNW den Wert seines LTC-Business irgendwann noch einmal heruntersetzen muss, ist dies keine endlose Todesspirale, sondern ein überschaubares Problem. Und bisher hat das GNW-Management auch immer den Eindruck vermittelt, die Probleme seien zwar nicht klein, aber beherrschbar – und dass man sie beherzt angehe.

Umso unverständlicher ist für mich, dass man sich für nur $5,43 je Aktie in die Arme eines chinesischen Versicherungskonzern flüchten will. Sicherlich, Oceanwide Holdings bringt auch frische Finanzmittel in GNWs Geschäft ein, das dort sehr willkommen ist, aber eine Lösung dieser kurzfristigen Liquiditätssorgen rechtfertigen doch keine Verschleudern der Zukunft!

Ich halte das Angebot der Chinesen für völlig unangemessen…

Auf www.intelligent-investieren.net geht es weiter.

Kissig Ein Beitrag von Michael C. Kissig

Er studierte nach Abschluss seiner Bankausbildung Volks- und Rechtswissenschaften und ist heute als Unternehmensberater und Investor tätig. Neben seinem Value-Investing-Blog “iNTELLiGENT iNVESTiEREN” verfasst Michael C. Kissig regelmäßig eine Kolumne für das “Aktien Magazin”.

Bildquellen: Michael C. Kissig / Pressefoto Genworth Financial