Jeder sollte eine Vorsorgevollmacht haben!

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Kein Mensch befasst sich gerne mit den unangenehmen Seiten seines Lebens. Trotzdem sollte sich jeder einmal mit der Möglichkeit auseinandersetzen, durch eine schwere Krankheit oder einen Unfall körperlich oder geistig handlungsunfähig zu werden. Für die meisten Menschen ist es wichtig, dass dann Entscheidungen so getroffen werden, wie man sie selbst getroffen hätte. Doch damit es so weit kommen kann, sollte jeder rechtzeitig aktiv werden. Die Lösung heißt Vorsorgevollmacht.

Für viele Menschen ist klar: Wenn ich selbst nicht mehr dazu in der Lage bin, kümmern sich meine Angehörigen notfalls um alles. Soweit die Theorie. Denn tatsächlich haben weder der eigene Ehepartner noch Kinder oder Eltern automatisch die rechtliche Handhabe als gesetzlicher Vertreter zu agieren. Laut deutschem Recht bedarf es dazu entweder einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht oder der gerichtlichen Bestellung als Betreuer. Und:

Entgegen einem verbreiteten Vorurteil sind Vorsorgevollmachten keine Frage des Alters. „Jedes junge Paar sollte spätestens beim gemeinsamen Kauf einer Immobilie eine Vorsorgevollmacht errichten“, erklärt Timm Starke von der Bundesnotarkammer.

Denn wenn einem der Partner etwas zustößt, so muss der andere in der Lage sein, die Darlehensverträge mit der Bank zu ändern oder im Notfall die Immobilie auch wieder zu verkaufen. Ohne Vollmacht geht das nicht. Denn selbst Eheleute sind nicht berechtigt, sich gegenseitig zu vertreten.

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Eine Frage des Vertrauens

Eine solche rechtsgeschäftliche Vertretungsvollmacht ist die so genannte Vorsorgevollmacht. Mit dieser lassen sich alle wichtigen Lebensbereiche abdecken. Dabei können konkrete Entscheidungen vorweggenommen oder auch umfassende Vollmachten erteilt werden.

Neben der Frage: Wie würde ich in der Situation entscheiden, steht dabei auch diese im Raum: Wem vertraue ich in der Situation am ehesten. Idealerweise bespricht jeder dieses Themen bereits frühzeitig mit dem jeweiligen Bevollmächtigten. Nur dann kann man sich auch sicher sein, dass im Fall der Fälle die Entscheidungen im eigenen Sinne getroffen werden.

Weder der eigene Ehepartner noch Kinder oder Eltern haben automatisch das Recht als gesetzlicher Vertreter zu agieren.

Die natürlichen Ansprechpartner für eine Vorsorgevollmacht sind die eigenen Angehörigen. Das kann der Ehepartner sein, ein Kind oder auch ein guter Freund. der Betreffende muss sich einfach gut mit der Entscheidung fühlen, sein Leben in den Händen anderer zu wissen. Generell muss ein Bevollmächtigter kooperativ und durchsetzungsfähig sein und es schaffen, eine Entscheidung im Sinne des Vollmachtgebers zu treffen.

Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte sich die Vollmacht auf eine Person beschränken und gegebenenfalls eine Vertretungsperson für den Verhinderungsfall benannt werden. Sind diese Entscheidungen einmal getroffen, ist viel erreicht und es kann sich dann um die tatsächliche Vollmacht gekümmert werden.

Ernsthafte Diskussion

Erfahrungsgemäß sorgt schon das Gespräch über die einzelnen Punkte einer Vorsorgevollmacht für die notwendige Diskussion und Ernsthaftigkeit. Dabei sollte sich jeder der Beteiligten die Argumente des Gegenübers gut anhören, um später einmal im Sinne des Betroffenen und nicht im eigenen Sinne zu entscheiden.

Gerade Familienangehörige sollten zudem frühzeitig entsprechend aufgeklärt werden, um im Fall der Fälle „Überraschungen“ aus dem Inhalt einer Vorsorgevollmacht zu vermeiden.

Eine Frage der Gesundheit

Wann immer die körperliche oder geistige Handlungsunfähigkeit im Raume steht, liegt der Fokus zunächst auf gesundheitlichen Fragen. Die Vorsorgevollmacht kann dabei regeln, dass ein Bevollmächtigter in allen Angelegenheiten der Gesundheitssorge, sowie über alle Einzelheiten einer ambulanten oder (teil-)stationären Pflege entscheiden darf.

Dazu ist es in der Regel notwendig, dass ein Bevollmächtigter auch die notwendigen Krankenunterlagen einsehen und deren Herausgabe an Dritte bewilligen darf. Zudem kann ein Bevollmächtigter befugt werden, den in einer Patientenverfügung festgelegten Willen durchzusetzen.

Eine solche Patientenverfügung stellt klar, ob Sie in bestimmte medizinische Maßnahmen einwilligen oder sie untersagen. Der behandelnde Arzt hat dann zu prüfen, ob die Festlegung in der Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Ist dies der Fall, so hat er die schriftlich fixierten Entscheidungen unmittelbar umzusetzen. Was sich grundsätzlich einfach anhört ist im Detail aber umso schwieriger.

„Hat der Verfasser etwa festgelegt, dass er im Endstadium einer schweren Krankheit auf künstliche Ernährung verzichten möchte, heißt das nicht, dass er das auch dann möchte, wenn er nach einem Unfall im Koma liegt”, verdeutlicht Dr. Wolfgang Reuter, Gesundheitsexperte der DKV Deutsche Krankenversicherung.

Formulierungen müssen zum einen stets klar formuliert, aber auch medizin-ethisch und rechtlich eindeutig sein. Die Beratung durch den eigenen Arzt kann hierbei viele Probleme lösen. Außerdem muss eine Patientenverfügung immer verfügbar sein. „Damit die Ärzte in einem Notfall möglichst schnell von der Existenz einer Patientenverfügung erfahren, hilft eine Karte im Portemonnaie, die über das Dokument und seinen Aufbewahrungsort informiert”, rät Reuter.

Dennoch ist eine Patientenverfügung kein Allheilmittel. Daher kann im Rahmen der Vorsorgevollmacht geregelt werden, dass ein Bevollmächtigter in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff einwilligt, diese ablehnt oder die Einwilligung in diese Maßnahmen widerruft.

Dies gilt auch, wenn mit der Vornahme, dem Unterlassen oder dem Abbruch dieser Maßnahmen die Gefahr besteht, dass Sie als Vollmachtgeber sterben oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleiden. Allein an diesen Formulierungen wird deutlich, wie schwerwiegend Entscheidungen im Rahmen einer Vorsorgevollmacht sein können.

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Wohnungsangelegenheiten müssen geregelt werden

Wer dauerhaft im Koma liegt oder auf Dauer nicht mehr alleine leben kann, benötigt keine eigene Wohnung. Doch selbst für solche Selbstverständlichkeiten bedarf es einer rechtlich eindeutigen Bevollmächtigung. Auch hier kann die Vorsorgevollmacht helfen. Neben Fragen des allgemeinen Aufenthalts können darin auch Regelungen getroffen werden, die die Rechte und Pflichten aus einem Wohnungsmietvertrag behandeln.

Das reicht von der Kündigung eines Mietvertrags bis zur Auflösung des Haushalts. Außerdem kann eine Vorsorgevollmacht die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung regeln, indem ein Bevollmächtigter einen Vertrag nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz abschließen und kündigen darf.

Für die meisten finanziellen Entscheidungen ist zwingend die notarielle Beurkundung der Vorsorgevollmacht notwendig.

Vertretung gegenüber dem Staat

Jeder hatte schon einmal Kontakt mit Behörden oder Versicherungen. Gerade für den Fall der körperlichen oder geistigen Handlungsunfähigkeit ist dies umso wichtiger. So müssen unter Umständen Versicherungsleistungen abgerufen oder Rentenleistungen beantragt werden. Auch Dinge wie die Steuererklärung müssen im Fall der Fälle geregelt werden.

Eine Vorsorgevollmacht kann dazu einem Bevollmächtigten erlauben, die Anliegen des Vollmachtgebers gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern zu vertreten. Hinzu kann auch die Entgegennahme und Öffnung von Post sowie die Vertretung gegenüber Unternehmen des Fernmeldeverkehrs vereinbart werden. Auch wenn Post und Telekom inzwischen Privatunternehmen sind, gilt noch immer das Post- und Fernmeldegesetz, so dass hierfür eine gesonderte Bevollmächtigung notwendig ist.

Das liebe Geld

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Bereich der Vorsorgevollmacht betrifft die sogenannte Vermögenssorge. Damit kann nicht nur die Verwaltung des Vermögens, sondern sogar die generelle Verfügung über die Vermögensgegenstände geregelt werden. Damit ist also nicht nur die Wiederanlage von Geldvermögen, sondern Zahlungen aller Art bis hin zur Veräußerung einer Immobilie denkbar.

Für die meisten dieser Bereiche ist allerdings zwingend die notarielle Beurkundung der Vorsorgevollmacht notwendig. Hinzu kommt, dass Banken und Sparkassen im Regelfall eigene Vollmachten verlangen, die zusätzlich zu einer notariell beurkundeten Vorsorgevollmacht notwendig sind. Um rechtliche Streitigkeiten zu vermeiden, sollten die Bankformulare in den Räumen des Instituts unterzeichnet und eingereicht werden.

Das Vorsorgeregister wird seitens der Gerichte automatisch abgefragt, bevor ein gesetzlicher Betreuer bestellt wird und verhindert so oft die Einrichtung einer Betreuung.

Justitia muss auch bedacht werden

Auch im Fall der körperlichen oder geistigen Handlungsunfähigkeit besteht unter Umständen die Notwendigkeit, vor Gericht aktiv zu sein. Im Rahmen einer Vorsorgevollmacht kann ein Bevollmächtigter den Vollmachtgeber gegenüber Gerichten vertreten sowie Prozesshandlungen aller Art vornehmen. Das kann sogar über den Tod hinaus notwendig sein. Etwa wenn es um Schadenersatzprozesse bei einem Unfall geht. Daher ist eine entsprechende Bevollmächtigung über den Tod hinaus ebenfalls möglich.

Die besondere Klausel

Es gibt bei rechtlichen Fragestellungen immer Bereiche, die nicht abschließend geklärt sind. Das kann auch eine Vorsorgevollmacht betreffen. Um hier dennoch auf der sicheren Seite zu sein, kann eine sogenannte Betreuungsverfügung vereinbart werden. An sich ist diese im Fall einer Vorsorgevollmacht nicht mehr nötig, da ja eine umfängliche Vollmacht erteilt wurde.

Sollte trotz dieser Vollmacht eine gesetzliche Vertretung („rechtliche Betreuung“) erforderlich sein, kann der Vollmachtgeber das Gericht bitten, die in der Vorsorgevollmacht bezeichnete Vertrauensperson als Betreuer zu bestellen.

Wichtig zu wissen ist dabei, dass eine Betreuungsverfügung keine definitive Entscheidung herbeiführen kann, sondern nur die Wünsche festhält. Wer letztlich als Betreuer bestellt wird, entscheidet das Gericht. Umso wichtiger ist, dass eine Vorsorgevollmacht rechtlich unangreifbar ist.

Wohin mit der Vorsorgevollmacht?

Entscheidend für den erfolgreichen Einsatz der Vorsorgevollmacht ist die Verfügbarkeit im Fall der Fälle. Dazu sollte ein Bevollmächtigter unbedingt das Original bei sich lagern. Nur dann ist gewährleistet, dass ein Bevollmächtigter auch tatsächlich nach dem Willen des Vollmachtgebers agieren kann. Sinnvoll ist es zudem, auf das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer zurückzugreifen.

Es besteht seit 2005 und erfreut sich wachsenden Zuspruchs. Inzwischen liegen dort bereits fast 4 Millionen Vorsorgevollmachten. Wichtig zu wissen: Das Register wird seitens der Gerichte automatisch abgefragt, bevor ein gesetzlicher Betreuer bestellt wird.

Durchschnittlich gibt es monatlich ca. 20.000 solcher elektronischen Abfragen durch die Gerichte. Davon wurde in den vergangenen Jahren konstant knapp ein Zehntel positiv beauskunftet, womit seit Einführung des Zentralen Vorsorgeregisters in mehreren Hunderttausend Fällen die Einrichtung einer Betreuung vermieden werden konnte.


Gut zu wissen:

Was ist eine Vorsorgevollmacht?

Damit können Sie festlegen, wer Sie in allen Angelegenheiten vertreten soll, falls Sie einmal dazu selbst aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sind.

Warum ist eine Vorsorgevollmacht sinnvoll?

Entgegen allgemeiner Ansichten sind Ehepartner oder Kinder nicht automatisch gesetzliche Vertreter. Auch diese müssen für den Fall der Fälle benannt werden. Besteht keine Vorsorgevollmacht, wird durch das zuständige Gericht kostenpflichtig ein (möglicherweise fremder) Betreuer bestellt.

Worüber entscheidet ein Bevollmächtigter?

Ein durch eine Vorsorgevollmacht Bevollmächtigter entscheidet in den Bereichen, für die Sie sich entschieden haben. Das reicht von gesundheitlichen Fragestellungen bis hin zu finanziellen Angelegenheiten.

Wer erstellt eine Vorsorgevollmacht?

Grundsätzlich kann eine Vorsorgevollmacht selbst erstellt werden. Aber es empfiehlt sich, dafür auf den Rat von entsprechenden Dienstleistern oder Rechtsanwälten bzw. Notaren zurückzugreifen. Wer das nicht möchte, sollte unbedingt das offizielle Formular des Bundesjustizministeriums nutzen.

Sie finden es auf der Website des Ministeriums www.bmjv.de mit dem Suchbegriff „Formular Vorsorgevollmacht“. Wichtig: Banken verlangen in der Regel zusätzliche eigene Konto- und Depotvollmachten! Auskunft hierüber geben die jeweiligen Institute.


mE-TIPP:

Damit eine Vorsorgevollmacht zu jeder Zeit verfügbar ist, bietet es sich an, die Tatsache der Vorsorgebevollmächtigung und den Namen der bevollmächtigten Person(en) beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer zu registrieren. Hinweise und Antragsformulare für die Registrierung finden Sie unter: www.vorsorgeregister.de

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