Sell in May and go away – trotz Coronakrise?

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Am Freitag beginnt der in vielen Jahren “kritische” Börsenmonat Mai. Die alte Börsenweisheit “Sell in may and go away” war jedoch bereits in den letzten Jahren kein guter Ratgeber für das eigene Anlageverhalten. In diesem Jahr dürfte das einmal mehr so sein. Insofern könnte man es sich einfach machen, denn bisher war das gesamte Jahr kritisch. Ob sich die Lage im Mai drastisch ändern wird? Man darf skeptisch sein. Zwar bewegen sich Realwirtschaft und Börse noch immer weit auseinander, aber das muss nicht auf Dauer so bleiben – pardon, das wird nicht auf Dauer so bleiben! Anleger dürften also mit Sell in May nicht verkehrt liegen.

Traurige Konjunkturprognosen

Der Blick auf das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer, den ifo Geschäftsklimaindex, verdeutlicht: Die Stimmung unter den deutschen Unternehmen ist katastrophal. Im April ist der ifo Geschäftsklimaindex auf 74,3 Punkte abgestürzt, nach 85,9 Punkten (saisonbereinigt korrigiert) im März. Dies ist der niedrigste jemals gemessene Wert. Einen stärkeren Rückgang hat es noch nicht gegeben. Das ist vor allem auf die massive Verschlechterung der aktuellen Lage zurückzuführen. Die Unternehmen blickten noch nie so pessimistisch auf die kommenden Monate. Die Coronakrise trifft die deutsche Wirtschaft mit voller Wucht.

Erholung wird dauern

Die schlechte Stimmung laut ifo-Index ist eine Seite. Die Wirklichkeit ist noch brutaler: Laut ifo-Umfragen ist die Wirtschaftsleistung in Deutschland während der Corona-Schließungen um 16 Prozent eingebrochen. In die Schätzung flossen Angaben von etwa 8800 Unternehmen aus nahezu allen Branchen zur Kapazitätsauslastung im Januar und April sowie die tatsächliche und erwartete Veränderung der Umsätze im ersten und zweiten Vierteljahr ein.

Timo Wollmershäuser, Leiter der ifo-Konjunkturprognosen, erwartet dass das Bruttoinlandsprodukt bereits im ersten Vierteljahr um 1,9 Prozent gesunken ist und dann im zweiten um 12,2 Prozent einbrechen wird. „Insgesamt dürfte die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um kalenderbereinigt 6,6 Prozent schrumpfen; berücksichtigt man die vergleichsweise vielen Arbeitstage, verringert sich der Rückgang auf 6,2 Prozent.“ Wollmershäuser ergänzt: „Zurück zum Zustand vor Corona sind wir erst Ende 2021. Dann werden wieder so viele Waren und Dienstleistungen produziert wie in einer Situation ohne Coronakrise. Das Bruttoinlandsprodukt muss dafür im Jahre 2021 um 8,5 Prozent zunehmen.“

Chance für etwas Neues

Um angesichts der Daten nicht in eine Depression zu verfallen, sollte man sich auch einmal die positiven Aspekte der Krise vor Augen führen. Am Dienstag fand die erste deutsche Online-Hauptversammlung statt. Bayer-Chef Werner Baumann wandte sich per Online-Übertragung an die Aktionäre, die ursprünglich an diesem Tag in Bonn zusammentreffen sollten: „Einerseits sind wir damit digitaler Pionier – andererseits fehlt uns der direkte Austausch mit Ihnen.“ Trotz zugeschalteter mehr als 5.000 Aktionäre dürfte die Online-HV nicht sofort die analoge Variante ablösen.

Doch die Krise erlaubt es neue Modelle zu testen, die vielleicht für die Aktionärsdemokratie in der Zukunft noch weitaus bedeutsamer werden könnten. Schließlich erlaubt diese Art von Versammlung schnellere und günstigere Entscheidungen seitens einer Hauptversammlung. Feinheiten, wie das Rederecht, müssen noch angepasst werden. Aber so wie die Krise das Arbeiten im Home Office voranbringt, schafft sie auch die IT in die Aktionärsdemokratie zu etablieren.

Echte Nachhaltigkeit

Immer mehr Unternehmen (Lufthansa, VW, usw.) verlangen nach Staatshilfen. Das wäre eigentlich der ideale Zeitpunkt, um einen Staatsfonds aufzulegen, der in dieser Krise mit Eigenkapital hilft. Angelehnt an das Erfolgsmodell des norwegischen Staatsfonds könnte dann mit Ende der Krise das Portfolio entsprechend breit aufgestellt werden. Zudem hätte die deutsche und europäische Wirtschaft mit einem solchen Konstrukt, anfänglich durch Staatsschulden bzw. EZB-Gelder finanziert, Industriepolitik mit im Vorfeld klar definierten Zielen zu machen.

Der Ausverkauf mancher Mittelständler (mitsamt Technologietransfer) etwa nach China könnte auf diese Weise verhindert werden. Wichtig wäre eine Politik-ferne Ausgestaltung einerseits und eine weitgehende Unabhängigkeit gegenüber der aktuellen Wirtschaft. Am Ende wäre hier dann sogar eine Ankopplung einer kapitalgedeckten Altersvorsorge denkbar. Das viele Riester-Geld wartet ja schließlich auch auf ordentliche Renditen…

In diesem Sinne, bleiben Sie gesund und verlieren Sie Ihren Optimismus nicht.

Ihre marktEINBLICKE-Gründer
Christoph A. Scherbaum & Marc O. Schmidt

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