Anleger unterschätzen meist ihre Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen.
Um die Rechte der Aktionäre ist es in Deutschland nicht besonders bestellt. So liest und hört man es immer wieder. Und tatsächlich entsteht der Eindruck, dass Aktionäre zwar ihr Geld geben dürfen, mitreden oder aber gar das Zepter übernehmen, das scheint ihnen – so das landläufige Vorurteil – verwehrt.
So ganz aber stimmt das nicht, auch wenn sicherlich nicht alles perfekt ist. Schaut man ins europäische Ausland und besucht man dort eine Hauptversammlung oder schaut man sich die dortigen Rechte der Aktionäre an, so wird einem aber sehr schnell klar, dass wir hier in Deutschland ein System haben, das den Aktionären und damit den Eigentümern (eigentlich) deutlich mehr Rechte einräumt, als dies anderenorts der Fall ist. Nun könnte man behaupten, dass es im Ausland eben noch schlimmer ist als hierzulande.
Und ja, da ist etwas dran. Auch wenn das ein oder andere Recht im Gesetz verankert und damit auf dem Papier steht, heißt dies noch lange nicht, dass man es auch durchsetzen kann. Dies zeigen die zahlreichen Anträge und Prozesse, die Anleger anstoßen, dann aber nur sehr schwer zu ihrem Recht gelangen.
Absurderweise ist die besonders breite Ausstattung der Aktionärsrechte hierzulande gerade mit der Grund, warum Vorstände und Aufsichtsräte auf Hauptversammlungen so zurückhaltend und oftmals leider auch inhaltsleer auftreten. So zumindest hört man es aus den Vorstandsetagen.
Aber würden wir in einer besseren Welt leben und wäre es für Aktionäre besser, wenn sie mit weniger Rechten ausgestattet wären? Hier kann man ein klares Nein als Antwort geben, wie die aktuelle Hauptversammlungssaison zeigt. Denn im Schatten der COVID-Pandemie hatte der Gesetzgeber den Unternehmen im Rahmen des Frage- und Antwortspiels nahezu vollends Freiheit gegeben. Und was haben die Unternehmen daraus gemacht? Nicht wirklich viel. Die ihnen gegebene Flexibilität und das genommene Risiko, dass die Aktionäre später vor Gericht ziehen, hat nicht dazu geführt, dass die Qualität der Antworten in der Breite besser geworden ist oder die Interaktion ausgeweitet wurde. Im Gegenteil: Einige Gesellschaften haben dann doch zu sehr die Chance gewittert, auch die Antworten kurz und knapp zu halten.
Was aber können Aktionäre machen, wenn sie merken, dass etwas schiefläuft oder wenn es an der Transparenz mangelt? Das Mittel der Wahl ist dann eine Sonderprüfung, die in den letzten Jahren eine Renaissance erfahren hat. Eine Sonderprüfung kommt dann zur Anwendung, wenn das Vertrauen der Aktionäre in den Vorstand und auch in den Aufsichtsrat verloren gegangen ist, dass diese im Sinne der Aktionäre agieren und Sachverhalte aufklären. In solchen Fällen haben die Aktionäre die Möglichkeit, das Zepter zu übernehmen, indem sie einen unabhängigen Dritten, einen Sonderprüfer, in das Unternehmen schicken, der sich einzelne Sachverhalte besonders anschaut.
Ein gutes Beispiel für einen solchen Fall ist die Volkswagen AG (WKN:Â 766403Â / ISIN: DE0007664039). Dort hatte die DSW auf der Hauptversammlung eine Sonderprüfung beantragt, um zu klären, wer was und wann beim VW-Dieselskandal wusste und welche Maßnahmen angeordnet hat. Die DSW hatte diesen Antrag auf der Hauptversammlung gestellt, obwohl ihr klar war, dass die Mehrheit der stimmberechtigten Aktionäre diesem Antrag nicht zustimmen würde. Denn die Mehrheit liegt in den Händen der Familien Porsche und Piech, die sich aber offen gegen eine Sachverhaltsaufklärung gestellt hatten.
Das Aktiengesetz gibt aber auch einer Minderheit die Möglichkeit, eine Sonderprüfung gegen einen Mehrheitsbeschluss durchzusetzen, wenn grobe Verstöße gegen das Gesetz oder gegen die Satzung zu befürchten sind. Dies haben wir im Umfeld des Dieselskandals bejaht und gerichtlich einen Sonderprüfer beantragt, der die Dinge bei Volkswagen aufklärt und seine Ergebnisse dann öffentlich macht. Nach einem langen und steinigen Weg haben wir den Prozess gegen die Volkswagen AG nun gewonnen und endlich wird – auf Initiative der Aktionäre – geklärt werden, wer konkret den Abgasskandal bei Volkswagen zu verantworten hat.
Es lohnt sich also auch als Aktionär, für Transparenz und für die Durchsetzung seiner Rechte zu kämpfen. Und das Beispiel VW zeigt anschaulich, dass die Ausgestaltung der Aktionärsrechte in Deutschland nicht so unterentwickelt ist, wie es scheint. Die nächsten Fälle liegen bereits auf dem Tisch, bei denen die Aktionäre selbst das Steuer übernehmen und selbst für Transparenz sorgen müssen.
Jetzt werden Sie sich als Leserin oder Leser fragen, was Sie beitragen können und wie Ihre Rolle dabei aussehen könnte.
Zunächst sollten Sie sich und Ihre Möglichkeiten nicht unterschätzen. Am Anfang steht immer das Stimmrecht, das Votum auf der Hauptversammlung. Mit Ihrer Stimme positionieren Sie sich und geben ein klares Votum für mehr Transparenz oder auch andere Weichenstellungen ab. Auch deshalb ist es besonders wichtig, dass Sie wissen, dass Sie als Aktionärin oder Aktionär nicht machtlos sind. Vielmehr sollten und können Sie sehr bewusst mit Ihrer Stimme und Ihrem Stimmrecht agieren und mitentscheiden.
Dabei ist es vollkommen normal, dass Ihnen aufgrund der Komplexität der Themen oder aber der oftmals wenig verständlichen Tagesordnung nicht auf Anhieb klar ist, was zu tun ist. Hierbei stehe ich Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Verfügung. Schreiben Sie mir eine Email an marc.tuengler@dsw-info.de. Ich freue mich, von Ihnen zu hören!
Marc Tüngler ist Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und ist ein profunder Kenner des deutschen Aktienmarktes. Als Redner und Aktionärsvertreter auf vielen Hauptversammlungen weiß er um die Befindlichkeiten von Vorständen und Aktionären.
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