Niedrigzinsregime fest verankert – Schuldentragfähigkeit erhöht!

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Insbesondere in Deutschland ist die Niedrigzinspolitik der westlichen Zentralbanken, allen voran der EZB, wenig beliebt. Das wundert nicht ansatzweise, da der deutsche Durchschnittsbürger auf das Sparen fokussiert ist. Dabei ist gerade dieses Anlegerverhalten bezüglich der deutschen Historie seit Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 irritierend.

Für die Gesellschaften unverzichtbare Unternehmen, beispielsweise Siemens, gegründet 1871, überlebten Weltkriege, Hyperinflation und Geldsystemzusammenbrüche. Geld und zinstragende Titel dagegen verfielen in diesen knapp 150 Jahren mehrmals weitgehend wertlos. Anders ausgedrückt stellt das deutsche Anlegerverhalten in hohem Maße eine Negation der eigenen Geschichte dar. Auf dieser Negation basiert die Ablehnung der aktuellen Zinspolitik der EZB.

Ist der solitäre Blick auf die Ertragskraft der Geldanlagen seitens deutscher Anleger aber nicht nur der Blick auf eine Seite der Medaille? Die drastische Herabsetzung des Preises des Produktionsfaktors Kapital liefert massive Chancen und auch Stabilität.

Die Stabilität lässt sich daraus ableiten, dass durch die Verfügung eines Niedrig-, Null- oder Negativzinsregimes die Schuldentragfähigkeit des Staates, der Unternehmen und der privaten Haushalte massiv verbessert wird. Anders lässt sich auch nicht erklären, dass der JPY in Krisensituationen in den letzten Jahren als Fluchtwährung gesucht war. Japan ist mit Staatsschulden in Höhe von circa 240% der Wirtschaftsleistung belastet und lebt seit vielen Jahren, länger als der Rest des Westens, mit einem Niedrig- oder Nullzinssystem.

Die Chancen liegen in der Kreditaufnahme für maßgeblich investive Zwecke. Gerade in Deutschland und Europa hat sich wegen der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in den letzten 10 Jahren ein Mangel an Investitionen ergeben. Der IWF kritisierte diesbezüglich Deutschland vollkommen zurecht. Wer heute nicht investiert, verliert die Zukunft für kommende Generationen.

Vor diesem Hintergrund ist die Covid-19 Krise eine Chance. Die von den Regierungen über „Lockdown“ verfügte globale Rezession, hat zu historisch einmaligen Konstellationen geführt.

Die Zentralbanken dieser Welt, allen voran die Federal Reserve, haben aggressive Zinssenkungen verfügt, die dazu führten und führen, dass das globale Geldmarktzinsniveau auf ein niedrigeres Niveau als 2008/2010 gesunken ist. Dazu kommen quantitative Maßnahmen, die dafür sorgen, dass auch das Kapitalmarktzinsniveau drastisch gefallen ist und sich global betrachtet gleichfalls auf historischen Tiefstständen befindet.

Nie zuvor konnten Investitionen kostengünstiger geschultert werden. Weitere Standbeine der Politik auf die Herausforderung der Corona-Krise liegen in Stabilisierungs- und Konjunkturprogrammen, die historisch betrachtet einmalig sind. Dazu gehören das 130 Mrd. Euro Programm der Bundesregierung ebenso wie das seitens der EU geplante Programm in einem Volumen von 750 Mrd. Euro. Die homogene Antwort aller Regierungen der von der Corona-Krise betroffenen Länder liefert das größte Wirtschaftsprogramm in der Historie, das maßgeblich Traktion ab 2021 erfahren wird.

Das damit einhergehende höhere Bruttoschuldenniveau der öffentlichen Hände macht eine Niedrig- Null- oder Negativzinspolitik der tragenden Zentralbanken dieser Welt nicht nur auf kurze Sicht erforderlich. Dieses Zinsregime ist losgelöst von Inflationskapriolen fest verankert.

Das Geld- und Kapitalmarktzinsniveau stellt den Diskontierungsfaktor für alle anderen Anlageklassen dar. Reale Werte, ob Aktien, Immobilien und Edelmetalle erfahren durch diese fest verankerte Politik in den tragenden Zentralbanken dieser Welt Unterstützung oder Aufwertungspotential.

Der deutsche Durchschnittsbürger ist gut beraten, die Chancen dieser Politik zu erkennen. Der Vergangenheit in Bitterkeit nachzutrauern, ist keine Option, die eine bessere Zukunft verspricht, ganz im Gegenteil.


Ein Beitrag von Folker Hellmeyer

Er hat am Finanzmarkt ursprünglich als Devisenhändler begonnen. Für Deutsche Bank und Helaba war er in Hamburg, London und Frankfurt tätig. Von 2002 bis 2017 war Hellmeyer Chefanalyst der Bremer Landesbank. Heute ist er als Chefanalyst der Fondsboutique Solvecon Invest.
www.solvecon-invest.de

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