Aktienmärkte und Realwirtschaft – eine aufgelöste Beziehung?

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Das erste Halbjahr 2020 brachte einige historisch beispiellose Entwicklungen mit sich, deren Folgen noch lange nachwirken werden. Die globale Virus-Pandemie und die weltweiten shutdown-Regelungen zur Eindämmung einer weiteren Verbreitung der Infektion führten innerhalb kürzester Zeit zu einem massiven Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität. Das Ergebnis ist eine erstmals bewusst herbeigeführte globale Rezession, von der nahezu alle Staaten weltweit erfasst werden.

Aktuell stellt sich die Frage, ob die Wirtschaft genauso zielgerichtet und schnell wieder hochgefahren werden kann. Dabei zeichnet sich immer deutlicher ab, dass zumindest nicht alle Unternehmen und volkswirtschaftlichen Segmente nahtlos zu den Vorkrisenniveaus zurückkehren können.

Vor allem der private Konsum wird sich angesichts teilweise massiv steigender Arbeitslosenquoten noch länger verhalten entwickeln. Akute Einkommensverluste und gestiegene Sicherheitsbedürfnisse werden sich in Form einer erhöhten Vorsichtskassenhaltung bemerkbar machen und die Nachfrage nach größeren Anschaffungen schwächen. Begrenzte Kapazitäten, etwa in Restaurants oder bei Reisen und Veranstaltungen hingegen dämpfen den sogenannten „sozialen Konsum“.

Eine ausgeprägte Konsumschwäche würde in der Folge auch die Dynamik anderer Bereiche, etwa der Industrie, zumindest teilweise einschränken. Daher ist eine V-förmige Erholung der Realwirtschaft derzeit nicht mehr realistisch, zumal altbekannte Belastungsfaktoren wie Handelskonflikte oder der nahende Brexit zuletzt ebenfalls wieder aufblitzten.

Das V-Szenario scheint aber an den internationalen Aktienmärkten eingepreist zu werden. So folgte dem rekordschnellen Kurseinbruch beim deutschen Leitindex DAX um über 40 Prozent zwischen Mitte Februar und Mitte März eine ebenso unerwartet deutliche Aufholbewegung und ein Kursplus um mehr als 50 Prozent bis Anfang Juni. Eine zunehmende Loslösung der Kapitalmärkte von der Realwirtschaft, wie schon am Jahresanfang zu beobachten, wurde immer offensichtlicher.

So wurde der Rekordstand des DAX im Februar bei knapp 13.800 Punkten von einer deutlich nachlassenden konjunkturellen Dynamik begleitet. Sicher, die enorme globale Liquiditätsflut und das sich angesichts explodierender Staatsschulden noch jahrelang manifestierte Niedrigzinsniveau unterstützt die Nachfrage nach realen Werten, wie Aktien, Immobilien oder Gold strukturell. Trotzdem ist Vorsicht angebracht. Die Gefahr größerer Korrekturen hat zuletzt deutlich zugenommen.

Ein Kommentar von Carsten Mumm
Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

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