Globale Konjunkturerholung – Corona-Fakten inkongruent mit politischer Verbalakrobatik

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Viele Politiker, Finanzmedien und Wirtschaftsauguren wurden von der nach April einsetzenden Konjunkturerholung auf globaler Ebene überrascht. Die Notwendigkeit, die negativen Extremprognosen positiv anzupassen, bestimmt derzeit das Bild.

Ein entscheidender Hintergrund für die Erholung manifestiert sich darin, dass diese Rezession nicht Ausdruck eines endogenen Ermüdungszustands der Weltwirtschaft war, sondern dass diese Rezession weltweit politisch verordnet wurde und auf dem exogenen und temporären Faktor COVID-19 basiert. Ein zweites Standbein der Erholung sind die Wirtschaftsprogramme der Regierungen. Diese geschnürten Hilfspakete, die dazu dienen die Tragsäulen der nationalen Wirtschaftsräume durch diese temporäre konjunkturelle Durststrecke zu alimentieren, verhindern die normalen Kollateralschäden einer Rezession am Kapitalstock, die hinsichtlich verfügbarer historischer Evidenz das Anspringen der Konjunktur im dann folgenden Aufschwung verzögern können.

Diese Konjunkturerholung läuft in der Weltwirtschaft jedoch nicht homogen ab. Das hat einerseits mit dem Grad der Betroffenheit durch COVID-19 in den nationalen Wirtschaftsräumen zu tun und ist andererseits abhängig von der nationalen Politik der Lockdowns bezüglich Intensität und Dauer.

In den Sektoren, die vom Lockdown befreit wurden, kam es zu V-förmigen Erholungsmustern. Diese Tatsache belegt die zuvor thematisierten Zusammenhänge.

In Asien ist die Konjunkturerholung am weitesten fortgeschritten, allen voran in China. Kontinentaleuropa schlägt sich im internationalen Vergleich gut. Aber auch schwer betroffene Wirtschaftsräume, beispielsweise die USA, setzten und setzen häufig unerwartet positive Akzente. Erkennbar ist an den Daten, dass der Aufholungsprozess nach einem starken Beginn an Dynamik verliert. Das ist nur logisch. So abrupt der Konjunktureinbruch war, so heftig war die Erholung in den Wirtschaftssektoren, die vom Lockdown befreit wurden. Im Blick nach vorn kommt es jetzt darauf an, ob weitere Wirtschaftsbremsen durch die Politik gelöst werden.

Diesbezüglich muss sich der Blick auf die Corona- Fakten beispielsweise Deutschlands fokussieren. Die Grundlage für den Lockdown und den stärksten Eingriff in die Verfassung lag darin, eine Überlastung des deutschen Gesundheitswesens zu verhindern. Das war und ist längst gewährleistet. Zu den Fakten:

  • Per 31. August lag die Inanspruchnahme der Intensivbetten durch COVID-19 Patienten bei 247 von insgesamt 30.509 Betten. Zu diesem Zeitpunkt waren 21.057 Intensivbetten belegt.
  • Laut Euromomo gibt es in Deutschland nicht ansatzweise eine Übersterblichkeit. Ganz Im Gegenteil bewegen wir uns am Rand einer Untersterblichkeit.
  • Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO löst sich der Zusammenhang zwischen steigender Anzahl der positiv getesteten Personen und Sterblichkeit an COVID-19 dynamisch auf.
  • Die Symptomatik bei positiv getesteten Personen ist weit überwiegend unkritisch.
  • Die medizinische Forschung kommt ob Behandlungsmethoden und Impfstoffen zügig voran.

Die politische Verbalakrobatik seitens der Politik weist jedoch in eine vollständig andere Richtung. Die Themen „2. Welle“ oder erneuter „Lockdown“ stehen im Raum. Kanzlerin Merkel warnte vor schweren Monaten in ihrer Presskonferenz Ende August 2020, auch Herr Söder gefällt sich in einer mahnenden Rolle.

Die Faktenlage ist inkongruent mit der politischen Verbalakrobatik. Da es auch nicht nur um Wirtschaft, sondern um massive Einschränkungen der Verfassung geht, muss Sachlichkeit dominieren. Mehr noch geht es auch um Generationengerechtigkeit, denn die aktuelle Politik bedingt massiven Defizitaufbau im öffentlichen Haushalt. Diese Haushaltsdefizite müssen voraussichtlich von der kommenden Generation getragen werden. Augenmaß und Güterabwägung sind von der Politik in professioneller Manier gefragt. Die Bürger sind gleichzeitig gefordert, verantwortungsvoll miteinander im Umgang zu agieren.

Anders ausgedrückt ist die Lage hinsichtlich der verfügbaren Fakten sehr viel entspannter, als man sich das vor zwei bis drei Monaten noch vorstellte. Dem sollte durch sukzessive weitere Lockerungen Rechnung getragen werden, denn dann führt die Erholung der Wirtschaft zu einer stabileren öffentlichen Haushaltslage, zu einer gesünderen Psychologie in der Bevölkerung und zu keinen weiteren Verletzungen der verfassungsmäßigen Rechte. Auch um die Finanzmärkte müsste sich im Fall fortgesetzter Lockerungen keine Sorgen gemacht werden, denn das Zinsniveau bleibt ganz weit unten. Nichts anderes wurde uns seitens der US-Notenbank offen mitgeteilt.


Ein Beitrag von Folker Hellmeyer

Er hat am Finanzmarkt ursprünglich als Devisenhändler begonnen. Für Deutsche Bank und Helaba war er in Hamburg, London und Frankfurt tätig. Von 2002 bis 2017 war Hellmeyer Chefanalyst der Bremer Landesbank. Heute ist er als Chefanalyst der Fondsboutique Solvecon Invest.
www.solvecon-invest.de

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