Worauf kommt es jetzt an?

(Bildquelle: Heiko Thieme)

Die Corona-Pandemie hat die Welt gespalten. Während die Realwirtschaft in vielen Bereichen weiterhin unter Druck steht und eine Entlassungswelle auslöst, erlebt die digitale Welt einen atemberaubenden Aufschwung. Diese Strukturveränderung ist nicht temporär, sondern permanent. Ein Zurück auf die Normalität vor der Coronakrise wird es nicht geben! Wer diesen Trend ignoriert, wird verlieren.

Im vierten Quartal wird sich zeigen, wie robust oder schwach die derzeitige Wirtschaftserholung ist. Wer die Corona Pandemie außer Acht lässt oder weg wünscht, macht die Rechnung ohne den Wirt. Es mag zwar einen Impfstoff noch vor Jahresende geben – dies wäre optimistisch, jedoch ist eine flächendeckende Impfung vor Mitte nächsten Jahres kaum realistisch. Die wirtschaftliche Belastung aufgrund der Pandemie wird auch noch in zwei Jahren in der Realwirtschaft zu spüren sein!

Im Juni riet ich auf meiner täglichen Marktprognose zur Gewinnmitnahme an den Börsen, als der Anstieg nach dem Crash am Ende des ersten Quartals über 50 Prozent betrug. Mitte September steht der Weltindex auf dem gleichen Niveau wie am 5. Juni, wobei es zwischenzeitliche Schwankungen von knapp fünf Prozent gab. Der Dow Jones und DAX verloren nach meiner Verkaufsempfehlung Im Juni innerhalb von knapp drei Wochen fast 10 Prozent. Die anschließende Erholung war jedoch stärker als von mir antizipiert.

Der August entwickelte sich als Ausnahme-Monat. Normalerweise kommt es hier bis Ende September zu einem Verkaufsdruck, Das Gegenteil war jedoch diesmal der Fall. Beim DAX war es der beste August seit seiner ersten Notierung vor 32 Jahren! Der Dow Jones produzierte mit +7,5 Prozent eines der besten August Resultate in 70 Jahren. Noch eindrucksvoller war das Ergebnis mit einem Anstieg von 11 Prozent beim NASDAQ 100 Index, der stark von Technologiewerten geprägt ist. Die Bewertungsbasis liegt jedoch bei allen Indizes weit über dem historischen Durchschnitt. Der Grund für das Kaufinteresse ist die fast unbegrenzte Liquidität, die Zentralbanken unter der Führung der US-Notenbank seit der Corona Pandemie der Wirtschaft und damit auch indirekt der Börse zur Verfügung stellen. Das Zinsniveau liegt praktisch bei Null und in Ausnahmefällen, wie Deutschland, sogar im Minusbereich. Der Aktienmarkt wird damit alternativlos. Immobilien, abgesehen vom Eigenheim Bedarf, sind eher uninteressant.

Anfang September kamen die „Lieblinge“ (FANG etc.) im Technologiesektor nach einer totalen Überbewertung unter massiven Verkaufsdruck und verloren in wenigen Tagen zwischen 10 bis 20 Prozent. Besonders hart wurde der Elektroauto Hersteller Tesla betroffen. Nach einem kometenhaften Anstieg von fast 500 Prozent (!) seit Jahresbeginn verlor die Aktie innerhalb einer Woche ein Drittel ihres Wertes, was einem Crash gleichkommt! Die Flucht ins Gold ist nur beschränkt gerechtfertigt, da es keine akute Inflationsgefahr gibt. Wer in Edelmetalle investieren will, sollte dies über Aktien – Minenwerte – tun.

Der Ölpreis hat sich von seinem Rekordtiefstand im April wieder deutlich erholt. Da es momentan jedoch einen Überschuss an Öl gibt, ist mit einem nachhaltigen Ausbruch aus der Preisspanne von 30 bis 50 US-Dollar für Texas Oil (WTI) vor 2022 nicht zu rechnen. Die OPEC, die heute 70 Jahre alt ist, und Russland müssen über Produktionskürzungen nicht nur nachdenken sondern auch vornehmen! Auf zwei bis drei Jahressicht sind Ölwerte jedoch interessant, da die stark gefallenen Börsenkurse die augenblickliche Marktschwäche bereits größtenteils reflektieren.

Die Präsidentschaftswahlen und Kongresswahlen am 3. November in den USA sind das wichtigste politische Ereignis im vierten Quartal. Ein Führungswechsel im Weißen Haus wäre zwar wünschenswert und logisch, aber ist psychologisch schwer einzuordnen. Wie ist ein Präsident in der freien Welt wieder wählbar, wenn er nachweislich über 20.000 (!) Mal in vier Jahren Fehldarstellungen bzw. Lügen verbreitete? Wo bleibt da die Moral? Außerdem hat er in der Corona Problematik total versagt! Seine Anhänger sehen dies jedoch ganz anders.

Kommt es in den nächsten Monaten zu einer zweiten Corona Welle, so können weder Wirtschaft noch Börsen dies ignorieren. Eine Korrektur von 10 Prozent bis 15 Prozent sollte daher nicht überraschen. Werte, die bereits deutlich – 20 bis 30 Prozent – unter ihrem Jahreshoch liegen und auf Sicht fundamental gut dastehen, sind jetzt schon auf meiner Liste. Trotz aller Nuancen bleibt meine Schlussfolgerung in diesem Jahr: Bitte weiterhin anschnallen!

Ein Beitrag von Heiko Thieme
Er ist über 45 Jahre im internationalen Anlagegeschäft tätig und schrieb 16 Jahre als freier Kolumnist für die FAZ. Seit dem Jahr 1979 gibt es seine Marktanalysen und Einschätzungen sowie die älteste deutsche Börsenhotline.
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