Das kleine Einmaleins des Rohstoffhandels

Bildquelle: Pressefoto Goldcorp.

Ob Getreide, Oliven, Vieh oder Metall – seit Menschengedenken wird mit Rohstoffen gehandelt. Bereits 4.000 Jahre vor Christus gab es in Jordanien eine Massenproduktionsstätte von Kupfer. Das Römische Reich gilt mit einer jährlichen Produktion von 15.000 Tonnen Kupfer als größter vor-industrieller Rohstoffhändler. Bis heute hat dieser Markt nichts an Faszination verloren.

Keine Angst, wir beginnen diese Geschichte nicht zu Zeiten der Römer, sondern gleich im Hier und Jetzt: Der Rohölpreis-Crash im April 2020 hat den Rohstoffbereich wieder einmal in den Fokus gerückt und gezeigt, wie stark Rohstoffe mit der Wirtschaft verzahnt sind – und dass wir alle von den Entwicklungen an den Rohstoffbörsen betroffen sind.

Mit Kaffee wird schon seit Jahrhunderten gehandelt. (Bildquelle: markteinblicke.de)

Die wichtigsten Motive für den Rohstoffhandel

Die wichtigsten Motive, die den Rohstoffhandel auch für Privatanleger interessant machen, sind Inflationsschutz, Spekulation und Diversifikation. Rohstoffe wie zum Beispiel Gold und Silber stellen im Gegensatz zu Währungen, Geldmarktprodukten oder Anleihen Sachwerte dar und können damit einen gewissen Schutz gegen eine Geldentwertung durch Inflation bieten.

Auf der anderen Seite können Rohstoffe aber auch selbst Auslöser für einen Anstieg der Verbraucherpreise sein. Das trifft vor allem auf Erdöl und andere Energierohstoffe zu, deren Preisanstiege zu höheren Benzin- und Stromrechnungen führen.

Auf diese Preisveränderungen kann jeder Anleger spekulieren. Die Angebotspalette an Finanzprodukten ist dabei in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter gestiegen, sodass für Anleger fast sämtliche gängigen Rohstoffe investierbar sind. Gewinne lassen sich dabei sowohl mit steigenden Rohstoffkursen als auch mit fallenden Rohstoffnotierungen erzielen.

Diversifikation macht den Rohstoffsektor interessant

Auch die Diversifikation macht den Rohstoffsektor für immer mehr Anleger interessant. Da die Rohstoffmärkte anderen Marktzyklen als beispielsweise Aktien und Anleihen unterliegen, bewegen sich ihre Kurse weitgehend unabhängig von denen der anderen etablierten Anlageklassen.

Im Wertpapierdepot können Rohstoff-Investments aus diesem Grund zur Stabilisierung beitragen, weil sie Wertverluste anderer Investments ausgleichen oder wenigstens teilweise kompensieren können. Wer sich an den Rohstoffmärkten engagieren möchte, sollte sich zunächst mit den Eigenheiten dieser Märkte vertraut machen. Dazu gehört unter anderem die US-Dollar-Bindung.

Rohstoffmärkte sind US-Dollar-Märkte (Bildquelle: Pixabay / NikolayFrolochkin)

Rohstoffmärkte sind US-Dollar-Märkte

Da fast alle Rohstoffe in US-Dollar abgewickelt werden, werden auch in den Medien die Kurse für Rohöl, Gold und andere Commodities fast immer in der US-Währung angegeben. Daher sollten deutsche Anleger, die über eine deutsche Börse rohstoffbezogene Wertpapiere, die in Euro gehandelt werden, kaufen, stets die Wechselkursentwicklung des Euro gegenüber dem US-Dollar verfolgen, da der in US-Dollar ermittelte Rohstoffpreis in Euro umgerechnet werden muss.

Durch die Devisenkurse kommt so eine zusätzliche Komponente ins Spiel, welche die Rendite sowohl positiv als auch negativ beeinflussen kann. Deshalb sollten sich Anleger über die möglichen Auswirkungen von Änderungen der Wechselkurse schon vor dem Kauf eines in Euro notierten Rohstoff-Wertpapiers ein Bild machen. Anleger müssen somit im Rohstoffbereich immer auch eine Einschätzung zu den entsprechenden Entwicklungen am Devisenmarkt treffen können.

Spot-Märkte und Futures

Der Rohstoffhandel basiert ursprünglich auf dem Ziel, dass Landwirte ihre bevorstehende Ernte im Voraus auf Termin verkaufen wollten, um sich gegen Preisschwankungen abzusichern und so Planungssicherheit zu erhalten.

Die Termin-Käufer wiederum bekamen durch die vorzeitige Einigung Sicherheit bezüglich des zu zahlenden Kaufpreises und in Bezug auf die Lieferung der Ware, Lieferengpässe wurden somit vermieden. Auf dem gleichen Prinzip bauen die modernen Futures-Märkte auf, an denen der Handel nun computergestützt und größtenteils standardisiert abläuft. Es werden also keine individuellen Liefermengen mehr ausgehandelt, sondern es gibt allgemein akzeptierte Maßeinheiten und Qualitätsstandards.

Neben diesem Termin- oder Futures-Handel gibt es bei einigen Waren auch einen sogenannten Spot-Markt. Hier werden die entsprechenden Güter nicht zu einem (weit) in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, sondern unmittelbar innerhalb weniger Tage geliefert – vergleichbar mit den Aktienmärkten, bei denen Aktien sofort vom Verkäufer auf den Käufer übertragen werden. Im Bereich der Rohstoffe betrifft das insbesondere den Rohölhandel, bei dem sowohl die unmittelbare sofortige Lieferung (Spot-Markt) als auch die Lieferung auf Termin vereinbart werden kann.

Öl wird weltweit in großen Tanks gelagert (Bildquelle: markteinblicke.de)

Fokus auf den Terminbörsen

Für Anleger, die bei Rohstoffen nur auf die Kursveränderungen setzen wollen und die kein Interesse daran haben, die erworbenen Güter tatsächlich geliefert zu bekommen, sind die maßgeblichen Handelsplätze der meisten Rohstoffe – mit Ausnahme von Edelmetallen wie Gold, Silber und Platin – deshalb die Terminbörsen, an denen nur die Anrechte zum Kauf oder Verkauf bestimmter Waren gehandelt werden.

Auch für Zertifikate und andere Rohstoff-Wertpapiere sind die Terminbörsen entscheidend, deren Preise sich an den dort gehandelten Futures orientieren. Futures sind standardisierte Verträge, die regeln, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Menge und in welcher Qualität ein entsprechender Rohstoff geliefert werden soll.

Das Roll-Over

Wer nur von den Kursentwicklungen eines Rohstoffs profitieren will, aber kein Interesse an der tatsächlichen Lieferung hat, könnte den entsprechenden Terminkontrakt auswählen und ihn kurz vor dessen Fälligkeit wieder verkaufen. Wer aber über einen längeren und unbestimmten Zeitraum in einen Rohstoff investieren will, müsste den durch den Verkauf des Terminkontrakts erzielten Erlös unmittelbar in einen später fällig werdenden Kontrakt umschichten und diese Vorgehensweise in regelmäßigen (meist monatlichen) Abständen wiederholen.

Dieses Procedere wird als „Roll-Over“ beziehungsweise „Rollen“ bezeichnet und hat den Zweck, dauerhaft an der Kursentwicklung eines Rohstoffs zu partizipieren ohne den Rohstoff geliefert zu bekommen. Durch das Rollen wird der Rohstoffhandel Spekulanten und Privatanlegern erst möglich.

Contango und Backwardation

Jeder Future-Kontrakt auf ein und denselben Rohstoff hat aber seinen eigenen Kurs. Deshalb wird der nächstfällige Future, in den gewechselt werden soll, in der Regel einen anderen Preis als der in Kürze auslaufende Kontrakt haben.

Dementsprechend fällt der Verkaufserlös des alten Futures meist niedriger oder höher aus als der Betrag, der zum Erwerb des neuen Futures benötigt wird. Diese beiden Preiskonstellationen werden als „Contango“ und „Backwardation“ bezeichnet.

Jeder Future-Kontrakt auf ein und denselben Rohstoff hat aber seinen eigenen Kurs. (Bildquelle: Pixabay / 3844328)

Als Normalzustand vieler Rohstoffkontrakte gilt das Contango. Hierbei ist der länger laufende Future-Kontrakt teurer als der mit einer kürzeren Laufzeit. Als „normal“ kann dies deshalb bewertet werden, da die Rohstoffe bei einem späteren Liefertermin entsprechend länger gelagert werden müssen. Die höheren Kosten werden dem Produzenten oder dem Lieferanten vergütet.

Der Terminmarkt für Gold

Ein klassisches Beispiel für einen Contango-Markt ist in der Regel der Terminmarkt für Gold. Je weiter die Futures-Kontrakte in der Zukunft liegen, desto höher fallen die Kosten für die sichere Einlagerung in den Tresoren aus und dementsprechend höher ist auch der Kontraktpreis. Das bedeutet, aus dem Contango resultiert eine steigende Terminmarktkurve.

Von Backwardation wird dagegen gesprochen, wenn der Kurs für den länger laufenden Future-Kontrakt geringer ausfällt als für den kürzer laufenden Kontrakt. Grafisch entspricht dies einer fallenden Terminmarktkurve. Die Erklärung hierfür ist, dass die Mehrheit der Marktteilnehmer damit rechnet, dass der Preis des Rohstoffs bis zur Fälligkeit des länger laufenden Futures im Kurs sinken wird.

Ein Grund hierfür kann sein, dass die Förderung eines bestimmten Rohstoffs ausgebaut wird, die Angebotsmenge also steigt. Möglich ist auch eine aktuelle Angebotsverknappung, die den Preis der kürzer laufenden Futures-Kontrakte in die Höhe treibt, sich aber bereits eine in Kürze bevorstehende Erhöhung des Angebots abzeichnet. Daraus resultieren dann ebenfalls wieder deutlich günstigere Preise für die später fälligen Futures.

CME: Die Rohstoffwelt schaut nach Chicago

Während die Deutsche Börse im Bereich der Aktienmärkte durchaus eine global bedeutende Rolle innehat, ist die Bedeutung Deutschlands im Rohstoffsektor eher gering. Hier dominieren ganz klar die USA, denn insbesondere in den Vereinigten Staaten entwickelten sich die modernen Rohstoffmärkte, wie wir sie heute kennen. So wurde der Handel mit landwirtschaftlichen Produkten in den USA bereits im 19. Jahrhundert standardisiert.

In Chicago ist die global führende Rohstoffbörse Chicago Mercantile Exchange (CME) ansässig. (Bildquelle: Pixabay / 12019)

Hier wurde der erste Future-Kontrakt über 3.000 Scheffel Mais schon 1851 in Chicago abgeschlossen und damit in der Stadt, die für den weltweiten Rohstoffhandel von herausragender Bedeutung ist und in der die global führende Rohstoffbörse Chicago Mercantile Exchange (CME) – die größte Plattform für den Waren- und Future-Handel – ansässig ist.

LME: London ist Europas Rohstoff-Handelsplatz

Ein weiterer großer Player bei den Rohstoffbörsen ist die London Metal Exchange (LME), deren Wurzeln bis zur Royal Exchange im Jahr 1571 zurückreichen. In den Anfangsjahren beschränkte sich der Handel in London auf Kupfer, später kamen dann alle anderen wichtigen Industriemetalle hinzu. Heute gilt die LME gemessen am Handelsvolumen als eine der wichtigsten Börsen für unedle Metalle.

Anleger, die Einblick in das Stimmungsbild professioneller Rohstoffhändler haben wollen, sollten sich regelmäßig einmal genauer den sogenannten „Commitment of Traders Report“ (COT-Report) ansehen. Hierbei handelt es sich um einen regelmäßig veröffentlichten Bericht der Commodity Futures Trading Commission (CFTC), die als Regulierungsstelle der US-Rohstoffbörsen dient.

Basis für Profis: Die COT-Daten

Der COT-Report enthält Angaben über die Handelspositionen der anzeigepflichtigen Marktteilnehmer in Form einer Auflistung des Open Interest, also der offenen Rohstoffkontrakte. Eine weit verbreitete Strategie zur Nutzung des COT-Reports beruht auf der Annahme, dass die Commercials wegen ihres originären Geschäfts über die besten Marktinformationen verfügen und dass sie selbst den eigentlichen Markt darstellen.

Aus diesem Grund dürften sie in der Regel besser positioniert sein als die anderen Marktteilnehmer. Dementsprechend kann eine aussichtsreiche Rohstoffhandelsstrategie darin bestehen, sich in dieselbe Marktrichtung zu positionieren wie die Commercials.

Kupfer spielt in vielen Industriebereichen eine große Rolle (Bildquelle: Pixabay / disign)

Die Kehrseite der (Rohstoff-)Medaille

Bei allem Anlagechancen, die sich einem am Rohstoffmarkt bieten, ist dieser seit mehr als einem Jahrzehnt auch der Kritik ausgesetzt. Die Kritik lässt sich im alten bekannten Satz zusammenfassen:

Mit Essen spielt man nicht. Im Mittelpunkt der Kritik steht oftmals die Frage ob und wenn ja wie beeinflussen die Nahrungsmittelspekulationen auf dem Terminmarkt die Preise auf dem Kassamarkt. Dies ist ernst zu nehmen, denn tatsächlich hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten der Anteil von Finanzinvestoren an Rohstoffterminbörsen erheblich zugenommen.

Die Sache mit den umstrittenen Geschäften…

Auch wenn es seitens der Wissenschaft kein eindeutiges Ergebnis gibt, ist nicht zu verhehlen, dass Finanzinvestoren Rohstoffe als alternative Kapitalanlageklasse betrachten, seit die Notenbanken ihre expansive Geldpolitik betreiben. Die Politik hat schon vor Jahren versucht zu reagieren, und Maßnahmen zur stärkeren Regulierung von Rohstoffterminbörsen eingeleitet. Entsprechend sind schon vor Jahren viele deutsche große Banken aus den umstrittenen Geschäften ausgestiegen.

Nichtsdestotrotz sind die 50 ärmsten Entwicklungsländer (die sogenannten Least Developed Countries) alle Nettoimporteure von Nahrungsmitteln und haben darüber hinaus in der Regel chronische Leistungsbilanzdefizite. Das heißt hohe Rohstoffpreise – vereinfacht zusammengefasst – haben verheerende Folgen für die Bevölkerung dieser Länder. Sie mussten in der Vergangenheit schon bis zu 80 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben oder sie waren gar unbezahlbar.

Fazit

Rohstoffe bilden die Basis des weltweiten Wohlstands und haben zudem eine hohe politische Relevanz. Es ist zugleich gerade im Bereich der Soft-Commodities ein schwieriges Anlage-Thema, Stichwort ethisches Handeln und Geldanlage. Denn Sie eröffnen für Anleger teilweise große Renditechancen – wenn man die Eigenheiten dieser Märkte verstanden hat.

Anleger haben hier mit einer immer größer werdenden Produktpalette die Möglichkeit, sowohl auf steigende als auch auf fallende Rohstoffpreise zu setzen – jedoch sollte man nicht nur als langfristig orientierter Anleger ein bisschen das „große“ Ganze hinter den Commodities bedenken.

Bildquelle: Pixabay / AhmadArdity