Ausblick 2021: Zuversicht erlaubt, Euphorie unangebracht!

Bildquelle: Solvecon Invest

Gesellschaft, Wirtschaft und Politik stehen im vierten Quartal 2020 vor beachtlichen Herausforderungen. Im Zentrum steht weiterhin die Corona-Krise. Dabei ergibt sich global betrachtet ein heterogenes Bild.

Fernost, allen voran China, hat die Corona-Lage im Griff. Der Westen ist dagegen von der zweiten Welle der Corona-Pandemie betroffen. Sowohl in Europa als auch in den USA nahm die Zahl der positiv getesteten Personen jüngst auf nicht gekannte Höhen zu. Auch die Inanspruchnahme der Intensivstationen der Krankenhäuser durch Covid-19 Fälle liegt auf den höchsten Niveaus seit Ausbruch der Krise (z.B. USA und Deutschland). Die Antworten der Politik auf die Corona-Lage unterscheiden sich zwischen den USA und Europa. Während die USA von Lockdowns weitgehend Abstand nehmen, ist Europa mit einem „Lockdown light“ bis „Lockdown medium“ konfrontiert. Aus diesen Konstellationen ergeben sich für die jeweiligen Ökonomien unterschiedliche Performance-Potenziale. Asien läuft. China liefert Spitzendaten. Die USA kommen in Fahrt. Europa nimmt die im Sommer aufgenommene Fahrt zumindest im Dienstleistungssektor merklich zurück.

Das Thema voraussichtlich erfolgreicher Impfstoffe belebt aktuell die Debatten und setzt hinsichtlich der Erwartungshaltung für das kommende Jahr für Gesellschaft und Wirtschaft positive Akzente. Das gilt bezüglich des Westens insbesondere für den Impfstoff, der von BionTech und Pfizer entwickelt wird. Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse mit einem Wirkungsgrad von 90% ermutigen Gleiches darf über den russischen Impfstoff Sputnik V gesagt werden, dessen Wirkungsgrad bei 92% liegen soll. Mit diesen Impfstoffen ist keine kurzfristige Lösung des Corona-Problems gegeben. Sehr wohl hat sich jedoch das Chancenprofil für 2021 merklich zum Positiven verschoben. Sofern die jetzt im Raum stehenden Ergebnisse Bestätigung fänden, wäre das Thema Lockdown sowohl theoretisch als auch praktisch spätestens im 2. Halbjahr 2021 vom Tisch.

Damit ergäbe sich perspektivisch ein fulminantes Erholungspotenzial in allen Wirtschaftsräumen, denn es gäbe eine Rückkehr zu dem natürlichen Wachstumspfad der Weltwirtschaft (BIP-Wachstum 2,8% – 3,0% global). Darüber hinaus würden Nachholeffekte aus dem Jahr 2020/Frühjahr 2021 zusätzliche positive Impulse setzen. Ergänzend würden im 2. Halbjahr 2021 und die fortlaufenden Jahre die weltweit verfügten Konjunkturprogramme, die allesamt eine klimafreundliche Textur haben, Wirkung entfalten. Laut IWF haben diese Programme ein Volumen auf globaler Ebene von mindestens 12% der globalen Wirtschaftsleistung des Jahres 2019. Ergo ist die Wahrscheinlichkeit ausgeprägt, dass die Weltwirtschaft ab Mitte 2021 in Richtung des oberen Rands des Potenzialwachstum mäandern wird.

Eine weitere Herausforderung stellte im vierten Quartal 2020 die US-Präsidentschaftswahl dar. Das jetzt zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen verfügbare Ergebnis legt nahe, dass Joe Biden mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% der 46. Präsident der USA werden wird. Gleichwohl bleibt das Risiko, dass die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen, die es gab, als Wahlmanipulation rechtlich klassifiziert werden und sich daraus neue Konstellationen zu Gunsten Trumps entwickeln könnten.

Eine Wendung zu Gunsten Bidens wäre aus Sicht der Weltökonomie positiv, denn damit wäre der disruptive Stil Trumps und der aggressive Angriff auf das Organigramm, das die Weltwirtschaft trägt, Geschichte. Diese Politik Trumps hat in den letzten Jahren markante Bremseffekte der Weltwirtschaft zur Folge gehabt und insbesondere den Investitionsgüterzyklus stark belastet, der für unsere deutsche Wirtschaft mit dem Maschinen- und Anlagebausektor von profunder Bedeutung ist.

Bei allem Leid, das durch die Lockdowns menschlich und wirtschaftlich auf uns lastet, ist Zuversicht hinsichtlich der jüngsten Entwicklungen für Gesellschaft und Wirtschaft erlaubt. Grundlagen für Euphorie sind weiter vollständig fehl am Platz.


Ein Beitrag von Folker Hellmeyer

Er hat am Finanzmarkt ursprünglich als Devisenhändler begonnen. Für Deutsche Bank und Helaba war er in Hamburg, London und Frankfurt tätig. Von 2002 bis 2017 war Hellmeyer Chefanalyst der Bremer Landesbank. Heute ist er als Chefanalyst der Fondsboutique Solvecon Invest.
www.solvecon-invest.de

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