DAX Charttechnik: Die Insel der (Glück)seligkeit

„Das Leben besteht zu 95 Prozent aus Gewohnheit und zu 5 Prozent aus Überraschungen“ heißt es im Volksmund. An der Börse lief es in dieser Woche ähnlich, schließlich war die altbekannte Jahresendrallye wieder in aller Munde. Kein Wunder, denn der DAX stand ja auch kurz davor die hartnäckige 7400er-Barriere aus dem Weg zu räumen. Kurz sah es sogar danach aus, als könnte die Obama-Power den DAX auf neue Höhen katapultieren. Doch: Pustekuchen. Die Euphorie verpuffte in Windeseile und der DAX liquidierte binnen weniger Handelsstunden die kompletten Gewinne der vergangenen Tage. Doch kam diese Abwärtsbewegung wirklich aus dem Nichts?

Am Mittwoch nach der Wahl schrieben wir im Trading-Service DAX-Daytrading: „Die Euphorie ist dabei nur bedingt nachvollziehbar, denn Obama muss weiter mit einem gespaltenen Kongress regieren. Diese Situation ist vor allem mit Blick auf den 31. Dezember interessant. Das Stichwort lautet „fiscal cliff“, eine Art Notfallprogramm auf das sich Demokraten und Republikaner bei ihren gescheiterten Haushaltsverhandlungen im Sommer 2011 geeinigt hatten. Das Programm sieht automatische Einsparungen in Milliardenhöhe vor, die automatisch in Kraft treten, sofern es vorher keine Einigung zwischen den beiden Parteien gibt.“ Und weiter hieß es: „Der DAX dürfte sich heute an die September-Abwärtstrendgerade bei 7.430 Punkten heranschieben. Dort ergibt sich bei der horizontalen Volumenverteilung eine scharfe Abbruchkante – also ein doppelter Widerstand. Es kann aber auch bis zur oberen Tagesbegrenzung im Bereich von 7.450 Zählern raufgehen. Politische Börsen haben ihre ganz eigenen Gesetze. So wurden bspw. gestern die schwachen Einkaufsmanagerindizes komplett ausgeblendet.“

Der Markt hatte aber nicht nur die schwachen Einkaufsmanagerindizes ausgeblendet, sondern auch dem Auftragsrückgang in der Industriebranche von 3,3 Prozent keine Beachtung geschenkt. Bis … ja bis EZB-Chef Mario Draghi die Anleger daran erinnerte. Zuerst nur mit den normalen bekannten Worthülsen: „Ich glaube, dass Europa auf dem richtigen Weg ist, aber es liegt noch viel Arbeit vor uns“ (Hand aufs Herz, solche Sätze nimmt doch kein Börsianer nach gefühlten tausend Krisengipfeln mehr wahr). Aber dann kam der Paukenschlag, der die Abwärtsbewegung ins Rollen brachte. Denn laut dem obersten europäischen Währungshüter deuten die neusten Konjunkturdaten (Sie erinnern sich, die liefen schon am Dienstag über den Ticker) darauf hin, „dass die Ausläufer der Krise nun auch die deutsche Wirtschaft erreichen“. Ist es jetzt vorbei mit der Insel der Glückseligkeit? Kommt nach der Party jetzt die „dicke“ Rechnung? Und sind wir Deutschen möglicherweise am Ende doch die Dummen?

Wir wollen den Teufel (noch) nicht an die Wand malen. Aber so einfach wegdiskutieren lassen sich die jüngsten Abschläge auch nicht. Dennoch sollte man nun vorsichtig mit des Deutschen liebster Gewohnheit, der Schwarzmalerei, sein. Bullen und Bären werden sich auf absehbare Zeit wohl vorerst gegenseitig neutralisieren. Wir rechnen daher weiter mit einer ausgeprägten Seitwärtsphase.

Für´s Trading sind das nicht die schlechtesten Rahmenbedingungen. Das heißt aber auch: „Short“ ist für uns im DAX-Daytrading unterhalb von 7.200 Punkten kein Thema. Sie wissen ja, dass wir gerne antizyklisch handeln. Mögliche Long-Chancen sehen wir daher bei 7.090, 7.045, 6.995/7.000 und vor allem bei 6.930 Punkten (ideal). Für alle Levels gilt es, den Stop-Loss möglichst schnell auf Break-Even zu ziehen. Dann muss man sehen was passiert.

Sebastian Hoffmann ist Trading-Analyst bei Prime Quants. Dort ist er vor allem für die Intraday-Analysen, die Handelssysteme und die Trading-Services verantwortlich.