Es gibt wenige Daten, die man sich merkt. Eines davon ist sicherlich 09/11, ein anderes ist (für uns Journalisten) der 11.03.2011 gewesen. Wir hatten den 0600 Uhr-Frühdienst gehabt und wie immer lief ein deutsch- und eine englischsprachiger Nachrichtensender auf den Fernsehern. Als die erste Breaking-News kam, war es circa 07.30 Uhr. Die Luftaufnahmen waren gespenstisch, Wolfgang Emmerich hätte es in einem Katastrophenfilm kaum realistischer drehen können. Was war passiert?
Am 11. März 2011 erschütterte eines der stärksten jemals gemessenen Erdbeben (9,0 auf der Richter-Skala) die Küste Japans, knapp 400 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Tokio. Dieses löste einen Tsunami mit gewaltigen Wellen aus, die einer Geschwindigkeit von 800 km/h ins Land rasten.
Schlimmste Atomkatastrophe seit Tschernobyl
Betroffen war auch das Kernkraftwerk Fukushima. Dort kollabierten mehrere Kühlsysteme durch das Erdbeben und den Tsunami und eine große Mengen radioaktiver Stoffe wurden freigesetzt, hervorgerufen durch eine Unfallserie in den Reaktorblöcken 1 bis 4.
Es kam zur Kernschmelze, mehrere Wasserstoffexplosionen schleuderten die Radioaktivität in die Luft über Japan – es war der Super-GAU und die schlimmste Atomkatastrophe seit Tschernobyl im Jahr 1986.
Die Folgen war in allen Bereichen drastisch. Fukushima hat vor allem die komplette Energie-Politik vieler wirtschaftlich führender Länder geprägt und verändert. Ganz vorne mit dabei: Deutschland.
Deutschland zog in der Folge den Atomstecker
Nichts einmal vier Wochen nach dem Super-GAU von Fukushima verkündete die damalige Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel die deutsche Energiewende. Die unmissverständliche Nachricht war:
Bis zum Jahr 2022 soll(t)en alle deutschen Kernkraftwerke stillgelegt sein. Atomkraft ade – und vor dem Hintergrund, dass hierzulande 17 Reaktoren in Betrieb waren und jeder einzelne von diesen aufgrund des damals gerade geänderten Atomgesetz, das den Meilern noch viele Jahre die Produktion von Atomstrom zugestand.
Doch Deutschland zog den Stecker – und das wiederum hat am Ende den Steuerzahler mehr als 2,3 Milliarden Euro an Ausgleichszahlungen an die Betreiber von Kernkraftwerken gekostet. Letztere wurden erst in der vergangenen Woche beschlossen, nachdem bereits das Bundesverfassungsgericht schon 2016 Entschädigungen dafür angemahnt hatte.
RWE und Eon (zunächst) am Limit
Heute sind 10 Jahre vergangen, Deutschland hat das Thema Atomkraft weitgehend abgehakt – andere Länder nicht. In Deutschland sind heute nur noch sechs Kernkraftwerke am Laufen, die weniger als 15 Prozent des Stroms hierzulande produzieren und nur noch bis Ende des nächsten Jahres laufen sollen. Es war im Jahr 2011 eine Zäsur.
Deutschland hat quasi von einem auf den anderen Tag nicht nur den Atomstrom-Stecker gezogen, sondern gleichzeitig auch seine bis dahin solide aufgestellten Energiekonzerne nebst Aktionäre vor vollendete Tatsachen gestellt.
Atomkraftwerke wurden zum Milliardengrab
Die Daseinsberechtigung von DAX-Konzernen wie Eon (WKN: ENAG99 / ISIN: DE000ENAG999) und RWE (WKN: 703712 / ISIN: DE0007037129) war eigentlich dahin – deren Atomkraftwerke mehr oder weniger zu Mega-Watt-Schrottbauten mutiert. Zur Verteidigung der deutschen Regierung muss gesagt werden – Länder wie die Schweiz oder Italien folgten.
Bei den Eidgenossen wird seitdem kein neues Atomkraftwerk gebaut und Italien entschied sich per Volksentscheid dagegen. Dennoch laufen heute in mehr als 30 Ländern über 400 Kernreaktoren. Die Zahl wird auch nicht geringer werden. Polen beispielsweise will mehrere Reaktoren an der Ostsee bauen – keine 300 Kilometer von der Grenze zu Deutschland entfernt…
Versorger-Aktien waren bis dato solide
Die Reaktion der deutschen Regierung auf Fukushima war richtig – ob sie aber mit einer solchen Brachialgewalt (überstürzt) kommen musste – darüber haben viele Energieexperten nicht wenig gestritten .
Bis dahin galten auch Versorger-Aktien als eine solide Geldanlage für private Investoren, denn Energie wird immer gebraucht und solche Aktien galten als konservativ. Nach Fukushima war diese Anlagephilosophie passe. Eon und RWE haben ihren Aktionären schwere Zeiten gebracht. Der Blick auf beide Charts der vergangenen zehn Jahre zeigt es auf:
RWE-Aktie mit Verdreifachungspotenzial
Die Nuklearkatastrophe von Fukushima sorgte ab Mitte März 2011 für eine Beschleunigung des 2008 gestarteten RWE-Sinkflugs, was sich in einem heftigen 2011er-Jahresverlust von 46 Prozent niederschlug. Das bedeutete das größte Jahres-Minus in der bisherigen Kurshistorie von RWE.
Trotz zwischenzeitlicher Kurserholungen setzte sich die Abwärtsbewegung in den folgenden Jahren weiter fort und ließ die Aktie bis zum Jahr 2015 auf ein Tief bei 9,12 Euro einbrechen. Damit hatte die RWE-Aktie seit dem Rekordhoch aus dem Jahr 2008 bei 100,25 Euro 91 Prozent ihres Wertes eingebüßt.
Von diesem Kursboden aus startete für RWE ein neuer Bullenmarkt, im Zuge dessen sich die Aktie bis Anfang März 2021 zeitweise zurück in den Bereich der 32-Euro-Marke nach oben arbeitete. Hier gilt es als Nächstes, über das jüngste Neunjahreshoch vom Januar dieses Jahres bei 38,65 Euro auszubrechen, um ein weiteres Kaufsignal zu generieren.
RWE-Aktie: Das sind die nächsten Kursziele
Die nächsten Kursziele stellen sich danach auf das 2010er-Jahreshoch bei rund 69 Euro und auf das Allzeithoch aus 2008 bei 100,25 Euro, womit sich bei der RWE-Aktie langfristig betrachtet ein Verdreifachungspotenzial eröffnet.
Eon-Aktie: Es ging massiv bergab
Auch die Aktie von Eon verzeichnete an der Börse einen jahrelang andauernden steilen Sinkflug. Ausgehend vom Rekordhoch aus dem Jahr 2008 bei rund 51 Euro brachen die Notierungen bis Ende 2010 auf 23 Euro ein.
Der Fukushima-Gau sorgte im Jahr 2011 (Jahresverlust: 28 Prozent) für weiteren massiven Verkaufsdruck auf die Aktie, der auch in den folgenden Jahren nicht nachließ. So setzte der Kurs bis 2016 auf sechs Euro und damit auf den tiefsten Stand seit 1992 zurück. Die Kursverluste seit dem 2008er-Allzeithoch summierten sich damit auf erschreckende 88 Prozent.
Trendpfeile für die Eon-Aktie zeigen seitwärts
Es folgten bis Ende 2017 eine Aufholbewegung bis knapp unter die Elf-Euro-Marke und ein anschließender Seitwärtslauf, der bis heute anhält (aktuell: 8,64 Euro). Auf der Oberseite könnte die Konsolidierung der vergangenen drei Jahre beendet werden, wenn der Sprung über das Februar-2020-Jahreshoch bei 11,56 Euro gelingt.
Das nächste Etappenziel wäre dann das 2014er-Top bei 15,46 Euro. Sollte die Eon-Aktie dagegen unter das März-2020-Tief bei 7,60 Euro fallen, würde sich weiteres Abwärtspotenzial bis zum 2016er-Tief bei sechs Euro eröffnen. Solange es hier also keine neuen Kauf- oder Verkaufssignale gibt, zeigen die Trendpfeile für die Eon-Aktie vorerst weiterhin seitwärts.
Fazit: RWE hat sich neu aufgestellt und…
Deutschland ist ein reiches Land, nur so ist es zu erklären, dass es auf Strom aus eigenen Kernkraftwerken gänzlich verzichten möchte, dafür aber (Atom-)Strom von Nachbarländern einkauft.
Einer der großen Gründe, warum viele Länder auf Strom aus Kernenergie nicht verzichten wollen, liegt zynischerweise in den Klimazielen. Denn Atomstrom ist schlicht CO2-frei und für viele Länder ein Weg, um diverse Ziele der EU und des Pariser Klimabnkommens überhaupt irgendwie erfüllen zu können.
Ein RWE-Konzern, der von vielen schon nach Fukushima mehr oder weniger abgeschrieben war, hat sich in den vergangenen zehn Jahren neu aufgestellt und fundamental gewandelt und ist heute ein führender Anbieter von erneuerbaren Energien weltweit. Mit Windparks, Solarkraft und Batteriespeichern in vielen Ländern. Schon heute ist der größte Teil des Kerngeschäfts grüner Strom.
In diesem Sinne,
weiterhin viel Erfolg bei der Geldanlage und beim alltäglichen Lebensgenuß
Ihre marktEINBLICKE-Gründer
Christoph A. Scherbaum & Marc O. Schmidt
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