Schlussgong: High Noon in Griechenland – Test am Anleihenmarkt bestanden

An den Aktienmärkten war heute wenig los. Die meisten Indizes notieren auf Vortagesniveau. Dabei war die Tendenz selbst auf Länderebene nicht einheitlich: Der DAX verlor knapp 0,40%, der MDAX gewann dagegen 0,40%. Unter dem Strich scheinbar ein ruhiger Börsentag.

Ein Eigenleben führt seit einiger Zeit die Börse Wien. Der österreichische Leitindex ATX verlor heute schon wieder fast 2% und notiert nur noch bei 2.400 Punkten. Kurzfristig ist die Stimmung an der österreichischen Börse im Keller, mittelfristig dürften Einstiegskurse unter 2.500 jedoch sehr attraktiv sein. Gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis und Kurs-Buchwert-Verhältnis notiert der ATX deutlich unter DAX und EuroStoxx.

Um 12 Uhr mittags wurde abgerechnet

Abgesehen vom Kurseinbruch in Österreich war der Börsentag relativ langweilig. Es hätte aber auch ein dramatischer Tag mit riesigen Kursausschlägen werden können. Der amerikanische Kultwestern „High Noon“ (12 Uhr mittags) erlebte nämlich in Griechenland seine Fortsetzung.

Heute starrten aber nicht der verzweifelte Marshal Will Kane (Gary Cooper in seiner besten Filmrolle) und seine frisch angetraute Ehefrau Amy (Grace Kelly großartig wie immer) auf die Minuten- und Stundenzeiger, dafür aber weltweit die Investoren, Politiker und Notenbanker. Um genau 12 Uhr mittags schlossen die Banken die Bücher für die neue Staatsanleihe aus Griechenland. 5 Mrd. Euro wollte der griechische Staat einsammeln.

Die Anleihe musste ein Erfolg werden

Das bemerkenswerte Ergebnis: Griechenland wollte 5 Mrd. Euro einsammeln, die Nachfrage nach der neuen Staatsanleihe lag aber sogar bei gut 16 Mrd. Euro. Die Anleihe war mehrfach überzeichnet und ein echter Verkaufsschlager.

Eines ist aber klar: Wäre die Platzierung geplatzt, hätte das ein gewaltiges Erdbeben an der Börse ausgelöst. Der Euro wäre am Devisenmarkt eingebrochen, die Aktienmärkte hätten schwer gelitten und auch der Markt für risikobehaftete Anleihen wäre unter die Räder geraten.

Das diese Risiken bekannt waren, können Sie davon ausgehen, dass der Deal schon vorher abgesichert war. Ich bin überzeugt, dass Griechenland schon vorher Zusagen über mindestens 5 Mrd. Euro hatte. Nach der Erfahrung mit der Lehman-Pleite werden keine Crash-Experimente mehr gewagt.

Die Nachfrage lag bei 16 Mrd. Euro

Da auch das den Marktteilnehmern klar war, wäre es eine Enttäuschung gewesen, wenn die Nachfrage nur bei 6 oder 7 Mrd. Euro gelegen hätte. Solche Zahlen hätten signalisiert, dass die Nachfrage am freien Markt gering war.

Das Nachfragevolumen von 16 Mrd. Euro deutet dagegen darauf hin, dass auch die „echte“ Nachfrage (also bereinigt um die Nachfrage von Notenbanken, IWF und anderen politisch beeinflussten Institutionen) sehr rege war.

Gnädige Rating-Agentur sorgte für Rückenwind

Bereits vor der Platzierung der Anleihe wurde alles getan, um Investoren anzulocken. So ist es kein Zufall, dass die griechische Regierung wenige Tage vorher das neue Sparprogramm verkündet hat. Und wie der Zufall es will, hat die einzige Rating-Agentur, die Griechenland noch eine A-Note gibt, dieses gute Rating genau jetzt bestätigt. Begründung: Das Sparprogramm sei glaubwürdig.

Diese Begründung ist aus meiner Sicht absurd und wurde politisch beeinflusst. Welche Rating-Agentur lässt sich in diesen Tagen von warmen Worten beeinflussen, wenn die Taten noch fehlen? Griechenland braucht ein A-Rating, um weiterhin Zugang zum Kapitalmarkt zu erhalten und genau dieses „Wunsch-Rating“ hat Griechenland auch erhalten. Im Gegenzug für diese kleine Gefälligkeit darf die Rating-Agentur Moody’s wahrscheinlich einige Alt-Sünden aus der Boomphase bis 2007 in den Akten verstecken und kann bei den Untersuchungen mit Gnade rechnen.

Griechenland lockt Investoren mit über 6% Rendite

Es wurden also alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit die Griechenland-Anleihe am Markt platziert werden kann. Natürlich musste aber auch Griechenland bluten: Bis zur Fälligkeit im Jahr 2020 muss Griechenland 6,37% Zinsen pro Jahr zahlen. Gegenüber deutschen Staatsanleihen ist das ein Rendite-Aufschlag von rund 100%.

Diese sehr hohe Rendite hat Wirkung gezeigt. Wie mehrfach hier im Schlussgong geschrieben: Für Versicherungen und Pensionsfonds herrscht eine Art Anlagenotstand. Diese Großinvestoren brauchen mindestens 4 bis 5% Rendite pro Jahr. Mit Staatsanleihen, die ein AAA-Rating besitzen, sind aber nur gut 3% Rendite möglich.

Anlagenotstand treibt Versicherungen in riskante Staatsanleihen

Da die US-Notenbank bereits angekündigt hat, dass die Leitzinsen noch sehr lange niedrig bleiben, werden die renditesuchenden Investoren in spekulativere Anlagen getrieben. Ich bin sicher: Die Versicherungen haben sich heute wieder mit Griechenland-Anleihen eingedeckt. Die gut 6% Rendite sind zu verlockend.

Der heutige Tag hat gezeigt: Der Markt funktioniert noch. Wenn die Rendite-Aussicht groß genug ist, gibt es auch Käufer. Eine griechische Staatsanleihe mit einer Laufzeit von 10 Jahren ist mit Risiken verbunden, wenn aber dieses Risiko mit einem Rendite-Aufschlag von 100% im Vergleich zu deutschen Staatsanleihen belohnt wird, finden sich ausreichend Käufer.

Die nächsten Anleihen warten schon

Die Investoren, die heute bei der Zuteilung nicht berücksichtigt wurden, müssen auch nicht lange auf die nächste Chance warten. Griechenland will im laufenden Jahr knapp 55 Mrd. Euro am Anleihenmarkt einsammeln. Für Nachschub am Markt ist also gesorgt.