Brauche ich ein wirklich Testament?

Die gesetzliche Erbfolge - eine launische Geliebte

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Zunächst soll ein Problembewusstsein dafür geschaffen werden, dass eine Nachlassabwicklung ohne Testament in der weit überwiegenden Zahl der Fälle nicht so verläuft, wie vom Erblasser angenommen. In denjenigen Fällen, in denen Vermögenswerte hinterlassen werden, für die es sich zu streiten lohnt, sollte den nachfolgend aufgezeigten Problemen mit einem auf die individuellen Gegebenheiten angepassten Testament entgegengewirkt werden.

Die Antwort auf die eingangs aufgeworfene Frage kann somit vorweggenommen werden: Ja, jeder, der seinen Nachlass bestmöglich erhalten sowie seiner Familie unnötige Kosten und einen zumeist langjährigen Rechtsstreit ersparen möchte, benötigt eine testamentarische Regelung.

Warum ein Testament ratsam ist

Kommt es zu einem Erbfall nach deutschem Recht, greift immer dann, wenn kein Testament und kein Erbvertrag errichtet wurde, die gesetzliche Erbfolge. Die gesetzliche Erbfolge ist jedoch keineswegs vorhersehbar und führt insoweit regelmäßig zu ungeahnten Ergebnissen.

Daneben entsteht aufgrund der gesetzlichen Erbfolge zumeist eine Erbengemeinschaft, deren Auseinandersetzung häufig nicht reibungslos verläuft.

Diese beiden Aspekte (keine Vorhersehbarkeit der Erben bei gesetzlicher Erbfolge; Entstehung einer Erbengemeinschaft) zu beleuchten und zu verstehen, ist notwendig, wenn man die Erforderlichkeit eines Testamentes erkennen möchte.

Die Lotterie bei der gesetzlichen Erbfolge

Betrachten wir zunächst den erstgenannten Aspekt: die Unvorhersehbarkeit der gesetzlichen Erbfolge.

Zunächst muss festgehalten werden, dass den wenigsten Personen die gesetzliche Erbfolge im Detail bekannt ist. Insbesondere die Tatsache, dass Geschwister oder Eltern beziehungsweise Schwiegereltern schnell zu Miterben werden können, wird häufig übersehen.

Wenn wir von einer Lotterie sprechen, meinen wir jedoch primär diejenigen Fälle, in denen mehrere Familienmitglieder gleichzeitig oder kurz hintereinander versterben.

Die gesetzliche Erbfolge gleicht (leider) oftmals einer Lotterie.(Bildquelle: pixabay / Matveybortsov)

Für den Fall, dass nur ein Familienmitglied verstirbt, lassen sich nach der Abfrage weniger Punkte schnell und eindeutig die gesetzlichen Erben und deren jeweilige Erbquoten (Erbanteile) ermitteln.

Sind jedoch im Todeszeitpunkt schon weitere Familienmitglieder vorverstorben oder sterben mehrere Familienmitglieder zeitgleich beziehungsweise in kurzer Folge, so verändern sich die tatsächlichen Gegebenheiten massiv, was teils sehr überraschende Ergebnisse im Hinblick auf die gesetzliche Erbfolge bedeuten kann.

Klare Regelung der Erbfolge vermeidet Überraschungen

Wenn wir mit unseren Mandanten erörtern, dass eines der vordringlichsten Probleme der gesetzlichen Erbfolge darin liegt, dass die eindeutige Bestimmung der Erben zu Lebzeiten nicht möglich ist, da man heute – im Hier und Jetzt – nicht sagen kann, wer von der Familie im Todeszeitpunkt des Erblassers noch am Leben sein wird, wird dies häufig mit einem Schmunzeln quittiert.

„Man könne ja dann, wenn andere Familienmitglieder vorversterben sollten, immer noch ein Testament errichten“ ist hier ein häufig vernommener Einwand. Dies mag in vielen Fällen zutreffend sein, die Beraterpraxis zeigt jedoch, dass die Zahl der Fälle, in welchen mehrere Familienmitglieder – beispielsweise durch einen Verkehrsunfall – gleichzeitig versterben, häufiger sind, als vermutet wird.

Überraschungen beim Testament sind selten erwünscht. (Bildquelle: unsplash /
Melinda Gimpel)

Zudem zeigen die Erfahrungswerte auch, dass gerade in diesen Fällen, aufgrund der dann stark veränderten gesetzlichen Erbfolge, am Ende häufig Personen zu Erben werden, die aus Sicht des Erblassers niemals zu Erben hätten werden sollen.

Bereits dieses Risiko nicht durch ein Testament auszuschließen, entspricht der Logik, einen hochgradig werthaltigen Gegenstand deshalb nicht zu versichern, weil der Eintritt des Schadensfalles im Hinblick auf gerade diesen Einzelgegenstand unwahrscheinlich erscheint.

Die erste Erkenntnis ist somit, dass aufgrund der gesetzlichen Erbfolge stets entfernteste Verwandte und schlussendlich auch der Staat zu Erben werden können. Bereits dies sollte durch ein Testament ausgeschlossen werden.

Entstehung und Zusammensetzung der Erbengemeinschaft

Betrachten wir nun auch den eingangs zweitgenannten Aspekt: die Erbengemeinschaft an sich und ihre Bedeutung.

Eine Erbengemeinschaft entsteht immer dann, wenn mehrere Personen die Erben des/der Verstorbenen sind. Bei der klassischen Familie (Ehefrau, Ehemann und zwei Kinder), besteht die Erbengemeinschaft bei Anwendung der gesetzlichen Erbfolge (kein Testament errichtet) somit in der Regel aus dem längerlebenden Ehegatten und den Kindern.

Bereits dies ist konfliktträchtig. Ist auch nur eines der Kinder noch minderjährig, so kommt eine weitere Problematik bei der Erbauseinandersetzung hinzu, da diese Kinder in der Erbengemeinschaft nicht mehr durch ihre Eltern (und Miterben) vertreten werden können.

Selbst bei dem denkbar einfachsten Fall einer Erbengemeinschaft können unvorhergesehene Probleme auftreten. (Bildquelle: pixabay / chillla70)

Noch komplexer und konfliktträchtiger wird es dann, wenn beispielsweise Kinder aus mehreren Ehen vorhanden sind. Für den Fall, dass keine Kinder vorhanden sind, entsteht eine nochmals konfliktträchtigere Situation, denn hier entsteht zumeist eine Erbengemeinschaft bestehend aus dem Ehepartner und den Eltern bzw. den Geschwistern des Erblassers. Gerade dies ist jedoch zumeist weder gewollt noch einfach abzuwickeln.

Unabhängig von der jeweils im Einzelfall zu ermittelnden Zusammensetzung der Erbengemeinschaft kann hier bereits konstatiert werden, dass ohne eine testamentarische Regelung nahezu immer eine Erbengemeinschaft aus mehreren Personen entsteht.

Dies erscheint den meisten Menschen zu Lebzeiten unproblematisch, „da es sich doch zumeist um Mitglieder der eigenen Familie handelt.“ Warum ist die Entstehung einer Erbengemeinschaft dennoch ein nicht zu unterschätzender Stolperstein?

Eine Erbengemeinschaft ist zumeist Streitgemeinschaft

Unabhängig davon, aus welchen und aus wie vielen Personen sich eine Erbengemeinschaft zusammensetzt, handelt es sich bei dieser immer um eine Gesamtheit von Personen (Erbengemeinschaft), die den Nachlass des Erblassers zwingend gemeinsam verwalten muss. „Gemeinsam“ bedeutet hier, dass beinahe jede Entscheidung hinsichtlich des Nachlasses von allen Erben mitgetragen werden muss. Eine Abstimmung nach Mehrheitsgesichtspunkten findet nicht statt!

Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass keiner der Erben über seinen Erbteil (z.B. seine 50 Prozent am gesamten Erbe) frei entscheiden kann, sondern dass alle Entscheidungen von den Erben gemeinsam und stets einstimmig getroffen werden müssen. Dies gilt auch für Nachlassposten, die mit einfachsten Maßnahmen zu teilen wären (z.B. Nachlasskonten).

Einer kann in der Erbengemeinschaft alles blockieren

Ein Einzelner kann den kompletten Nachlass blockieren. (Bildquelle: pixabay / _Alicja_)

Solange der Nachlass also nicht unter den Erben aufgeteilt wurde, kann somit kein Erbe alleine über die Verwendung oder Verwertung des Nachlasses (oder seines Anteiles am Nachlass) entscheiden. Die Aufteilung eines Nachlasses mag bei einem reinen Geldnachlass noch unproblematisch sein, da sich Geldmittel leicht unter den Erben aufteilen lassen und da Geldbestände auch nicht bewertet werden müssen.

Hinsichtlich aller faktisch unteilbaren Nachlassposten (Immobilien, Depots, Unternehmensbeteiligungen, Fahrzeuge, Kunstgegenstände, Ansprüche gegen Dritte, Hausratsgegenstände, etc.) muss jedoch eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erfolgen, bevor der jeweilige Erbe über seinen Anteil am Erbe frei verfügen kann.

Es genügt somit in jeder Erbengemeinschaft ein einziger Miterbe, der vor, während oder nach dem Erbfall in einen Disput mit den Miterben gerät. Dieser eine Miterbe ist sodann in der Lage den Zugriff aller Miterben auf den Nachlass zu blockieren.

Hinzu kommt, dass ein Todesfall in der Familie für alle Beteiligten stets eine Extremsituation bedeutet. Insoweit verwundert es auch nicht, dass gerade in dieser Situation vermehrt Streitigkeiten entstehen, mit denen der Erblasser zuvor nicht gerechnet hatte.

Die amüsant klingende Floskel von der „Erbengemeinschaft als Streitgemeinschaft“ sollte jedenfalls nicht hinsichtlich ihrer durchaus ernst gemeinten Grundaussage verkannt werden. Woraus die Streitigkeiten ganz konkret entstehen können, soll deshalb nachfolgend noch detaillierter beleuchtet werden.

Woran Erbengemeinschaften oft scheitern

Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (und damit des Nachlasses) ist gedanklich zumeist einfach, in der Praxis jedoch regelmäßig der Auslöser für jahrelange Verhandlungen oder (gerichtliche) Streitigkeiten. Um den Wert des Nachlasses bzw. der jeweiligen Nachlassobjekte bestmöglich zu erhalten, sollte die Auseinandersetzung stets schnell und schlank vonstattengehen.

Dies verlangt jedoch, dass alle Miterben übereinstimmend agieren und dieselben Ziele verfolgen beziehungsweise sich zumindest auf dasselbe Ziel einigen können. Gerade hier, bei der gemeinsamen Erarbeitung eines Verteilungsplanes, bleibt die Abwicklung der Erbengemeinschaft jedoch häufig stecken.

Oftmals gibt es auch bei der Bewertung von Nachlassgegenständen unterschiedliche Meinungen. (Bildquelle: unsplash)

Jeder Miterbe hat eine eigene Wertvorstellung bzw. Wertannahme hinsichtlich der unteilbaren Nachlassgegenstände (Bewertungsstreitigkeiten). Hinzu kommt häufig, dass beispielsweise einige Erben eine Nachlassimmobilie gerne verkaufen würden, dass einer der Erben diese Immobilie jedoch behalten möchte (Verwertungs- und Verwendungsstreitigkeiten).

In diesem Fall bleibt die Nachlassabwicklung zumeist über Jahre hinweg unmöglich, häufig findet sich auch kein Miterbe, der (zunächst auf eigenes Risiko) die Pflege und Verwaltung der streitgegenständlichen Immobilie übernimmt, was einen weiteren Wertverlust hinsichtlich der Immobilie bedeuten kann.

Die Besonderheiten beim Nachlassdepot

Bei Nachlassdepots kommt noch eine weitere Besonderheit hinzu. Depots werden hinsichtlich ihres Wertes im Todeszeitpunkt besteuert. Da sich der Wert des Depots nach dem Erbfall genauso schnell erhöhen wie auch verringern kann, ist hier ein schnelles Handeln geboten. Jeder Erbe sollte für sich entscheiden können, ob er die Aktien in dem Depot halten oder veräußern möchte.

Da jedoch auch hier bereits ein einziger Miterbe die Übertragung oder Auflösung des Depots verhindern kann, ist ein schnelles Handeln häufig nicht möglich. Schlimmstenfalls bedeutet dies, dass sich in einem Depot Aktien befinden, von welchen man weiß, dass diese aktuell verkauft werden sollten, dass man diesen Verkauf jedoch mangels Mitwirkung eines Miterben nicht zeitnah umsetzen kann.

Eine einfache Blockade durch keine Rückmeldung

Wenn sich eine Person aus der Erbengemeinschaft nicht meldet, kann es auch zu Verzögerungen kommen. (Bildquelle: unsplash / alvaroserrano)

Ein weiterer Störfaktor kann daraus resultieren, dass eine der Personen aus der Erbengemeinschaft nicht auffindbar ist oder nicht auf Anfragen der übrigen Erben reagiert. Auch hier entsteht eine Patsituation, die letztlich nur gerichtlich aufgelöst werden kann.

Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft immer zur Unzeit erfolgen muss. Ein Familienmitglied ist verstorben und die Familie (oder zumindest ein Teil der Familie) trauert.

In dieser emotional belasteten Phase müssen wirtschaftlich nicht unerheblich Entscheidungen getroffen werden. Dies häufig auch von Personen, die derartige Entscheidungen noch nie in ihrem Leben treffen mussten.

Alte Streitigkeiten könn(t)en wieder aufflammen

Hinzu kommt, dass eine solche Stimmung in der Familie der optimale Nährboden dafür zu sein scheint, um alte Rechnungen zu begleichen oder um frühere Begünstigungen von anderen ausgeglichen zu bekommen. Oft treten somit nach einem Erbfall auch Streitigkeiten zu Tage, die der Erblasser gar nicht kannte beziehungsweise gar nicht erkennen konnte, da sie nicht unmittelbar mit ihm im Zusammenhang stehen.

Durch die Verbundenheit der Erben in der Erbengemeinschaft kann nun jedoch auch der Erbe mit der niedrigsten Erbquote die gesamte Nachlassabwicklung blockieren und zugleich seien Blockadehaltung als Hebel für Verhandlungen benutzen.

Die obige Auflistung ist keinesfalls abschließend und könnte beliebig – beinahe unendlich – erweitert werden. Es genügt jedoch, wenn festgehalten und erkannt wird, dass dann, wenn nur einer von mehreren Erben die Mitwirkung verweigert, der gesamte Nachlass für die übrigen Erben blockiert ist.

Fazit: Nicht vom Regen in die Traufe geraten

Ohne eine testamentarische Regelung gilt stets die gesetzliche Erbfolge. Diese lässt sich, mangels Kenntnis vom eigenen Todeseintritt, nicht vorhersehen. Hinzu kommt, dass aufgrund der gesetzlichen Erbfolge zumeist mehrere Personen zu Erben berufen werden.

Dies bewirkt die Entstehung einer Erbengemeinschaft, welche das Erbe eigenverantwortlich und einstimmig auseinandersetzen muss. Alldem kann (und sollte) durch die Errichtung eines auf den Einzelfall angepassten Testamentes begegnet werden, in welchem beispielsweise testamentarisch eine Person als Alleinerbe und die übrigen Begünstigten als Vermächtnisnehmer eingesetzt werden.

Dies erleichtert die Abwicklung des Nachlasses ungemein. Auch das Instrument der Testamentsvollstreckung bietet sich an, um eine geregelte Abwicklung und Verwaltung des Nachlasses sicherzustellen.

 

Ein Beitrag von Martin Lindenau, RA/Mediator und Dominikus Arweiler, RA/Mediator

Die Verfasser sind Gründungspartner bei LEGAVIS Rechtsanwälte und begleiten Privatpersonen und Unternehmer im Rahmen der lebzeitigen Planung und Gestaltung des Generationenwechsels. Neben der steuerlichen Optimierung liegt der Beratungsschwerpunkt darauf, dass nach dem Erbfall eine geordnete Nachlassabwicklung erfolgen kann.
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