DAX Charttechnik: Kein Land für alte Bären

Starke Aufwärtsbewegungen bringen immer ein ganz besonderes Phänomen mit sich: Nämlich das Gefühl, man sei der einzige Depp, der ständig gegen den Trend wettet, während sich die „anderen“ spielend die Taschen vollmachen. Dem ist zum Glück aber nicht so, wie der Blick auf das Euwax-Sentiment verrät. Der Privatanlegerindex der Börse Stuttgart ist in den vergangenen Wochen deutlich in den Keller gerauscht. Heißt: Die Mehrheit der Anleger spekuliert ebenfalls gegen die Erholungsbewegung und scheint dem Ausbruch auf neue Jahreshochs nicht zu trauen – so viel zum Thema „Schwarmintelligenz“.

Unter Sentimentgesichtspunkten lässt die Konstellation nun zwei Möglichkeiten zu: 1.) Die Masse lässt sich vom „Kaufdruck“ locken und versucht auf den fahrenden Zug aufzuspringen, oder 2.) das bullishe Kartenhaus fällt schnell wieder in sich zusammen. Fakt ist: Einen Kaufrausch sehen wir nicht. Das Volumen entspricht im Monatsdurchschnitt lediglich 30 Prozent der Umsätze, die in Spitzenzeiten der 2007er-Rallye zu beobachten waren. Doch die Kurse können eben auch dann steigen, wenn nur wenige kaufen, gleichzeitig aber kaum jemand verkaufen will. Problematisch wird es nur dann, wenn die Masse sich versucht in eine Richtung durch das Nadelöhr zu quetschen.

Aber das geben die Market Mover im Augenblick schlichtweg nicht her. Sicherlich, Santa Ben (eine Wortkonstruktion der Commerzbank, Chapeau dafür) hat in dieser Woche Weihnachtsgeschenke verteilt und will ab kommendem Jahr für monatlich 45 Mrd. USD Staatsanleihen kaufen. Ziel ist es – wie immer – den Arbeitsmarkt in Schwung zu bringen. Doch mittlerweile dürften auch die größten Optimisten diese Maßnahmen auch skeptisch betrachten. Klar, die US-Arbeitsmarktdaten haben sich zuletzt positiv entwickelt. Viel anfangen lässt sich mit dem Zahlenwerk jedoch nicht, wenn einen Monat später alles wieder um 20 – 40 Prozent revidiert wird.

Zum Wochenausklang kamen dann noch Daten aus China über den Ticker, die jedoch auch keine großen Impulse mit sich brachten. Kein Wunder. Es hört sich zwar toll an, wenn die Einkaufsmanagerindizes auf den höchsten Stand seit 14 Monaten klettern, aber mal ehrlich: Das „kleine“ Plus von 0,4 Punkten ist nicht der Rede wert. Berücksichtigt man an dieser Stelle einfach mal statistische Abweichungen – die bei chinesischen Daten ja nicht so abwegig sind – dann könnte der Einkaufsmanagerindex auch bei 49,9 Punkten (negative wirtschaftliche Erwartung) statt bei 50,9 Zähler (positive Erwartung der Wirtschaftsentwicklung) stehen. Klare Tendenzen sehen jedenfalls definitiv anders aus.

Im Endeffekt kann man derzeit sagen, dass sich der Markt mit kleinen Erholungsimpulsen weiter nach oben hangelt. Das liegt auch daran, dass die Market Mover auf der Baisse-Seite kaum zu größeren Verkäufen führen. Das Schreckgespenst „Berlusconi“ war jedenfalls kein Thema mehr, nachdem sich Italien am Donnerstag zu niedrigeren Zinsen frisches Geld besorgen konnte. Und auch die spanischen Auktionen liefen glatt – hier gab es also keine neuen Hiobsbotschaften.

Bleibt noch die Fiskalklippe, vor der US-Notenbankchef in dieser Woche eindringlich gewarnt hat. In Europa scheint dieses Thema aber kaum jemanden zu interessieren. Das Motto lautet: „Die werden sich schon einigen und die Probleme auf die lange Bank schieben, wenn auch auf den letzten Drücker“. Der DAX zeigt sich dementsprechend unbeeindruckt von den kleineren Korrekturbewegungen der US-Indizes.

Und im DAX-Daytrading? Hier sind wir natürlich wieder „short“. Aufgebaut wurde die Position am Mittwoch im außerbörslichen Handel – exakt zum aktuellen Hochpunkten. Der Stop-Loss wurde mittlerweile auf den Einstandspreis gezogen und das Risiko herausgenommen. Ob es gut geht, müssen die nächsten Stunden zeigen. Vielmehr als sich in die Situation zu bringen, dass nur noch Gewinnchancen vorliegen, kann man auf der Baisse-Seite im Augenblick nicht tun.

Sebastian Hoffmann ist Trading-Analyst bei Prime Quants. Dort ist er vor allem für die Intraday-Analysen, die Handelssysteme und die Trading-Services verantwortlich.