Neo-Broker: Fluch oder Segen?

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Die Zahl der Anleger und Aktionäre in Deutschland steigt in den letzten Jahren erfreulich an. Aktuell werden es 13 oder gar 14 Mio. Bundesbürgerinnen und -bürger sein, die sich am Kapitalmarkt engagieren. Das ist jeder fünfte Bundesbürger. Eine höchst positive Entwicklung.

Ein Grund für diesen Anstieg ist sicherlich auch die Etablierung und das Angebot von sog. Neo-Brokern, die mehr oder weniger auf spielerische Art und Weise den Aktien- und Wertpapierhandel zu Minigebühren oder sogar kostenfrei möglich machen.

Doch nicht alle Marktteilnehmer sind nur begeistert und sehen gerade bei den Neo-Brokern einige Risiken verortet. Insofern macht es Sinn, einmal genauer anzuschauen, wie eigentlich Neo-Broker funktionieren, ob der Handel mit Aktien und Fonds tatsächlich „umsonst“ ist und wie sich Neo-Broker letztendlich finanzieren.

Bevor wir jedoch einsteigen und versuchen, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, sei an dieser Stelle bereits betont, dass man vielleicht kritisch auf Neo-Broker schauen mag. Den Effekt, den sie aber erzielt haben, dass sich nämlich deutlich mehr Bundesbürger und insbesondere die jüngere Generation mit dem Thema Börse und Aktien befassen, ist unabhängig von allen anderen Aspekten ausschließlich als positiv zu bewerten.

Ein Kritikpunkt, der immer wieder angeführt wird, ist die spielerische Form, mit der man über Neo-Broker Aktien und andere Wertpapiere erwerben und verkaufen kann. Dies ist sicherlich zunächst richtig und gerade auch durch die geringeren Gebühren muss man sich nicht mehr besonders viele Gedanken über die Kosten machen. Auch Orders zu kleineren Beträgen werden ohne großes Nachdenken platziert. Oftmals hört man zudem, dass Kunden von Neo-Brokern insofern nicht als Anleger, sondern eher als Trader zu qualifizieren sind und eine langfristige Anlagestrategie keine Basis der Entscheidungen ist. Vielmehr erfolge der Handel impulsgetrieben.

Das kann man gut, kann man aber auch schlecht finden. Vor allen Dingen sollte man aber den Anlegern hier selbst die Entscheidung überlassen, ob sie kurz-, lang- oder mittelfristig anlegen wollen. Natürlich kann oder sollte Börse und sollte das Anlegen dem langfristigen Vermögensaufbau dienen. Die Frage ist aber doch vielmehr, wie man eigentlich an das Thema Anlegen herangeführt wird oder sich selbst heranführt. Da sind die Neo-Broker sicherlich eine begrüßenswerte Art und Weise, mit der Börse erstmalig in Berührung zu kommen.

Ein anderer kritischer Punkt, der immer wieder im Raum steht, ist die Frage, wie sich Neo-Broker eigentlich finanzieren. So sind auch die Neo-Broker natürlich keine Non-Profit-Organisationen, die der Menschheit allein etwas Gutes tun wollen. Natürlich geht es auch hier um Geld und natürlich geht es auch darum, Geld zu verdienen. Insofern ist es interessant zu schauen, wo genau welches Geld im System gezahlt wird, wenn doch der Kunde für die Order (fast) keine Gebühr aufwenden muss.

Und … natürlich fließt Geld. Das aber nicht zwischen den Kunden und dem Neo-Broker, sondern zwischen dem Neo-Broker und der Stelle, die letztendlich die Order zur Ausführung bringt. Dies wird dann „Payment for Order Flow“ genannt und die Beträge, die pro Kundenauftrag fließen, sind teilweise von merklicher Höhe. Dabei geht es nicht um 1, 2 oder 3 Cent, sondern teilweise auch um Beträge um die 2, 3 oder auch mal 15 Euro pro Order. Dieses Geld erhält der Neo-Broker dafür, dass er die Order seiner Kunden weiterreicht an einen sog. Marketmaker. Der bekommt einen besseren Blick auf die eingegangenen Orders, indem er sie aggregiert und verdient seinerseits wiederum Geld an der Differenz zwischen dem Geld- und dem Briefkurs, also dem Kurs, den man dafür auf den Tisch legen muss, dass man eine Aktie erhält, und dem Kurs, den man dafür bekommt, dass man eine Aktie verkauft. Während der normalen Handelszeiten ist dieser Spread sehr klein. Außerhalb der klassischen Handelszeiten und damit in den Abendstunden vergrößert sich dieser Spread und damit die Differenz, an dem der Marketmaker verdient.

Nun ist die große Frage, ob dieses System und die Zahlungsströme ein Malus und damit ein Problem darstellen? Hier darf jedoch nicht vergessen werden, dass zumindest bei den Neo-Brokern die Zahlungen dem Kunden unmittelbar zugutekommen, da eben die Order-Gebühren reduziert sind oder sogar ganz wegfallen. Der Mehrwert für den Kunden ist also unmittelbar spürbar. Wichtig ist nur, dass der Kunde dies alles weiß und vielleicht auch seine Order nicht in den späten Abendstunden aufgibt, sondern eher dann, wenn auch die Referenzmärkte in z. B. Frankfurt oder auf Xetra geöffnet sind.

Eine andere Frage ist, ob auch die klassischen Banken eine Gebühr für die Order, die sie weiterleiten, erhalten. Allerdings muss man dann zugleich hinterfragen, wie und ob das sein kann und darf, wenn denn der Kunde zugleich eine Ordergebühr zahlt. Hier kommt es dann zu einem Ungleichgewicht, da die unmittelbaren Vorteile der Kunden beim Wertpapierhandel nicht mehr ersichtlich sind. Die Bank kassiert doppelt, der Kunde hat aber keinen Vorteil.

Insgesamt kann man also auch aus Anlegerschutzgesichtspunkten positiv werten, dass Neo-Broker das verkrustete Gebührensystem durchschütteln und es möglich machen, aufgrund der Gebührenstruktur auch mit nur kleinen Beträgen anzulegen und so vom Kapitalmarkt zu profitieren.

Spannend wird es sein, wie die Regulierungsbehörden auf dieses Thema zukünftig schauen. Denn die Europäische Börsenaufsicht ESMA oder die deutsche BaFin haben sich des Themas angenommen und beleuchten die Frage, ob denn wirklich ein interessengerechter Ausgleich gewahrt ist und auch gewahrt bleibt.

Dabei geht es auch um die Frage, ob Neo-Broker für ihre Kunden im Rahmen einer notwendigen Best Execution-Politik die bestmögliche Ausführung der Wertpapierorders ermöglichen. Auch hierzu sind die Broker verpflichtet. Hier ist jeweils zu prüfen, wie der Zusammenhang zwischen dem Payment for Order Flow und der Anforderungen an die sog. Best Execution immer zum Wohl des Kunden beachtet und umgesetzt wird.

Insgesamt aber darf man sich als Kunde darauf freuen, welche weiteren Entwicklungen und Innovationen uns im Bereich des Wertpapierhandels erwarten. Vielleicht werden wir also mit Hilfe der Neo-Broker doch noch ein Volk von Anlegerinnen und Anlegern. Das wäre definitiv zu begrüßen.

Ein Beitrag von Marc Tüngler

Er ist Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) und ist ein profunder Kenner des deutschen Aktienmarktes. Als Redner und Aktionärsvertreter auf vielen Hauptversammlungen weiß er um die Befindlichkeiten von Vorständen und Aktionären.
www.dsw-info.de

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