Wie kleine NFT die große Kunst aufmischen

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Am 11. März 2021 schlug die Nachricht wie eine Bombe ein: 33 Bietende hatten einen weiteren Künstler in den Olymp der teuersten lebenden Zeitgenossen befördert. Mit einem Hammerpreis von 60.250.000 US-Dollar (zuzüglich Aufgeld sind das über 69 Mio. US-Dollar) wurde das Werk Everydays: The First 5000 Days des Künstlers Beeple im Rahmen einer Online-Auktion von Christie’s New York versteigert.

Ein Meilenstein des Auktionsmarktes! Der Startpreis betrug 100 US-Dollar und das Auktionshaus hatte explizit auf die sonst übliche Preiseinschätzung verzichtet. Nach Jeff Koons und David Hockney ist Beeple damit der drittteuerste lebende Künstler seiner Zeit. Völlig neu dabei: während sonst jeder Rekord am Kunstmarkt durch seine Akteure bestaunt, bejubelt und beklatscht wird, sorgte diese Bestmarke eher für einen Schock. Man kann wohl von einem externen Effekt sprechen, denn nicht Kunstfreunde hatten den Preis nach oben getrieben, sondern eine „Spezies“, die bei klassischen Kunstsammlern eher auf Skepsis stößt: die Sympathisanten und aktiven Nutzer von Kryptowährungen und der Blockchain-Technologie.

Beeple, der Mike Winkelmann heißt und Jahrgang 1981 ist, hatte seit 2007 nahezu täglich ein digitales Bild auf der Internetplattform Tumblr gepostet. Daraus fertige er nun eine Collage von 5.000 kleinen Bildern an. Die Datei umfasst 310 MB. Dieses Gesamtbild ist für jedermann einsehbar und nachbaubar, aber in diesem Fall wurde die Collage mit digitalem Echtheitszertifikat als Non-Financial-Token (NFT) verkauft.

In der (Rand-)Szene der Digital-Kunst war Beeple bereits populär und hatte hohe Summen mit dem Verkauf von NFT realisiert. In der „echten“ Kunstwelt war er jedoch unbekannt. Für das renommierte Auktionshaus Christie’s also die Chance einen neuerlichen großen Coup zu landen. Das Risiko eines Flops bei der Beeple-Auktion hielt sich in Grenzen. Das Thema NFT war im Frühjahr omnipräsent durch Persönlichkeiten wie die des Twitter-Chefs Jack Dorsey, der die digitale Kopie seinen ersten Tweets aus dem Jahr 2006 zum Kauf anbot. Die Datei wurde knapp zwei Wochen nach dem Werk von Beeple für 2,9 Mio. US-Dollar verkauft. Allerdings nicht über ein traditionelles Auktionshaus der Kunstwelt, sondern eine eigens geschaffene Plattform zum Handel von Tweets.

Offensichtlich ist: dem Kunstmarkt ergibt sich die große Chance der Ansprache einer völlig neuen Kundenklientel. Sie ist in der Regel relativ jung, sehr tech-affin, hat ihr Geld durch Kryptowährungen verdient bzw. mit Geschäftsmodellen rund um die Blockchain-Technologie. Die Käufer der teuersten NFT im Jahre 2021 waren folgerichtig keine bekannten Kunstsammler, sondern zumindest im weiteres Sinne Sympathisanten der Krypto-Szene. Die Frage ist, wie sich der Markt weiterentwickeln wird. Ziehen die traditionellen Auktionshäuser mehr NFTs in ihre Auktionen – mit den damit verbundenen Transaktionskosten für die Kunden? Bleiben NFT eher Phänomene der NFT-Handelsplattformen und stehen damit weiterhin außerhalb klassischer Kunstmarktstrukturen? Gelingt in gewissen Bereichen die Verzahnung? Oder schafft es der traditionelle, analoge Kunstmarkt die Krypto-Millionäre für sich zu gewinnen, dem Grundsatz folgend: tausche Krypto in physische Kunst?

Schon jetzt kann man sagen: Die Diskussionen um die NFT wird mit allerlei Aufregung geführt. Die etablierte Kunstszene echauffiert sich über den Einzug von NFT in die Kunstwelt und ihre Anerkennung als Kunst insgesamt. Erhitzte Gemüter diskutierten rege über das, was auf NFT-Marktplätzen als Kunst bezeichnet wird. Andere, wie etwa die Galerien König und Nagel Draxler haben bereits im Frühjahr das Thema NFT aufgegriffen, damit auf neue Konzepte gesetzt und digitale Kunstwerke im virtuellen Raum präsentiert. Insofern waren die Entwicklungen der letzten Monate recht spannend und manchmal auch amüsant zu beobachten.

Interessante und zugleich komplexe Fragen also, die das Jahr 2021 bis dato aufgeworfen hat. Und die nach Sinn und Nachhaltigkeit von originalen Bilddateien steht dabei ganz oben auf der Liste und wird vor allem durch die Konsumenten entschieden werden. Reger Stoff für die im Herbst, nach langer Corona-Pause, endlich wieder stattfindenden Messen.

Wer sonst, wenn nicht der bekannte zeitgenössische Künstler Damian Hirst hat all diese Stimmungen geschickt aufgegriffen und über den Sommer ein „Experiment“ gestartet. Er stellte 10.000 einzelne Papiere zum Verkauf, jeweils zum Preis von 2.000 US-Dollar. Die Käufer dürfen in der Folge entscheiden: wählen Sie das Original auf Papier, also das Original im herkömmlichen Sinne, welches man gerahmt an die Wand hängt? Oder favorisieren sie das digitale Bild mit Echtheitsnachweis im Sinne eines NFT? Dann wird das Werk auf Papier zerstört! Die einzelnen Werke konnten über die eigene Projektseite www.heni.com gekauft werden. Eine weitere Unterseite der Homepage ermöglicht den Handel der Exemplare. Das erklärte Ziel von Damian Hirst war herauszufinden, für welche Variante sich die Käufer entscheiden – um es in seinen Worten zu sagen: „The whole project is an experiment in believe.“

Dass Hirst mit der Suche nach dem Entscheidungswillen seiner Käufer – Datei oder Papier – auch ganz gut verdienen dürfte, verraten die Gesetze der Multiplikation – man darf dieses „Experiment“ somit auch als geschickte Nutzung eines Momentums bezeichnen.

Ein Beitrag von Arne von Neubeck

Er ist Gründer & Geschäftsführender Gesellschafter von The Global Fine Art. Das Augsburger Kunsthandelshaus verbindet die Leidenschaft für die Kunst mit der kaufmännischen Analyse von Kunstwerken.
www.tgfag.de

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