Das Berliner Testament ist mit weitem Abstand die beliebteste Testamentsform unter den Ehegattentestamenten. Es entspricht in seiner Wirkung dem Gerechtigkeitsempfinden der Ehepartner. Damit das Testament am Ende sowohl für die Eltern als auch für die Kinder als gerecht empfunden wird, müssen jedoch einige erbrechtliche Grundregeln beachtet und steuerliche Risiken aufgefangen werden.
Das Erfolgsrezept des Berliner Testaments
Die Ehe ist eine Schicksals- und Wirtschaftsgemeinschaft. Eheleute stehen füreinander ein, üben gemeinsam die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder aus und teilen wirtschaftlichen Erfolg partnerschaftlich. Deutlich wird das Prinzip der Teilhaberschaft am Erfolg des Ehepartners im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Wer ohne Ehevertrag verheiratet ist, lebt automatisch in der Zugewinngemeinschaft, welche im Fall einer Scheidung auf der Vermögensebene dazu führt, dass der wirtschaftliche Erfolg (der „Zugewinn“) hälftig unter den Eheleuten geteilt wird.

Die gesetzliche Erbfolge dagegen beteiligt neben dem Ehepartner stets auch die Kinder am Vermögen des verstorbenen Ehepartners. Verstirbt ein im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheirateter Ehepartner und hinterlässt dieser neben dem „längstlebenden“ Ehepartner zwei Kinder, sind der längstlebende Ehepartner mit 50 Prozent und die Kinder mit jeweils 25 Prozent als Miterben am Nachlass beteiligt. Statt „längstlebender Ehepartner“ verwenden die Erbrechtler auch den Begriff „überlebender Ehepartner“ – unsere Mandanten können sich (nachvollziehbarer Weise) mit keinem der Begriffe so recht anfreunden.
Die meisten Eheleute sehen diese Erbfolge zwar als im Wesentlichen angemessen an. Gleichwohl wünschen sich Ehepartner, im ersten Erbfall nicht bereits Vermögenswerte an die Kinder abgeben zu müssen. Dies kann unterschiedliche Gründe haben: Der überlebende Ehepartner will nicht gezwungen sein, die Hälfte des Nachlasses zu teilen, etwa weil sich im Nachlass als wesentlicher Bestandteil nur das Familienheim befindet. Er müsste die Kinder dann entweder auszahlen oder sie am Familienheim beteiligen. Damit verliert er die Kontrolle über das eigene Haus. Ein weiterer Grund, der aus rechtlicher Sicht gegen eine Miterbenstellung der Kinder spricht, resultiert daraus, dass das Vermögen des verstorbenen Ehepartners nicht automatisch entsprechend der Erbquoten geteilt wird. Es entsteht vielmehr eine Erbgemeinschaft aus dem überlebenden Ehepartner und den Kindern.
Erbengemeinschaft kann zur Blockade führen

Bevor der überlebende Ehepartner frei über das Vermögen verfügen kann, muss diese Erbengemeinschaft erst einmal auseinandergesetzt werden. Diese Auseinandersetzung verlangt jedoch, dass alle Miterben, mithin der Ehepartner und alle Kinder, eine gemeinsame Lösung finden. Kommt diese nicht zustande, ist der Nachlass zunächst einmal für alle Miterben gesperrt. Bei minderjährigen Kindern kann die Nachlassabwicklung nochmals schwieriger werden, womöglich muss sogar ein Ergänzungspfleger bestellt oder das Familiengericht eingebunden werden, da der verbliebene Ehepartner zwar das Sorgerecht hat, jedoch die Kinder nicht bei einer Erbschaftsauseinandersetzung mit sich selbst (als Miterbe) vertreten kann. Auch die Absicherung des Ehepartners (Altersvorsorge) kann den Wunsch entstehen lassen, im ersten Todesfall noch kein Vermögen in die nächste Generation abgeben zu müssen.
Kinder werden als Schlusserben eingesetzt
Aus all diesen vorgenannten Gründen bestimmt ein Berliner Testament als Hauptverfügung, dass sich die Ehepartner gegenseitig als Alleinerben einsetzen. Die Kinder werden in der Regel zu Schlusserben eingesetzt, d.h. sie erben vom längstlebenden Ehepartner nach den vorgegebenen Quoten – und zwar das, was noch übrig ist.

Da die Kinder im ersten Todesfall faktisch enterbt werden, als Abkömmlinge aber pflichtteilsberechtigt sind, sollten Berliner Testamente stets eine Pflichtteilsstrafklausel enthalten. Diese stellt sicher, dass Kinder, die sich im ersten Todesfall über den Willen der Eltern, sich gegenseitig zu Alleinerben einzusetzen, hinwegsetzen, auch bei Versterben des zweiten Ehepartners auf den Pflichtteil reduziert werden. Die Klausel soll ein Handeln gegen den Willen der Eltern sanktionieren. Um für eine ausgewogene Balance zwischen den Interessen von Eltern und Kindern zu sorgen, bietet sich zusätzlich eine sog. Wiederverheiratungsklausel an, die im Falle der erneuten Heirat des längstlebenden Ehepartners die Kinder rückwirkend am Nachlass des erstversterbenden Ehepartners beteiligen soll.
Relevant wird dies angesichts der Auswirkung, die eine erneute Heirat in erbrechtlicher Hinsicht zeigt: Der neue Ehepartner ist sowohl erb- als auch pflichtteilsberechtigt. Aus Sicht der Kinder, die im ersten Erbfall dem Willen der Eltern entsprochen und auf die Geltendmachung des Pflichtteils verzichtet haben, entsteht bei Wiederverheiratung das Risiko, dass sie „am Ende leer ausgehen“.
Erbschaftsteuerliche Nachteile
Gravierende Nachteile entfaltet das Berliner Testament in steuerlicher Hinsicht bei Ehepaaren, die über ein größeres Vermögen verfügen. Hierzu muss auf die erbschaftsteuerlichen Rahmenbedingungen eingegangen werden. Kinder haben im Verhältnis zu ihren Eltern einen persönlichen Freibetrag in Höhe von EUR 400.000 – und zwar zu jedem Elternteil, also insgesamt EUR 800.000 pro Kind. Dieser Freibetrag kann alle zehn Jahre ausgenutzt werden, man spricht insoweit von „revolvierenden Freibeträgen“.
Das Berliner Testament führt, wie vorstehend ausgeführt, zur Enterbung der Kinder im ersten Erbfall, da der erstversterbende Ehepartner den überlebenden Ehepartner zum Alleinerben eingesetzt hat. Das ist erbrechtlich betrachtet auch gewollt und aus Sicht der Eheleute sinnvoll oder fair. Die Enterbung der Kinder hat jedoch zur Folge, dass die persönlichen Freibeträge des erstversterbenden Ehepartners zugunsten der Kinder nicht genutzt werden können. Die Steuerfreibeträge „verpuffen“ somit wirkungslos.

Bei vermögenden Eheleuten mit zwei Kindern kann sich hieraus ein Steuernachteil für die Familie in der Größenordnung von EUR 150.000 – 180.000 ergeben. Aber damit nicht genug: Indem die EUR 800.000 (= 2 x EUR 400.000), die steuerfrei auf die beiden Kinder (für jedes Kind EUR 400.000) hätten vererbt werden können, auf den Ehepartner übergehen, kann es dazu kommen, dass diese EUR 800.000 bei Versterben des längstlebenden Ehepartners nochmal, also doppelt versteuert werden müssen. Der längstlebende Ehepartner vereinigt schließlich durch die Alleinerbenstellung sein eigenes Vermögen mit dem Vermögen seines Ehepartners. Infolgedessen kann sich der Steuernachteil auf rund EUR 300.000 verdoppeln. Werden durch die kumulierten Vermögensmassen die in § 19 ErbStG geregelten Steuertarife erhöht, kann sich der Steuernachteil sogar noch weiter erhöhen. Grundsätzlich gilt: Je größer das Vermögen und je mehr Kinder, desto größer der steuerliche Schaden, den das Berliner Testament verursacht.
Die Lösung: Das Supervermächtnis
Testamente, die von Notaren beraten wurden, sind aus erbrechtlicher Perspektive oftmals hervorragend gestaltet, lassen aber stets jegliche erbschaftsteuerliche Begleitung vermissen. Nicht umsonst weisen Notare am Ende ihrer Urkunden gebetsmühlenartig darauf hin, nicht steuerlich beraten zu haben. Aus diesem Grund begegnen dem Nachfolgeberater in der Praxis immer wieder Testamente, die zwar erbrechtlich den Willen des Ehepaares abbilden, aber die Mandanten steuerlich teuer zu stehen kommen.

Dabei gibt es Lösungsansätze, die es ermöglichen, die erbrechtliche und die erbschaftsteuerliche Sphäre harmonisch miteinander zu vereinen. In der erbrechtlichen Beratungspraxis wird die Gestaltung „Supervermächtnis“ genannt. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Vermächtniskonstruktion, welche es den Eheleuten ermöglicht, Vermächtnisse in Höhe der Freibeträge (oder in Höhe einer anderweitig definierten Obergrenze) zugunsten der Kinder auszusetzen. Da das Vermögen vom Erstversterbenden stammt, werden auch dessen Freibeträge ausgenutzt. Der überlebende Ehepartner kann dadurch flexibel und nach eigenem Ermessen Vermächtnisse zugunsten der gemeinsamen Kinder/Enkelkinder auslösen, sofern dies gewünscht wird und aus steuerlicher Sicht zweckdienlich erscheint.
Auf Nummer sicher gehen mit Testamentsvollstreckung
Bei minderjährigen Kindern empfiehlt es sich für vermögende Eltern zusätzlich, für den Fall des gemeinsamen Versterbens, die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers in Erwägung zu ziehen. In vielen Fällen stellen die Eltern fest, dass die Personen, welche die Vormundschaft übernehmen, zwar geeignet sind, den Kindern ein geborgenes Zuhause zu bieten, dass diese Personen jedoch nicht geeignet sind, das Vermögen der Kinder bis zum Erreichen der Volljährigkeit zu verwalten.
Fazit:
Das Berliner Testament ist aus guten Gründen äußerst populär. Es sollte stets mit weiteren Verfügungen verbunden werden, um einen gerechten Ausgleich der Interessen von Eltern und Kindern zu schaffen. Ohne eine erbschaftsteuerliche Prüfung und Beratung können Berliner Testamente jedoch sowohl gravierende tatsächliche als auch rechtliche Nachteile erzeugen und zudem die Erbschaftsteuerlast drastisch erhöhen. Individuell angepasste Regelungen können hier Abhilfe schaffen. Es empfiehlt sich daher zu Lebzeiten der Ehegatten eine Regelung zu finden, die sowohl rechtliche als auch steuerliche Belange der Familie miteinander in Einklang bringt.
Ein Beitrag von Martin Lindenau, RA/Mediator und Dominikus Arweiler, RA/Mediator
Die Verfasser sind Gründungspartner bei LEGAVIS Rechtsanwälte und begleiten Privatpersonen und Unternehmer im Rahmen der lebzeitigen Planung und Gestaltung des Generationenwechsels. Neben der steuerlichen Optimierung liegt der Beratungsschwerpunkt darauf, dass nach dem Erbfall eine geordnete Nachlassabwicklung erfolgen kann.
wwww.legavis.de
Der obige Text/Beitrag spiegelt die Meinung des oder der jeweiligen Autoren wider. Die CASMOS Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.