Siemens: Der nächste Auftrags-Hammer kommt zur rechten Zeit

Bildquelle: Pressefoto Siemens

Der Industrieriese Siemens (WKN: 723610 / ISIN: DE0007236101) hat seinem Status als Aushängeschild der deutschen Industrie wieder einmal alle Ehre gemacht:

Siemens und Ägypten – das hat Tradition

Der DAX-Konzern verkündete in den vergangenen Tagen, seinen größten Auftrag in der 175-jährigen Geschichte des Unternehmens erhalten zu haben. Und wieder einmal macht Siemens gute Geschäfte in Ägypten. Denn:

Bereits Anfang Juni 2015 hieß es: “Größter Einzelauftrag aller Zeiten für Siemens”. Der damalige Siemens-Vorstandsvorsitzende, Joe Kaeser, hatte den Vertrag mit Vertretern Ägyptens in Berlin unterzeichnet.

Damals ging es um Aufträge im Energiebereich, die Ägyptens Stromerzeugung deutlich steigern sollten. Es hatte sich unter anderem ausgezahlt, dass Siemens seit 1859 in Ägypten tätig und seit der Eröffnung seines ersten Büros in Kairo im Jahr 1901 kontinuierlich im Land präsent ist. Der Münchner Konzern konnte auch liefern und meldete im 2018 die Fertigstellung des Megaprojekts sogar in Rekordzeit.

Durch die drei neuen Gas- und Dampfturbinen(GuD)-Kraftwerke in Beni Suef, Burullus und New Capital wurde die Kapazität zur Stromerzeugung in Ägypten um 14,4 Gigawatt (GW) erhöht. Ganz nebenbei handelte es sich um die damals weltgrößten GuD-Kraftwerke. Nun gab es die nächste Rekord-Bestellung aus Ägypten.

Ägypten braucht ein Hochgeschwindigkeitssystem

Dieses Mal wird Siemens mit Partnern das sechstgrößte Hochgeschwindigkeitssystem der Welt bauen. Der Siemens Mobility Anteil des kumulierten Auftragswerts beträgt 8,1 Mrd. Euro und beinhaltet den bereits im Herbst des Vorjahres unterzeichneten ursprünglichen Vertrag in Höhe von 2,7 Mrd. Euro für die erste Strecke.

Das ägyptische Hochgeschwindigkeitsnetz wird drei Strecken umfassen: Den bereits angekündigten „Suezkanal auf Schienen“, eine 660 km lange Strecke zwischen den Hafenstädten Ain Sokhna am Roten Meer und Marsa Matrouh sowie Alexandria am Mittelmeer. Dazu kommen die beiden Bahnstrecken, für die heute der Vertrag unterzeichnet wurde. Die zweite Strecke mit einer Länge von etwa 1.100 km zwischen Kairo und Abu Simbel nahe der Grenze zum Sudan wird die Megacity mit den aufstrebenden Wirtschaftszentren im Süden verbinden.

Entwicklung von Gemeinden entlang des Nils fördern

Darüber hinaus wird es die Entwicklung von Gemeinden entlang des Nils ermöglichen, die Klein- und Familienunternehmen florierende Geschäftsmöglichkeiten bieten. Die dritte Strecke hat eine Länge von rund 225 km.

Sie wird die archäologischen Stätten des Weltkulturerbes in Luxor mit Hurghada am Roten Meer verbinden. Darüber hinaus soll diese Bahnverbindung den Güter- und Materialtransport zwischen dem Hafen von Safaga und dem Landesinneren erheblich effizienter und nachhaltiger gestalten.

Siemens Mobility wird die Hochgeschwindigkeitszüge Velaro, die Regionalzüge Desiro High Capacity und die Güterzuglokomotiven Vectron liefern. (Bildquelle: Pressefoto Siemens)

Das nun angedachte rund 2.000 km lange, hochmoderne Hochgeschwindigkeitsbahnnetz soll 60 Städte des Landes mit Zügen miteinander verbinden. Diese sollen bis zu 230 km/h schnell fahren können. Rund 90 Prozent der ägyptischen Bevölkerung sollen auf diese Weise Zugang zu diesem modernen Bahnnetz erhalten.

Die Möglichkeit, Ägypten mit einem modernen, sicheren und erschwinglichen Verkehrssystem auszustatten, das den Alltag von Millionen Ägyptern verändert, tausende von Arbeitsplätzen vor Ort schafft, und CO2-Emissionen im Verkehr reduziert, ist eine Ehre für uns. (Siemens-Chef Roland Busch)

Siemens wird 41 achtteilige Velaro-Hochgeschwindigkeitszüge, 94 vierteilige Desiro-Hochleistungs-Regionalzüge und 41 Vectron-Güterlokomotiven liefern, während der schlüsselfertige Vertrag neben modernster Bahninfrastruktur auch acht Betriebs- und Güterbahnhöfe sowie einen Wartungsvertrag über 15 Jahre beinhaltet.

Der Rückzug aus Russland belastet Siemens

Auch sonst konnte Siemens zuletzt im operativen Geschäft überzeugen. Auftragseingang und Umsatz wurden im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2021/22 (Ende März) gesteigert, während der Rückzug aus Russland die Profitabilität belastete. Dafür kann man wiederum mit Firmenverkäufen punkten. Ohnehin war Siemens in den vergangenen Jahrzehnten eine Dauerbaustelle.

In diesen Tagen freut sich Siemens über einen Rekord-Auftrag aus Ägypten. Dieser kommt angesichts des Russland-Rückzugs zur rechten Zeit. (Bildquelle: Pressefoto Siemens)

Die Medizintechnik-Sparte wurde im Jahr 2018 unter dem Namen Siemens Healthineers (WKN: SHL100 / ISIN: DE000SHL1006) an die Börse gebracht. Eine weitere große Transaktion bestand im April 2020 in der Ausgliederung der Energiesparte, die seitdem als rechtlich eigenständige Einheit unter dem Namen Siemens Energy (WKN: ENER6Y / ISIN: DE000ENER6Y0) operiert. Der Börsengang erfolgte hier im September 2020.

Dieses Mal handelt es sich um die Verkäufe von Yunex Traffic und des Brief- und Paketabwicklungsgeschäfts von Siemens Logistics sowie eines Anteils an Valeo Siemens eAutomotive. Auch deshalb wurden die Jahresziele bestätigt. Im Industriellen Geschäft soll das unverwässerte Ergebnis je Aktie (für den Gewinn nach Steuern) in einer Bandbreite von 8,70 bis 9,10 Euro liegen, nach 8,32 Euro im Vorjahr.

Zudem dürfte man bei Siemens als goßen Industriekonzern hoffen, dass sich die Rezessionsängste nicht bewahrheiten und die Notenbanken wie Fed und EZB in ihrem Kampf gegen die Inflation mit den angedachten Leitzinserhöhungen nicht über das Ziel hinausschießen.

Günstige Einstiegsgelegenheit bei der Siemens-Aktie

Schließlich besteht die Gefahr, dass die Wirtschaft auf diese Weise abgewürgt wird. Trotz dieser Gefahr sehen die Analysten bei Goldman Sachs Potenzial im Fall der Siemens-Aktie. Diese ist im Zuge der jüngsten Marktturbulenzen ebenfalls deutlich zurückgekommen. Entsprechend wird auf die günstige Bewertung verwiesen.

Zwar sei das Russland-Geschäft eine Belastung, die Auftragsentwicklung wird jedoch positiv gesehen. So blieb es zuletzt im Fall der Siemens-Aktie bei der “Buy”-Einschätzung, während das Kursziel leicht von 185,00 auf 181,00 Euro gesenkt wurde. Aktuell ergäbe dies ein Kurspotenzial von rund 50 Prozent.

Turbulente Börsen-Jahre für Alt-Aktionäre

Siemens-Anleger blicken auf zwei turbulente Börsen-Jahre zurück. Nachdem die DAX-Aktie im März 2020 auf 59 Euro zurückgeschlagen wurde, startete eine kräftige Aufhol-Rallye. Dabei hatte sich der Kurs in den folgenden knapp zwei Jahren fast verdreifacht und markierte im Januar 2022 ein Rekordhoch bei rund 158 Euro. Bis zum März brachen die Notierungen dann auf 106 Euro ein, konnten sich aber bis Ende Mai wieder zeitweise auf 124 Euro erholen.

Setzt sich die jüngste Aufholbewegung fort, rückt die bei 137 Euro verlaufende 200-Tage-Linie in den Fokus. Ein Ausbruch nach oben würde ein starkes, charttechnisches Kaufsignal bedeuten. In diesem Fall würde sich das nächste Kursziel auf das Januar-Allzeithoch bei 158 Euro stellen. Langfristig fiel die Börsen-Entwicklung bei Siemens eher moderat aus.

Auf Zehnjahressicht verdiente ein Anleger 6,8% p.a

Auf Zehnjahressicht legte der Kurs im Schnitt um 6,8 Prozent pro Jahr zu. Für den DAX ging es im selben Zeitraum um durchschnittlich 8,8 Prozent jährlich nach oben. Dementsprechend gab es im DAX zu Siemens bessere Alternativen, zumal die Siemens-Aktie zwischenzeitlich immer wieder vergleichsweise scharfe Kurskorrekturen verzeichnete. Doch dafür war Siemens in der Vergangenheit ein sehr zuverlässiger Dividendenzahler, bei dem sich aktuell eine attraktive Dividendenrendite von 3,2 Prozent errechnet.

Bildquelle: Pressefoto Siemens