Was kann die OPEC+ noch leisten?

(Bildquelle: Pressefoto Saudi Aramco)

Angesichts des europäischen Öl-Embargos gegen Russland hatte man vor allem hierzulande ganz genau auf die jüngste Sitzung der OPEC+ Anfang Juni geschaut. Ob diese jedoch die erhofften Ergebnisse gebracht hat, wird sich erst mit der Zeit zeigen.

Die Öffnung der chinesischen Wirtschaft, ein Verbot von russischen Öllieferungen auf dem Seeweg nach Europa sowie die Aussicht auf einen kompletten Lieferstopp und der anhaltende Krieg in der Ukraine sollten den Ölnotierungen weiteren Auftrieb verleihen. Zur Freude von Unternehmen wie Chevron & Co. Ob jedoch tatsächlich die 200-US-Dollar-Marke angegriffen werden kann, bleibt abzuwarten.

OPEC+ bleibt unter den Erwartungen

Zudem kommt die Konjunktur nach den Corona-Lockdowns, zuletzt allen voran in der chinesischen Metropole Shanghai, in Schwung. Darüber hinaus dürfte die Nachfrage von Raffinerien laut OPEC+ saisonal bedingt zunehmen. Dies sind Gründe, warum die Organisation eine für September 2022 geplante Ausweitung der Rohölproduktion nun sogar vorgezogen hat.

Angesichts der steigenden Rohölnotierungen will man auch bei der OPEC+ nicht, dass auf diese Weise möglicherweise eine wirtschaftliche Erholung abgewürgt wird. Daher wird eine für September 2022 veranschlagte Erhöhung der Produktionsmenge um 432.000 Barrel am Tag schon im Juli und August durchgeführt. Letztlich steigen die Mengen in den Monaten Juli und August um jeweils 648.000 Barrel pro Tag.

Allerdings zeigen die Reaktionen an den Rohstoffmärkten, dass die jüngsten OPEC+-Maßnahmen möglicherweise nicht die erhofften Ergebnisse, nachhaltig fallende Ölpreise, bringen könnten. Zumal ein von einigen Marktteilnehmern erhoffter Ausschluss Russlands aus der Organisation OPEC+ ausgeblieben ist. Auf diese Weise hätten die übrigen Mitglieder die russischen, durch den Krieg und die westlichen Sanktionen gedämpften Liefermengen, ersetzen und sogar erhöhen können, um auf diese Weise den Preisdruck zu senken.

Sind die Marktentwicklungen bereits eingepreist?

Erinnern wir uns: Im Frühjahr 2020 fiel der Ölpreis zum ersten Mal in der Geschichte unter null. Seitdem sind die Notierungen steil angestiegen. Sowohl im Fall der Ölsorte Brent als auch bei der US-Sorte WTI befinden wir uns wieder im Bereich der Marke von 120 US-Dollar je Barrel. Kurz nachdem Russland in die Ukraine einmarschiert war und der Westen Sanktionen gegen Russland verhängt hatte, kletterte der Brent-Rohölpreis auf rund 139 US-Dollar je Barrel.

Ob es jedoch tatsächlich zu einem Angriff auf die Marke von 200 US-Dollar kommen wird, wie einige Marktteilnehmer vor nicht allzu langer Zeit spekuliert hatten, darf bezweifelt werden. Zuvor sollte das im Jahr 2008 verzeichnete Allzeithoch bei 147 US-Dollar als Zwischenstation dienen.

Bloomberg hatte Mitte März berichtet, dass einige Rohstofftrader bereits kleinere Wetten auf einen Brent-Rohölpreis von mehr als 200 US-Dollar je Barrel platziert hätten. Bereits Ende März sollte demnach diese Marke erreicht werden. Bekanntermaßen ist es dazu nicht gekommen. Dies heißt jedoch nicht, dass die Ölnotierungen nicht das Potenzial haben, allmählich weiter anzusteigen.

Die Angst vor Produktionsausfällen

Laut Dina Ting, Head of Global Index Portfolio Management, Franklin Templeton Investments, würde der von der Europäischen Union angedachte schrittweise Importstopp für russisches Öl eine beträchtliche Lücke in die weltweite Versorgung reißen.

„Selbst nach der historischen Freigabe von 1 Million Barrel Öl pro Tag aus den strategischen Erdölreserven der USA – ein Versuch, die Gaspreise zu dämpfen und die Inflation zu bekämpfen – herrscht langfristig weiterhin Angst vor Produktionsausfällen und hohen Rohölpreisen“, sagt Ting.

„Ausgerechnet in einer Zeit, in der die Preisinflation den Rohölpreis auf über 100 US-Dollar/Barrel getrieben hat, versucht die Welt, ihre Abhängigkeit von russischem Öl zu durchbrechen“, heißt es weiter in ihrem Marktkommentar.

Eine höhere Öl-Nachfrage ist in Sicht

Was die Ölpreise in den vergangenen Tagen und Wochen gestützt hat, sind unter anderem die Hoffnungen auf ein Anspringen der chinesischen Konjunktur. Die Millionenstadt Shanghai soll nach strikten Corona-Lockdowns allmählich zur Normalität zurückkehren. Damit sollen auch die Störungen in den für den Welthandel wichtigen chinesischen Häfen, nicht nur in Shanghai, zu Ende gehen.

Eine Wiedereröffnung der zweitgrößten Weltwirtschaft könnte einen Schub für die weltweite Konjunktur bedeuten und damit die Nachfrage nach Rohöl stützen. Zudem soll der weltweite Tourismus nach COVID-19 endlich wieder anziehen. Die zusätzlichen Reiseaktivitäten, insbesondere im Zuge der Hauptsaison im Sommer, könnten auch die Rohölnachfrage ankurbeln.

Brent-Ölpreis: Zurück unter die 100 US-Dollar-Marke?

Es gibt aber auch Stimmen, die eine andere Entwicklung vorhersehen: Die US Energy Information Administration sieht den Brent-Ölpreis im laufenden zweiten Quartal 2022 im Schnitt bei 107 US-Dollar je Barrel. Im April ist dieser noch auf 105 US-Dollar zurückgegangen, nachdem er im März noch im Schnitt um 13 US-Dollar höher lag.

Für die zweite Jahreshälfte dieses Jahres wird mit durchschnittlichen Notierungen von 103 US-Dollar je Barrel gerechnet, während der Preis 2023 wieder mit durchschnittlich 97 US-Dollar unter die Marke von 100 US-Dollar rutschen soll – allerdings ist in diesen Vorhersagen ein europäisches Embargo von russischen Öllieferungen noch nicht enthalten.

Trotz solcher Prognosen heißt es nicht, dass man zuletzt mit Aktien von Ölunternehmen nicht starke Renditen erzielen hätte können. Dies wird insbesondere bei einem Blick auf die Investments von Warren Buffett im Energiebereich deutlich. Die Ölnotierungen bewegen sich weiterhin im Bereich der Marke von 120 US-Dollar je Barrel und sorgten bei den Buffett-Lieblingen Chevron (WKN: 852552 / ISIN: US1667641005) und Occidental Petroleum (WKN: 851921 / ISIN: US6745991058) für deutliche Kurszuwächse.

Die Chevron-Aktie hat im bisherigen Jahresverlauf eine starke Performance von mehr als 50 Prozent auf das Börsenparkett gezaubert. (Bildquelle: Chevron Australia Pty Ltd)

US-Investor Warren Buffett setzt auf Energiewerte

Die Chevron-Aktie hat im bisherigen Jahresverlauf eine starke Performance von mehr als 50 Prozent auf das Börsenparkett gezaubert. Dabei hat Buffet seine Position im Fall des Öl- und Gaskonzerns trotz steigender Kurse weiter ausgebaut. Ende März hielt Buffetts Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway (WKN: A0YJQ2 / ISIN: US0846707026) knapp 160 Millionen Chevron-Anteile bzw. rund 8,1 Prozent an dem Unternehmen.

Bei einem Aktienkurs von knapp 180 US-Dollar war die Beteiligung damit zuletzt fast 29 Mrd. US-Dollar wert. Zum Vergleich: Die Beteiligung an Chevron machte Ende Dezember 2021 mit einem Wert von rund 4,5 Mrd. US-Dollar etwa 1,36 Prozent am Berkshire-Portfolio aus. Nun liegt der Anteil bei mehr als 8 Prozent.

Chevron im Berkshire-Portfolio schon auf Platz 3

Damit belegt die Chevron-Position im Berkshire-Portfolio inzwischen sogar Platz drei, hinter Apple und der Bank of America. Im Fall von Occidental Petroleum lag der Wert der Beteiligung zuletzt bei etwas mehr als 10 Mrd. US-Dollar oder knapp 3 Prozent am Berkshire-Portfolio. Sollten die Ölpreise weiter oben bleiben oder sogar eine erneute Rallye erleben, dürften Chevron & Co weiterhin davon profitieren.

Im ersten Quartal schoss der Chevron-Nettogewinn bereits auf 6,3 Mrd. US-Dollar, nach 1,4 Mrd. US-Dollar im Vorjahreszeitraum. Die Umsatzerlöse kletterten von 31 Mrd. US-Dollar im Vorjahr auf 52 Mrd. US-Dollar. Dabei konnte Chevron im Schnitt einen Preis von 93 US-Dollar je Barrel realisieren. Im ersten Quartal 2021 lag dieser noch bei 56 US-Dollar je Barrel. Der durchschnittlich erzielte Erdgaspreis hatte sich im Vorjahresvergleich auf 8,87 US-Dollar pro 1.000 Kubikfuß fast verdoppelt.

FAZIT

Trotz einer Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft und möglicher weiterer Sanktionen gegen Russland ist ein baldiger Sprung der Ölnotierungen auf 200 US-Dollar je Barrel unwahrscheinlich. Schließlich hatten die Notierungen nach ihrem Sprung auf 139 US-Dollar im Fall der Sorte Brent ebenfalls wieder zurückgesetzt. Allerdings befinden sich die Ölpreise bereits seit geraumer Zeit auf hohem Niveau und zogen zuletzt trotz der OPEC+-Produktionsausweitung weiter an, sodass Unternehmen wie Chevron davon profitieren sollten. Ganz zur Freude der US-Investorenlegende Warren Buffett. Blicken wir am Ende einmal auf die nüchterne Charttechnik:

Die nackte Charttechnik zu Rohöl Brent

Nachdem Rohöl der Sorte Brent im April 2020 auf 21 US-Dollar je Barrel einbrach, gingen die Notierungen in einen steilen Höhenflug über. Dabei gelang im Januar 2022 der Ausbruch über das Mehrjahreshoch vom Oktober 2018 (86 US-Dollar), was ein starkes Kaufsignal bedeutete. Im Anschluss ging es für den Brent-Kurs bis zum März auf ein 13-Jahres-Hoch bei 133 US-Dollar weiter nach oben. Nach einer Korrektur im April auf 98 US-Dollar legten die Notierungen bis Anfang Juni zeitweise wieder bis knapp unter die 120er-Marke zu.

Charttechnisch zeigen die Trendpfeile für Brent-Rohöl damit weiterhin klar nach oben, wie sich am großen Abstand zur bei 90 US-Dollar verlaufenden 200-Tage-Linie zeigt. Setzt sich der Aufwärtstrend fort, könnte in Kürze das März-2022-Top bei 133 Dollar in Angriff genommen werden. Das nächste Kursziel wäre oberhalb das Rekordhoch aus dem Jahr 2008 bei 147 US-Dollar je Barrel.

Bildquelle: Pressefoto Saudi Aramco