Risiken und Chancen in einer gespaltenen Welt

(Bild: Unsplash / tina-hartung)

Was sind die Risiken? Die Welt steht vor der größten geopolitischen Herausforderung in über 30 Jahren! Der Krieg in der Ukraine weist auf russischer Seite eine militärische Brutalität auf, die es auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben hat. Putin wird zum Hitler von Russland. Seine Vision, das russische Reich unter Peter dem Großen wiederherzustellen, grenzt an Wahnsinn. Die sieben führenden Industrienationen der Welt (G7) stehen geschlossen hinter der Ukraine.

Damit hatte Putin offensichtlich nicht gerechnet. Das Ende des Krieges ist jedoch noch nicht abzusehen. Die Sachschäden werden einen hohen dreistelligen Milliardenbetrag ausmachen. Die Rivalität zwischen Demokratie und Autokratie kann und darf nicht auf dem Schlachtfeld entschieden werden, sondern mit Diplomatie und in der Wirtschaft. Für mich bleibt die Demokratie die bessere Alternative! Inflation und Rezession sowie potentielle Hungersnöte aufgrund mangelnder Weizenlieferungen aus der Ukraine sind die unmittelbaren Herausforderungen für die globale Wirtschaft.

Die Energiekosten sind explodiert. Der Gaspreis hat sich verfünffacht! Öl kann sein Rekordhoch aus dem Jahr 2008 von knapp 150 Dollar pro Fass in den kommenden Monaten temporär überschreiten. Europa ist hiervon besonders betroffen. Der Profiteur ist leider Russland! Langfristig wird der Ölpreis jedoch wieder in die Bandbreite von 40 bis 60 Dollar pro Fass zurückfallen – allerdings kaum vor Mitte des Jahrzehnts,

Die Inflation ist global dramatisch gestiegen – in Europa und USA mit fast zehn Prozent auf das höchste Niveau in über 40 Jahren! Hier sind die Notenbanken gefordert. In den USA können die Zinsen für Tagesgelder in den kommenden 12 Monaten die drei Prozentmarke erreichen.

Zeit negativer Zinsen endgültig vorbei

Zu Jahresbeginn war die Fed Fund Rate bei Null und steht aktuell bei 1,5 Prozent. Zehnjährige Staatsanleihen können von jetzt gut drei Prozent auf vier Prozent steigen. In Europa ist die Zeit von negativen Zinsen auch endgültig vorbei!. Tagesgelder werden im nächsten Jahr über der zwei Prozentmarke liegen. Der Rentenmarkt wird somit allmählich wieder zu einer Konkurrenz für den Aktienmarkt.

Die Wachstumsprognosen sind global deutlich gefallen und werden in diesem Jahr die zwei Prozentmarke kaum überschreiten. Zu Jahresbeginn lagen die Schätzungen meistens noch doppelt so hoch. China, die zweitgrößte Wirtschaft der Welt, rechnet zwar immer noch mit einer Wachstumsrate von über fünf Prozent, jedoch gibt es daran erhebliche Zweifel.

Selbst die vier Prozentmarke ist ambitiös. Die Rezessionswarnungen werden immer lauter. Eine milde Rezession mit zwei leicht negativen Quartalen ist durchaus möglich, da die Angebotspalette im Technologiesektor und auch bei Konsumgütern wegen Lieferschwierigkeiten momentan unter Druck steht.

Unternehmensgewinne können dabei enttäuschen. Die Tiefstände an den Börsen sind somit noch nicht erreicht, obwohl sich fast alle Börsen bereits in einer Baisse von mindestens minus 20 Prozent befinden. Mit einem globalen Crash wie im März 2020, als der Dow Jones und DAX fast 40 Prozent verloren, rechne ich jedoch nicht. Auch wird es keine neuen Höchststände vor Jahresende geben wie in 2020.

Zu den Chancen: Gelingt es der US-Notenbank, die Inflationsrate in den nächsten 12 Monaten auf oder sogar unter die fünf Prozentmarke zu drücken – ohne eine einschneidende Rezession – so wird die Wall Street im nächsten Jahr deutlich über den Tiefständen vom Juni 2022 liegen! Ähnlich ist es beim DAX, auch wenn das Potenzial etwas geringer ist wegen der Nachschubprobleme beim Öl und Gas. Japan – und auch China (trotz Fragezeichen) steht ebenfalls auf meiner Liste.

Mein Fazit

Wer sich jetzt an den Aktienmärkten – USA, Deutschland, China und Japan – in die von mir erwarteten Tiefstände in den kommenden Monaten in Länderfonds (ETFs) und selektive Einzelwerte einkauft, kann in einem Jahr Gewinne zwischen zehn bis zwanzig Prozent erzielen, allerdings ohne Garantieschein. Im Übrigen halte ich an meiner Langfristprognose für den DAX von 50.000 und dem Dow Jones von 100.000 Punkten im Jahr 2050 – also in 28 Jahren – fest!

Ein Beitrag von Heiko Thieme
Er ist über 45 Jahre im internationalen Anlagegeschäft tätig und schrieb 16 Jahre als freier Kolumnist für die FAZ. Seit dem Jahr 1979 gibt es seine Marktanalysen und Einschätzungen sowie die älteste deutsche Börsenhotline. Heiko Thieme ist über zwei Portale für Anleger zu erreichen:
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