NFT und Kunst – war da was?

Bildquelle: The Global Fine Art GmbH

NFT – War da was? Das dürfte die Wahrnehmung auf den Baseler Kunstmessen Mitte Juni gewesen sein.

Im Grundsatz machten NFTs einen Bogen um die Art Basel und auch um eine der Nebenmessen, die Photo Basel 2022, die dem Thema im Vorjahr direkt im Eingangsbereich noch eine eigene Wand gewidmet hatte. Selbst die deutsche Galerie Nagel Draxler reduzierte das Thema auf eine eher unauffällige Rückseite ihres Messestandes.

Im Jahr 2021 hatte man eine Art Vorreiterrolle gegenüber den großen amerikanischen Galerien eingenommen. Der Stand war damals so gar nicht Art Basel-Style und wohl deswegen das NFT-Gesprächsthema gewesen. Aber wenigstens in der Theorie wurde rege auf den Panels der Art Basel über NFTs diskutiert und gesprochen. Das mutete etwas sonderbar an – man sprach darüber, gezeigt wurde nahezu nichts.

Innovative NFT-Ideen gibt es schon

Warum ist das so in einer Zeit, in der die beiden größten Auktionshäuser, Christie’s und Sotheby’s, NFTs auf die Agende genommen haben? Warum also nicht auf der Art Basel als der größten Kunstmesse der Welt? Die Antwort ist relativ einfach: nur wenige hochpreisige Werke aus Auktionen können dem „echten“ Kunstmarkt zugerechnet werden. Und auch diese kommen vorrangig aus dem Umfeld der Tech-Szene.

Künstler wie Mike Winkelmann (alias Beeple) haben keine Galerievertretung und können dennoch in den Auktionen punkten. Der Vorteil von Christie’s und Sotheby’s ist eine starke Personaldecke.

Während kleine Auktionshäuser, und vor allem auch Galerien, personell überhaupt nicht in der Lage sind, innovative NFT-Ideen zu entwickeln, fällt es Großgalerien und den Top-Auktionshäusern erheblich einfacher, Arbeitsgruppen ein- und Maßnahmen umzusetzen.

Ein Werk digital in 10.000 Einzelteile zerlegt

Posthum ein NFT zu platzieren, ist schwierig. Bemühungen hat es in der Vergangenheit gegeben. Pünktlich zum Valentinstag dieses Jahres hat das Belvedere in Wien ein weltberühmtes Werk digital in 10.000 Einzelteile zerlegt – den Kuss von Gustav Klimt, ein Meisterwerk aus den Jahren 1907/1908.

Käufer konnten sich einen digitalen Bruchteil des Werkes sichern und sich damit digitaler Miteigentümer nennen. Für das Museum ein gutes Geschäft, denn bis in den Mai wurden 4.4 Mio. Euro eingespielt, obwohl nur ein knappes Viertel der Tokens verkauft wurde.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass es sich um eine museale Arbeit handelt, also ein Werk, welches fester Bestandteil des Museums in Wien bleiben. Wenn aber kein Handel stattfindet, das Werk als historisches Kulturgut dem Markt entzogen ist, wie soll es dann zu einem spürbaren Wertzuwachs kommen? Der wirtschaftliche Erfolg für Käufer ist jedenfalls fraglich. Ein Dilemma des altetablierten Kunstmarktes. Der Umgang mit verstorbenen Künstlern ist schwierig.

NFTs werden gezeigt, wenn auch auf der Rückseite eines Messestandes: Die NFT-Wand der Galerie Nagel Traxler auf der Art Basel 2022. Bildquelle: The Global Fine Art GmbH

Ein Umdenken ist angesagt

Die Transformation von der in der analogen Welt erfolgreichen zeitgenössischen Künstlern in die digitale Welt steht selten im Fokus, auch nicht auf der Art Basel. Und Newcomer haben noch keine erforderlichen Preise, um im Kunstmarkt eine große Rolle zu spielen.

Es bedarf also innovativer und mancher „Guerilla“-Maßnahmen im Segment NFT. Die reine Reduzierung auf einen Digital Twin, also die Transformierung eines physischen Werkes in ein digitales, reicht bei weitem nicht aus. Das ist zu „billig“ auf Dauer. Umdenken ist angesagt, Kreativität gefordert.

Auch das macht Kunst eigentlich aus. Gemäß Art+Tech Report aus dem Frühjahr ist ein starkes Konzept um den Künstler das Bedürfnis Nr. 1 für Sammler. Zweitwichtigster Punkt ist die Einzigartigkeit des technologischen Ansatzes.

Als dritter Aspekt wird die zur Verfügungsstellung des NFT in hoher Auflösung genannt. Diese Aufzählung ergibt sich aus der Befragung von 306 Sammlern von Kunst NFTs und sie macht deutlich, dass die Bedürfnisse von Kunstsammlern und Käufern von sogenannten Collectibles sehr unterschiedlich sind.

Die sogenannten Collectibles

Zu den Collectibles gehören bspw. die Crypto Punks oder die Affen das Bored Ape Yacht Clubs, der Szene als BAYC bekannt. Das Konzept ist einfach, nicht sonderlich komplex, aber dennoch multi-millionen wert: produziere ein „cooles“ Thema, baue eine „coole“ Community, arbeite mit verschiedenen Attributen und füge gewisse Utilities hinzu.

Weder die Technologie ist spektakulär – wobei den Crypto Punks durch die Entstehung im Jahr 2017 durchaus innovative Kraft zuzusprechen ist – noch ist die Auflösung hoch. Zwei Welten treffen aus Kunst- und Tech-Szene aufeinander.

Trotzdem sind NFTs in aller Munde, wenngleich derzeit ein Bärenmarkt tobt, in dem heftige Kurseinbrüche bei Kryptowährungen für sinkende Werte bei NFTs sorgen, die in Kryptowährungen notieren.

Die Frage nach der Nachhaltigkeit

Neben dem reinen aktuellen monetären Wert muss die Frage nach der Nachhaltigkeit von so manchem Projekt gestellt werden. Vor allem aus dem Segment der Collectibles, in dem teilweise sechs bis siebenstellige Summen aufgerufen werden. Erinnerungen werden wach an die Jahre 1998-2000, als kleine „Internetbuden“ börsentechnisch so hoch bewertet waren wir große deutsche Unternehmen mit Substanz.

Wie ist das Standing von NFTs bei Kunstsammlern? Interessanterweise gar nicht so unbedeutend wie auf der ART Basel der Eindruck entstehen konnte. Denn ausgerechnet im Auftrag von Art Basel und UBS erstellt, wertet der jährliche Art Market Report von Dr. Clare McAndrew auch das Thema NFT aus. Demnach beschäftigt sich gerade die klassische Art Basel-Klientel damit:

Beeindruckende Zahlen des Art Market Reports

  • 74 Prozent der Multivermögenden (HNWs) haben kunstbezogene NFTs gekauft, wobei der Median bei 24.000 US-Dollar lag. Über alle NFT-Kategorien hinweg kauften sie 13 NFTs, darunter waren vier Objekte die als Kunst-NFTs bezeichnet werden können.
  • 88 Prozent der HNWs erklären, dass sie auch künftig NFT-basierte Kunstwerke kaufen werden.

Zudem liefert der Report beeindruckende Zahlen:

  • Von 2019 bis 2021 stiegen Transaktionen auf NFT-Plattformen von 4,6 auf 11,1, Mrd. US-Dollar. Der Wert der Verkäufe auf kunstbezogene NFTs erreicht dabei 2,6 Mrd. US-Dollar und hat sich damit mehr als verhundertfacht.
  • Nur 6 Prozent der Kunsthändler hat bisher NFTs angeboten. Immerhin 19 Prozent spielten mit dem Gedanken dies zu tun, was dann bereits ein Potenzial von 25 Prozent der Marktteilnehmer wäre – beachtlich!
  • 46 Prozent der Händler erklärten weder NFTs angeboten zu haben noch Interesse zu haben dies zu tun. Die übrigen 29 Prozent zeigten sich unsicher, ob sie NFT anbieten sollen oder nicht, was wohl auch Zeichen für Unkenntnis und Unsicherheit ist.

NFTs sind in der Kunstwelt angekommen, aber …

NFTs sind in der Kunstwelt angekommen, wenngleich man noch lange nicht davon sprechen kann, dass sie sich etabliert haben – dafür überwiegt weiterhin die Skepsis von einem Großteil der Marktteilnehmer.

Zudem haben die Top-Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s zwar NFTs für 230 Mio. US-Dollar im Jahr 2021 umgesetzt, angesichts eines Gesamtumsatzes von 14 Mrd. US-Dollar ist das aber weiterhin eher eine Randnotiz.

Der NFT-Markt wird sich entwickeln, er braucht aber ein Mehr an kreativen Geistern und mutigen Galeristen. Preislich bewegen sich gemäß Art+Tech Report nur 6 Prozent der Käufe von Kunst-NFTs über einem Preisniveau von 10.000 Euro.

Auch dies ein Grund, warum NFTs auf der ART Basel keine Rolle spielen – das Preisniveau ist bisher zu gering. Und über Collectibles wie die Bored Apes würde man sich auf der Art Basel dann doch eher wundern.

Präsentation der Firma Rinspeed auf der photo Basel. Mehr Pech als Kunst, aber mit interessantem Ansatz. NFT, dargestellt als Monitor, mit aufgesetzter Fahrzeugfront und möglicher Verwendung des NFT im Metaverse. Bildquelle: The Global Fine Art GmbH

Eine Innovation: Ein 3D-NFT-Unikat

So stach – im technologischen Sinne und vor dem Hintergrund der Innovation – ausgerechnet ein NFT-Ansatz auf der kleinen Photo Basel ins Auge: dort präsentiert die Firma Rinspeed ein 3D-NFT-Unikat, eine Mixtur aus digitalem NFT, dargestellt auf einem Monitor, ergänzt durch ein 3D-Bauteil, quasi als Installation daherkommend, mit Fokus auf eines der – Zitat – „kultigsten und futuristischten Automobile aller Zeiten“. Mit im Gepäck: die Verwendung des NFT im Metaverse. So kann NFT funktionieren, da verschiedene innovative Aspekte bedient werden und das „Produkt“ dadurch interessant wird.

Der Art+Tech Report umschreibt die Verwendung von NFTs im Metaverse folgendermaßen:

“Die Möglichkeit einer wirklich digitalen Kunst wird eine grundlegende Rolle in allen Arten von virtuellen Welten (web3) spielen, in denen die Menschen zunehmend ihre Zeit verbringen werden.“

Dies wird den meisten Kunstsammlern und Austellern auf der ART Basel noch völlig fremd sein. Die Frage ist, wie lange noch?

Ein Beitrag von Arne von Neubeck

Er ist Gründer & Geschäftsführender Gesellschafter von The Global Fine Art. Das Augsburger Kunsthandelshaus verbindet die Leidenschaft für die Kunst mit der kaufmännischen Analyse von Kunstwerken.
www.tgfag.de

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