Das taugen vegane und vegetarische Lieferdienste

Sind die Nachhaltigkeitsversprechen mehr Schein als Sein?

Vegetarische und vegane Ernährung ist absolut im Trend, vor allem bei der jüngeren Bevölkerung. Überall entstehen neue Restaurants und Lieferdienste, die speziell auf die Bedürfnisse von Vegetariern und Veganern ausgerichtet sind. Auch große Fastfoodketten wie McDonald‘s oder Burger King bieten längst Fleischersatzprodukte in ihrem Sortiment an. Doch ist das vermeintlich Gesunde wirklich so viel besser für die Umwelt?

Seit einigen Jahren lässt sich in Deutschland ein zunehmendes gesellschaftliches Bewusstsein für die eigene Gesundheit, die ethischen Aspekte und die ökologischen Folgen des Fleischkonsums feststellen. Vegetarische und vegane Produkte werden immer beliebter und auch der Markt für diese Produkte wächst stetig.

Zwei Beispiele dafür: Die Currywurst hat 2020 die Spitzenposition als beliebtestes Kantinenessen verloren, nachdem sie fast 30 Jahre lang auf Rang 1 stand. Darüber hinaus bietet die Deutsche Bahn seit dem 1. Januar 2022 Milch-Ersatz-Produkte von Oatly (WKN: A3CQRG / ISIN: US67421J1088) in ihrem Sortiment an.

Unterschiedlichste Ausprägungen von vegetarischer und veganer Ernährung

Eine Studie der Universität Göttingen ergab: Fast 90 Prozent der jungen Erwachsenen interessieren sich für Lebensmittel und Ernährung. Es gibt die unterschiedlichsten Ausprägungen von Ernährungsarten, beispielsweise Klimatarier, Flexitarier, Vegetarier oder Veganer. Während Vegetarier und vegan lebende Menschen den meisten bekannt sein dürften, ernähren sich Flexitarier überwiegend vegetarisch, essen aber auch gelegentlich hochwertiges biologisch produziertes Fleisch.

(Bildquelle: pixabay / silviarita)

Klimatarier achten bei der Ernährung besonders auf Lebensmittel, die einen möglichst geringen Ressourcenverbrauch haben, und die CO2-Emissionen bei Verarbeitung und Transport sollten so klein wie möglich sein.

Auch die Auswahl an vegetarischen und veganen Alternativen zu tierischen Produkten steigt und trifft auf eine hohe Nachfrage. Im Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft 2021 gaben 30 Prozent der Befragten an, dass sie öfter auf vegetarische und vegane Ersatzprodukte zurückgreifen. Zusätzliche 13 Prozent haben einmal danach gegriffen. Insbesondere die jüngere Generation kauft diese Produkte öfter (47 Prozent der 14- bis 29-Jährigen; 38 Prozent der 30- bis 44-Jährigen).

Größe des Wohnortes beeinflusst Ernährung

Interessant dabei ist, dass je größer der Wohnort ist, desto höher der Anteil an Befragten ist, die diese Ersatzprodukte regelmäßig einkaufen und konsumieren. In Orten mit weniger als 5.000 Einwohnern liegt der Anteil bei 20 Prozent, in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern bei 46 Prozent. Immer mehr Menschen verzichten auch teilweise oder ganz auf Lebensmittel vom Tier.

Auch die Größe der Stadt, in der man lebt, kann sich auf die Ernährung auswirken. (Bildquelle: katatonia82/ Shutterstock)

Der Anteil an Befragten, die sich vegetarisch ernähren, ist gegenüber dem Vorjahr von 5 auf 10 Prozent, der Anteil der Veganer von 1 auf 2 Prozent gestiegen. Gefragt nach Gründen für den Kauf der Alternativprodukte, ist die Neugier entscheidend (71 Prozent). Für 59 Prozent, und damit mehr als im vergangenen Jahr, sind Tierschutzgründe ausschlaggebend. Zudem ist der Anteil derer um jeweils 13 Prozentpunkte gestiegen, die den Geschmack, das Klima oder die Umwelt als Kaufargumente angeben.

Vegetarische und vegane Lieferdienste profitieren von Corona

Besonders während Corona haben die Menschen wesentlich mehr bestellt, da es auch nicht möglich war in ein Restaurant zu gehen. Oftmals wurden dabei auch vegetarische oder vegane Alternativen in Betracht gezogen. Laut einem Lieferando Report wurden im Jahr 2021 75 Prozent mehr vegetarische und vegane Gerichte bestellt als im Vorjahr.

Die beliebtesten vegetarischen Gerichte waren die Pizza Margherita auf Platz 1, gefolgt von der Buddha Bowl und der Avocado Maki. Die beliebtesten veganen Gerichte waren der Burger Big Vegan TS, gefolgt vom veganen Cheeseburger und den veganen Country Potatoes.

Es ist daher kein Wunder, dass besonders während der Corona-Lockdowns, vegetarische und vegane Lieferdienste hohe Umsatzzahlen schreiben konnten. Denn vor allem die jüngere Generation möchte sich mehr umweltbewusst ernähren.

Mit welchen Produkten und Versprechen werben die Firmen?

Die Werbestrategie ist bei allen Unternehmen sehr ähnlich. Es wird mit Zeitersparnis geworben und vor allem mit der Ersparnis oder Reduzierung des eigenen CO2-Fußabdrucks.

Every wirbt mit der kompletten Offenlegung des CO2-Abdruckes bei jeder Mahlzeit, so soll jeder Kunde genau wissen, wieviel CO2 mit der Mahlzeit verbraucht wurde. Des Weiteren wird natürlich mit einer Herstellung ohne Konservierungsmittel, verstecktem Zucker, Geschmacksverstärkern und zugesetzten Aromen geworben.

Die Produkte von Hello Fresh werden per Paket-Dienst geliefert. (Bildquelle: hellofresh_press)

HelloFresh (WKN: A16140 / ISIN: DE000A161408) beispielsweise investiert für den Verbraucher in verschiedene Projekte weltweit, um die CO2-Emissionen nach internationalen Standards zu kompensieren – Greenwashing in seiner Reinform. So soll dem Kunden ein gutes Gefühl beim Verzehr der Mahlzeit vermittelt werden.

Oatly (WKN: A3CQRG / ISIN: US67421J1088) wirbt mit einem Drink, der zu 100 Prozent aus Bio-Hafer hergestellt wird. Neben den „normalen“ Hafer- Milchprodukten gibt es noch spezielle Barista-Variationen.

Allplants aus Großbritannien arbeitet mit dem komplett gleichen Konzept wie das Start-Up Every: ein veganer Tiefkühlkost-Lieferdienst. Genauso wie Every wirbt Allplants mit Schockfrostung, 100 Prozent recycelbaren Verpackungen, voller Transparenz und dem Ziel, CO2 neutral produzieren zu wollen.

Was sind die Nachhaltigkeitsversprechen?

HelloFresh hat sich eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 60 Prozent im Vergleich zu dem Jahr 2016 vorgenommen. „Um unsere Ziele zur Reduktion der CO2-Emissionen (und darüber hinaus) zu erreichen, stützen wir unsere Maßnahmen auf den folgenden CO2-Management-Ansatz: Vermeiden, reduzieren, ersetzen und kompensieren“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht von HelloFresh im Jahr 2021.

Die Reduzierung der CO2-Emission ist eines der wichtigsten Nachhaltigkeitsversprechen bei den Lieferdienstern. (Bildquelle: pixabay / geralt)

Besonders im Vordergrund steht auch der Punkt, die Lebensmittelverschwendung zu senken, dabei soll nach einem ähnlichen Leitsatz vorgegangen werden: „reduzieren, spenden, umlenken.“ Wichtig ist zudem, auch die Umweltbelastung durch Verpackungen zu verringern. HelloFresh hat dafür ebenfalls eine Strategie entwickelt: „Verpackung vermeiden, Verpackung reduzieren, Recyclings-Fähigkeit verbessern und Entsorgung.“

Das Start-Up Every. aus Berlin und Allplants aus Großbritannien haben ähnliche Nachhaltigkeitsversprechen. Auf der Website von Every heißt es zum Thema Nachhaltigkeit: „Wir verfolgen das Ideal, dass unser Essen entlang der gesamten Wertschöpfungskette weder auf die Umwelt noch auf den Menschen irgendwelche negativen Auswirkungen haben soll. Daher steht Nachhaltigkeit im Mittelpunkt unseres Handels. Das bedeutet, dass wir nie aufhören, nach Möglichkeiten zu suchen, wie wir uns verbessern können.“

Bei Allplants heißt es: „Unsere Küche im Norden Londons wird zu 100 Prozent mit Erneuerbarer Energie betrieben. Wir verpflichten uns außerdem, Lebensmittelabfälle auf ein Minimum zu reduzieren“ und „Die Verpackung werden aus 100 Prozent upgecycelten Abfallmaterialien hergestellt und können auch kostenlos an uns zurückgeschickt werden, um sie immer wieder zu verwenden.”

Investoren und Image passen nicht immer zusammen…

Die Firma Oatly hat sich in den letzten Jahren mit seinen Investoren keine Freunde gemacht. Besonders, nachdem bekannt wurde, dass Blackstone mit 200 Mio. US-Dollar in Oatly investiert, war der Sturm der Entrüstung groß. Blackstone hat massive Investments in der Sojaindustrie, die den brasilianischen Regenwald zerstört. „Das Soja wird dann nach China verschifft, wo es in einer gigantischen Agrarindustrie an Schweine, Hühner und Fische verfüttert wird”, sagt Frederik Gertten, ein schwedischer Filmemacher, der mit Dokumentation zu Umweltthemen mehrere Preise gewonnen hat.

Toni Petersson, CEO bei Oatly, ist überzeugt, „Kapital grün machen“ zu können: „Sollen wir nur an der Seitenlinie stehen und rufen oder versuchen, von innen etwas bewirken zu können?“ Hinzu kommt nach Petersson, dass ein Investor, der Kapital in Oatly stecke, das schon nicht mehr in die Förderung umweltzerstörender Aktivitäten investiert.

Blackstone ist nur ein Investor von Oatly der von vielen kritisch gesehen wird. Die Ziele von Blackstone und Oatly gehen nicht unbedingt in die gleiche Richtung. (Bildquelle: oatly / press)

Für ein Unternehmen wie Oatly geht es in erster Linie um Wachstum: „Sie müssen mehr Kapital reinholen und das Kapital ist eben nicht immer ethisch”, erklärt Frederik Gertten. Für Blackstone gehe es darum, sich mit Investitionen, die als „grün“ gelten, zu profilieren. Trotzdem ist es eine Illusion zu glauben, dass ein kleines Unternehmen wie Oatly einen Riesen wie Blackstone dazu veranlassen kann, sich beispielsweise von Firmen, die den Amazonas zerstören, zu trennen. Letztendlich zerstört die rechte Hand, was mit der linken Hand aufgebaut wurde.

Das Problem ist, dass Blackstone nicht der einzige kritische Investor ist. Ein weiterer Großinvestor ist China Resources, das vom chinesischen Staat kontrolliert wird. China Resources ist mittlerweile zusammen mit dem belgischen Investmentunternehmen Verlinvest, das dem weltweit größten Bierkonzern Inbev gehört, Oatlys Haupteigentümer.

Dazu gibt es viele Meinungen von (ehemaligen) Oatly-Kunden, die oftmals so klingen: „Mir hat Oatly gefallen und ich war stolz, bis ich heute erfahren habe, dass der chinesische Staat ein großer Eigentümer ist.“

Doch es sind nicht nur Investoren, die kritisch betrachtet werden müssen. Die Nachhaltigkeits-Versprechen und Methoden passen auch nicht immer zusammen, wie das nächste Beispiel zeigt.

Passen die Nachhaltigkeitsversprechen mit der Lagerung und dem Transport mit Trockeneis zusammen?

Trockeneis wird beim Transport und der Lagerung benutzt. (Bildquelle: Pegels / ewald0907)

Das Unternehmen Every wirbt mit dem Versuch, möglichst klimaneutral zu produzieren und auszuliefern. Gleichzeitig muss auf Grund des Schockfrostens der Speisen Trockeneis für den Transport benutzt werden. Das Schockfrosten und die Herstellung von Trockeneis ist durchaus klimafreundlich. Allerdings ergeben sich beim Lagern Probleme, denn die Lagerung ist sehr energieaufwendig. Hinzukommt, dass Trockeneis beim Transport nach Europäischen Übereinkommen als Gefahrengut eingestuft wird. Somit gelten besondere Vorschriften beim Transport und ein Paket kann nicht einfach mit einem Standardpaket versendet werden.

Die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) warnt beispielsweise vor einer Unterschätzung der Gefahr bei Lagerung und Transport von Trockeneis.

„Es besteht die Gefahr von Kälteverbrennungen bei direktem Hautkontakt auch vor dem Einatmen des gasförmigen CO2, was zu Herzklopfen, Kopfschmerzen, Benommenheit, Bewusstlosigkeit und sogar zum Erstickungstod führen kann“, warnt Dr. Hans-Peter Fröhlich, Chemiker und Gefahrstoffexperte bei der BGHW. „Denn Trockeneis verflüssigt sich nicht wie normales Eis, sondern geht von dem festen Zustand in gasförmiges CO2 über.“

Greenwashing durch CO2- Kompensation am Beispiel Every.?

Every berechnet den CO2-Fußabdruck eines jeden Gerichts. Die komplette Wertschöpfungskette wird dabei betrachtet – vom Anbau der einzelnen Zutaten, über das Schockfrosten, den Transport zum Kunden bis hin zum Stromverbrauch beim Aufwärmen des Gerichtes. Dies soll für ein gutes Gefühl beim Verbraucher sorgen, der damit jeder Zeit den CO2-Fußabdruck seiner Mahlzeit nachvollziehen kann – insofern er das wirklich braucht.

Casimir Rob, einer der Gründer von Every, wirbt damit, dass besonders der nachhaltige Leitgedanke und die damit verbundene Verfolgung der CO2-Emissionen über die gesamte Wertschöpfungskette Every erfolgreich macht und so von der Konkurrenz abgrenzt. Zudem lobt er die Einfachheit der Produkte und das keine Zusatzund Konservierungsstoffe verwendet werden. Außerdem soll die besondere Schockfrostungstechnologie von Every für bestmögliche Qualität, Geschmack Textur und Nährstoffgehalt jeder einzelnen Zutat sorgen, so das Unternehmen.

Eine beliebte Art der CO2-Kompensation ist es Bäume zu pflanzen. (Bildquelle: pixabay / VanVangelis)

Natürlich kann Every (noch) nicht komplett klimaneutral produzieren und ausliefern. Daher kompensiert das Unternehmen an jedem Jahresende seinen CO2-Abdruck beim Partner Atmosfair. Zurzeit unterstützt Every ein Projekt zum Ausbau klimafreundlicher Holzöfen in Ruanda. Die Frage ist, ob dies nicht schon als Greenwashing bezeichnet werden kann. Casimir Rob hat dazu eine klare Meinung: „Das Kompensieren von Emissionen ist ein sehr sensibles Thema, aber solange der Aspekt offen und transparent kommuniziert wird, sehen wir darin kein Greenwashing.“ Weiter führt er aus: „Für uns ist klar: Nachhaltigkeit ist kein Endziel, dass man einfach so erreichen kann, sondern ein kontinuierlicher Prozess.“

Gleiche Ansätze unterschiedliche Probleme

Allplants und Every haben die gleichen Ideen und Visionen. Die Unterschiede zu den Konkurrenten sind unserer Meinung nach jedoch marginal. Der größte Unterschied besteht sicherlich in der progressiven Werbung für das Ziel der CO2-Kompensation, dies könnte jedoch auch als „Greenwashing“ bezeichnet werden.

Oatly hat sich selbst ein großes Imageproblem geschaffen, in dem es Investoren wie China Resources oder Blackstone ins Boot geholt hat. Ob es möglich ist, wie der CEO Petersen sagt, „Kapital grün zu machen“ muss bezweifelt werden.

HelloFresh hat im Vergleich zu den bisher genannten Unternehmen eher realistische Ziele. Den CO2-Fußabdruck der eigenen Firma zu reduzieren und die Lebensmittelverschwendung bei der Herstellung zu beschränken klingt schon wesentlich glaubwürdiger.

Das marktEINBLICKE-FAZIT

Unserer Meinung nach sind die Nachhaltigkeitsversprechen wichtige Ziele, jedoch ist es schwierig, so progressiv Werbung damit zu machen. Letztendlich soll damit nur dem Kunden ein gutes Gefühl beim Verzehren der Produkte gegeben werden. Für das Klima wäre es besser, wenn regional eingekauft und selbst gekocht wird, anstatt bei Lieferdiensten zu bestellen. Unter den vier genannten bietet unserer Meinung nach HelloFresh die beste Alternative. Die selbst gesetzten Ziele im Bereich Klimaschutz und neutraler CO2- Produktion am realistischsten klingen.