Der Kostenschock beim Strom- und Gaspreis

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Herbst und Winter werden kommen. Viele Menschen (nicht nur in Deutschland) machen sich Sorgen und haben Angst vor den zusätzlichen Energiekosten, die auf sie zukommen. Zwar werden schon unterschiedliche Maßnahmen von Seiten der Politik getroffen – eine zeitlich befristete Gas-Umlage und der Wegfall der EEG-Umlage – trotzdem sind die Kosten, die auf alle zukommen, noch nicht abzusehen. Sicher ist nur: es wird teuer.

Die Gründe für die gestiegenen Gas- und Strompreise sind vielfältig. Eine Rolle spielt die Angst davor, dass Gaslieferungen über Nord Stream 1 erneut ausbleiben. Hinzukommen Unsicherheiten, wie mögliche Gas-Transit-Stopps aufgrund von Kampfhandlungen, Energiesanktionen oder Gasimportverbote aus Russland.

Die Folge ist, dass die Großhandelspreise steigen. Händler greifen bereits auf andere Gasquellen zurück. Aber auch dort ist das Angebot knapp.

Die Bundesregierung beschließt befristete Gas-Umlage

Das Bundeskabinett hat am 04.08.2022 eine zeitlich befristete Gas-Umlage für die Sicherung der Wärmeversorgung im Herbst und Winter beschlossen. Bildquelle: markteinblicke.de

Das Bundeskabinett hat am 04.08.2022 eine zeitlich befristete Gas-Umlage für die Sicherung der Wärmeversorgung im Herbst und Winter beschlossen. Diese soll Mitte August 2022 in Kraft treten und vom 01. Oktober 2022 greifen und bis zum 30. September 2024 gelten. Vizekanzler und Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck erklärt:

„Russland hat mit dem Angriff auf die Ukraine auch eine schwere Energiekrise produziert, künstliche Energieknappheit geschaffen und die Preise in die Höhe getrieben. Dieser externe Schock trifft unser Land, das über Jahre stark von günstigem Gas aus Russland abhängig war, besonders. Wir setzen alles daran, unabhängiger zu werden und sind auf einem guten Weg. Wir müssen uns darauf aber einstellen: Gas ist inzwischen ein knappes und teures Gut.“

Habeck führt weiter aus: „Die befristete Umlage ist eine Folge der durch Russland verursachten Krise. Sie ist kein leichter Schritt, aber sie ist nötig, um die Wärme- und Energieversorgung in den privaten Haushalten und in der Wirtschaft zu sichern. Dabei werden die Kosten möglichst solidarisch verteilt:

Die betroffenen Gasimporteure tragen bis zum Oktober alle Kosten für die Ersatzbeschaffung allein. Danach werden diese gleichmäßig auf viele Schultern verteilt. 10 Prozent der Kosten tragen die betroffenen Gasimporteure für die Zeit der Umlage selbst.“

So wird die Gas-Umlage berechnet

Schon am 28. Juli 2022 nannte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck für die geplante Gas-Umlage einen Maximalbetrag von fünf Cent die Kilowattstunde. Die Umlage soll ab dem 1. Oktober für alle Gaskunden gelten, eine genaue Höhe steht jedoch noch nicht fest.

„Mit der Anwendung von Paragraf 26 werden die Mehrkosten einer Ersatzbeschaffung gleichmäßig auf alle Gaskunden verteilt”, sagt Billy Scheufler, Geschäftsführer Energie bei Check24. „Für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 kWh könnte es nur durch die neue Umlage von fünf Cent pro Kilowattstunde bis zu 1.190 Euro im Jahr teurer werden.“

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Check24 hat eine Beispielrechnung durchgeführt: Ein Singlehaushalt würde bei einem Jahresverbrauch von 5.000 kWh zwischen 89 und 298 Euro zahlen, eine Familie mit einem Verbrauch von 20.000 kWh hingegen zwischen 357 und 1.190 Euro.

Die rasante Entwicklung der Gaspreise

Die Gaspreise bleiben konstant auf einem hohen Niveau im Großhandel. Der European Gas Spot Index (THE) stieg nach der Reduktion der Gaslieferungen über Nord Stream 1 von 162 Euro (25.7.) auf 205 Euro (29.7.). Im Juli 2021 wurden dafür im Schnitt lediglich 36 Euro fällig. Ein Plus von 469 Prozent.

„Wenn die bereits vor der Krise beschafften Energiemengen der Energieversorger verbraucht sind, werden sie zu den aktuellen Rekordpreisen an der Börse einkaufen müssen”, sagt Billy Scheufler, Geschäftsführer Energie Check24. „Die Jahresrechnung und damit auch die Abschläge könnten dann um das Drei- bis Fünffache steigen.“

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Dabei erreicht der durchschnittliche Gaspreis bereits im Juli einen neuen Rekord. Ein Musterhaushalt (20.000 kWh) zahlt im Schnitt 3.415 Euro im Jahr für Gas. Das entspricht einem durchschnittlichen Preis von 17,1 ct pro kWh. Im Juni kostete die gleiche Menge Gas noch 2.752 Euro. Im Juli 2021 waren es 1.301 Euro – ein Plus von 162 Prozent zum Juli 2022.

Inklusive der beschlossenen Gas-Umlage von fünf Cent, muss ein Musterhaushalt durchschnittlich 4.605 Euro zahlen. Das bedeutet eine Steigerung von rund 254 Prozent im Vergleich zum Juli 2021.

Die konstante Gaspreiserhöhung trifft (fast) alle

Für August und September gibt es bereits 143 Fälle von Gaspreiserhöhungen in der Grundversorgung. Betroffen sind davon rund 1,2 Millionen Haushalte. Im September betragen die Erhöhungen im Schnitt 76,3 Prozent.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat Preiserhöhungsschreiben von über 70 Energielieferanten analysiert und stellt fest: Einige Anbieter missachten in ihren Schreiben gesetzliche Vorgaben, etwa die Ankündigungsfristen. Auch sind die Preisinformationen oft ungenügend dargestellt. Einige Schreiben enthalten zusätzlich undurchsichtige Hinweise zu vertraglichen Änderungen.

„Bei einigen der untersuchten Energieanbietern stellt sich die Frage, ob sie einkalkulieren, dass ihre Kunden aufgrund der Energiekrise mit höheren Preisen rechnen und daher sowohl die Berechtigung zur Erhöhung als auch den konkreten Preisanstieg nicht kritisch überprüfen.”

“Besonders bei mehreren kurzfristig aufeinanderfolgenden Preiserhöhungen ist es für Verbraucher nicht immer nachvollziehbar, ob das überhaupt gerechtfertigt ist“, sagt Sabine Lund, Referentin im Team Marktbeobachtung Energie des vzbv. „Eine verbraucherfreundliche Preisinformationspolitik sieht anders aus.“

Die Verbraucherzentrale fordert klare Regelungen

In einem dem vzbv vorliegenden Fall stiegen die Gesamtkosten innerhalb weniger Monate in mehreren kleinen Schritten um insgesamt 115 Prozent. Solche Kettenpreiserhöhungen sollte der Gesetzgeber dringend unterbinden, fordert der vzbv. Außerdem müssen sich Energieversorgungsunternehmen an die gesetzlichen Fristen für die Ankündigung von Preisänderungen halten.

Zusätzlich sollten einheitliche Mindeststandards für die Ausgestaltung von Vertragsänderungs- und Preiserhöhungsmitteilungen festgelegt werden, schlägt der vzbv vor. Verbraucher müssen entsprechende Schreiben auf den ersten Blick erkennen und den Umfang und die Gründe der beabsichtigten Änderungen nachvollziehen und überprüfen können.

„Gerade jetzt in der Energiepreiskrise sollte dem Schutz von Verbraucher vor unseriösen Energieversorgern hohe Priorität eingeräumt werden. Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden haben hier eine Chance, für Transparenz und Klarheit zu sorgen“, sagt Lund.

Die Untersuchung zeigt: Oft sind Preiserhöhungsschreiben nicht auf den ersten Blick als solche erkennbar. Auch die Gründe für Preiserhöhungen sind aus Sicht des vzbv nicht immer überprüfbar. Häufig wird nur der neue Gesamtpreis benannt. Wie die aktuellen Marktgeschehnisse den Preis in der Höhe konkret beeinflussen, bleibt meist unklar.

Die Bundesnetzagentur gibt sich vorsichtig

Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, hält es für möglich, dass der Gaspreis ein Plateau erreicht hat, also nicht mehr so stark steigen wird. Als Anzeichen sieht er den relativ stabil gebliebenen Gaspreis, als Nord Stream 1 am 11. Juli 2022 für Wartungszwecke abgeschaltet wurde.

Das könne nach Klaus Müller bedeuten, dass „die Märkte den Ausfall russischer Gaslieferungen bereits eingepreist” haben. Dennoch glaubt er, dass Verbraucher dieses und nächstes Jahr mit wesentlich höheren Abschlagszahlungen rechnen müssen.

Politische Faktoren sprechen dafür, dass der Gaspreis weiter steigen dürfte. Die im Klimapaket der deutschen Bundesregierung vereinbarten CO2-Zertifikate werden bis 2025 zu jährlich steigenden Festpreisen verkauft. Ab 2026 werden die Zertifikate mit Ober- und Untergrenze versteigert, ab 2027 bestimmt der Markt die Zertifikatspreise. Je nach Angebot und Nachfrage könnte Gas dann noch teurer werden. Nicht besser sieht es beim Strompreis aus:

Die rasante Entwicklung der Strompreise

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Die Strompreise an der Börse erreichten am 28. Juli mit 474 Euro pro Megawattstunde einen neuen Rekord. Im Juli kostet eine Megawattstunde an der Strombörse (Leipziger Strombörse EEX Day Ahead volumengewichtet) durchschnittlich 302 Euro (Stand: 29.7.). Zum Vergleich: Im Juli 2021 kostete eine Megawattstunde lediglich 80 Euro – ein Plus von 278 Prozent.

Der Strompreis für Verbraucher sinkt im Juli leicht. Ein Musterhaushalt (5.000 kWh) zahlt im Schnitt 1.949 Euro jährlich für Strom und damit erstmals seit Dezember weniger als 2.000 Euro. Das entspricht einem durchschnittlichen Preis von 39,0 ct. pro kWh. Im Vorjahresmonat waren es 1.525 Euro – ein Plus von 28 Prozent.

Grundversorger kündigen Strompreiserhöhungen an

Für August und September haben Grundversorger in 106 Fällen Erhöhungen angekündigt. Betroffen von den Preiserhöhungen sind rund 1,9 Millionen Haushalte. Im September betragen die Erhöhungen im Schnitt 49 Prozent.

Obwohl Stromgrundversorger bereits im Spätjahr und Winter 2021 in mehr als 1.000 Fällen Preise erhöht hatten, wurden seit dem 1. März 2022 in weiteren 824 Fällen Preise erhöht oder Erhöhungen angekündigt. Im Durchschnitt betragen die Preiserhöhungen 20,7 Prozent und betreffen rund 7,8 Millionen Haushalte. Für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 5.000 kWh bedeutet das zusätzliche Kosten von durchschnittlich 347 Euro pro Jahr.

Abschaffung der EEG-Umlage soll für Entlastung sorgen

Der Wegfall der EEG-Umlage zum 1.7.2022 entlastet Verbraucher um 5,1 Mrd. Euro. Der Bundestag hatte das entsprechende Gesetz bereits im April beschlossen. Stromanbieter sind dazu verpflichtet, die Absenkung an die Kunden weiterzugeben.

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Die Abschaffung der EEG-Umlage (vorher 3,723 Ct.) bringt für einen Singlehaushalt mit einem jährlichen Stromverbrauch von 1.500 kWh etwa 66 Euro. Eine Familie mit 5.000 kWh Stromverbrauch zahlt etwa 222 Euro weniger.

„Die erste Senkung der EEG-Umlage zum Jahreswechsel kam aufgrund der massiv gestiegenen Einkaufspreise bei Strom nicht bei den Verbraucher an”, sagt Billy Scheufler, Geschäftsführer Energie bei Check24. „Mit der Abschaffung der Ökostromumlage im Juli wird ein Vierpersonenhaushalt um 222 Euro im Jahr erneut entlastet. Den starken Anstieg der Stromkosten seit vergangenem Jahr federt das aber nur teilweise ab.”