Digitalisierung im Finanzwesen ist kein Selbstläufer

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Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Sie erobert immer mehr unseren Alltag. Auch im Finanzsektor ist dieser Trend zu beobachten.

COVID-19 sorgt für Schub

Otto Normalverbraucher können dies an vielen Kleinigkeiten sehen, sei es das Bezahlen per mobiler App wie Apple Pay, das sofortige Überweisen von Geldbeträgen an Freunde und Verwandte oder das Trading mit speziellen Apps für den Handel mit Aktien, Rohstoffen, Devisen & Co.

Viele dieser Trends wurden sogar durch die Corona-Pandemie verstärkt, sodass Banken und andere Finanzinstitute sich noch schneller anpassen müssen. In einer aktuellen Studie von Endava bestätigen 84 Prozent der IT-Entscheider aus dem Finanzsektor, dass sich die Einführung digitaler Technologien innerhalb ihres Unternehmens durch die Pandemie stark beschleunigt hat.

Im Hintergrund müssen sich die traditionellen Finanzinstitute ohnehin bereits seit vielen Jahren auf die technologische Revolution einstellen, während Emporkömmlinge aus dem Fintech-Bereich ihnen immer mehr Dampf machen. Die Digitalisierung im Finanzwesen ist jedoch kein Selbstläufer. In der obigen Endeva-Studie ging es daher auch um die fünf größten Risikofaktoren für die Digitalisierung im Finanzwesen.

Pandemie trifft viele unvorbereitet

Die Ausgangssituation war nicht ideal. Der Ausbruch von COVID-19 hat Finanzunternehmen weltweit unvorbereitet getroffen. Laut der Endava-Studie räumen 98 Prozent der befragten IT-Entscheider aus dem Finanzsektor ein, dass es bei ihren digitalen Tools, Systemen und Prozessen Verbesserungsbedarf gegeben hat.

Die Digitalisierung ist nicht mehr aufzuhalten. Auch im Finanzsektor ist dieser Trend zu beobachten. Es bestehen aber auch Risiken. Bildquelle: Pressefoto Mastercard

Gleichzeitig haben laut Studienergebnissen mehr als vier von fünf Organisationen (84 Prozent) die Einführung digitaler Technologien während der Pandemie beschleunigt, um auf die veränderten Bedingungen zu reagieren. Den größten Einfluss haben dabei laut den IT-Entscheidern die Kunden (73 Prozent), gefolgt von der Führungsebene (67 Prozent) und den Wettbewerbern (58 Prozent), so Endeva.

Die Pandemie hat zum Beispiel dazu geführt, dass nahezu alle Altersklassen stärker als zuvor Online-Banking nutzen. Wer nicht in der Lage ist, sein Angebot entsprechend auszubauen und zu optimieren, wird über kurz oder lang Kunden verlieren. Die Banken stehen unter Zugzwang, heißt es weiter.

Die Risiken

Mit Bezug auf die Studie nennt Toby Dixon, Managing Director DACH bei Endava, die fünf größten Herausforderungen in den kommenden Jahren.

  • Remote- und Hybridarbeit – “Wenn Mitarbeiter nicht mehr physisch zusammenarbeiten, können Unternehmenskultur und Teamgeist darunter leiden. Ist dies der Fall, sinkt womöglich die Bindung der Angestellten ans Unternehmen. Deshalb ist es essenziell, dass Unternehmen wissen, wie eine Unternehmenskultur aufgebaut und gestärkt werden kann, auch wenn die Mitarbeiter im Home Office sitzen – beispielsweise können sie von Firmen lernen, die bereits jahrelange Erfahrung darin haben.”
  • Veränderte Erwartungshaltungen der Kunden – “Die Digitalisierung des Privatlebens ist in vollem Gange. Dadurch steigen die Erwartungen der Verbraucher kontinuierlich an, während ihre Toleranz für schlechte digitale Erfahrungen sinkt. Und sie ziehen Vergleiche zwischen allen Apps, das heißt die Bank muss sich nicht nur mit anderen Banking-Apps messen, sondern auch mit den intuitiven digitalen Angeboten von Netflix, TikTok und Co.”
  • Veränderte Rahmenbedingungen – “Die Pandemie, aber auch die aktuelle geopolitische und wirtschaftliche Situation zeigen, wie schnell Unternehmen und die Weltwirtschaft von Störungen betroffen sind und wie empfindlich sie auf diese reagieren.”
  • Technologische Störungen – “Anwendungen, die nicht die gewünschten Funktionen bieten, Cyberrisiken, die beseitigt werden müssen, digitale Prozesse, die zusätzlichen Aufwand verursachen – mit der steigenden Zahl an digitalen Lösungen steigt auch die Anzahl möglicher Probleme. Allerdings: durch den Fachkräftemangel wird es für Unternehmen immer schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, die diese Probleme lösen können. Das führt schnell zu Verzögerungen – und verärgerter Kundschaft.”
  • Mangelhafte interne Überzeugung – “Veränderungen benötigen in einem Unternehmen auch immer einen Kulturwandel, auf den die Mitarbeiter rechtzeitig und gezielt eingestimmt werden müssen. Andernfalls werden neue Tools, Systeme und Prozesse nicht (sinnvoll) genutzt.”

Neuer Plan

Zur Beurteilung heißt es, dass Organisationen im Finanzsektor ihre Digitalisierung weiter vorantreiben müssten, wenn sie dauerhaft wettbewerbsfähig bleiben wollten. Immerhin verstehen sie zunehmend, dass Technologie heute ein zentraler Teil ihres Geschäfts und ihrer Finanzprodukte sein muss, statt nur ein Hilfsmittel für diese.

Die Verschmelzung von Technologie und Produkten sollte im Mittelpunkt der Geschäftsstrategie stehen. Zumindest die IT-Strategie ist bei knapp neun von zehn IT-Entscheidern durch die Pandemie zuletzt konkreter geworden (87 Prozent). Zudem meinen ähnlich viele (93 Prozent), dass sie jetzt über einen langfristigen Plan verfügen, heißt es weiter.

Iterativer Ansatz funktioniert

“Dennoch sollten sie nicht vergessen, wie sie gerade am Anfang der Pandemie ihre Digitalisierung erfolgreich gemeistert haben: Entscheider haben nicht weit in die Zukunft geplant, sondern Lösungen getestet, indem sie diese einfach umgesetzt und ausprobiert haben. Hat etwas funktioniert, wurde es beibehalten und nach und nach optimiert. Was nicht funktionierte, wurde verworfen. Dieser schnelle, iterative Ansatz erlaubt es Unternehmen, unmittelbar auf Veränderungen zu reagieren, unabhängig davon, ob diese durch interne Gründe oder äußere Einflüsse verursacht werden. Die übergreifende Digitalstrategie verbindet dabei eine Reihe von zielgerichteten, erreichbaren Meilensteinen und gibt dadurch die Richtung vor, in die sich das Unternehmen entwickeln soll”, sagt Toby Dixon.

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