Warum Staats- und Unternehmensanleihen wieder en Vogue sind

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Staatsanleihen und ihre Vorformen sind neben Münzgeld die ältesten Finanzprodukte der Welt. Aber nicht einmal tausend Jahre nach ihrer erstmaligen Nutzung schienen die Anleihen von öffentlichen Schuldnern jeglichen Reiz verloren zu haben. Die zwischenzeitliche Skepsis aufgrund der Nullzinsphase ist allerdings einer Wiederentdeckung gewichen. Die extreme Inflation und die Abkehr der Notenbanken von der lockeren Geldpolitik, macht Anleihen wieder interessant.

Vor sechs Jahren, im Juni 2016, erlebten Anleiheinvestoren ein absolutes Novum, Deutsche Staatsanleihen, sogenannte Bundesanleihen, wiesen erstmals in ihrer Geschichte negative Renditen aus. Damit mussten Investoren der Bundesrepublik Deutschland Geld dafür zahlen, dass sie Geld beim deutschen Staat anlegen durften. Anders gesagt, lagen die Kurse der Staatsanleihen deutlich über dem vereinbarten Nominalwert, so dass trotz des mit dem Kupon vereinbarten Zinssatzes am Ende eine negative Realrendite heraus kaum.

Krisen-Spätfolgen

Dies waren die Spätfolgen der weltweiten Nullzinspolitik, die in den 2000er-Jahren mit der geplatzten Immobilienblase in den USA und der daraus resultierenden Lehman-Pleite im Herbst 2008 ihren Anfang nahm. Ein weiteres Novum gab es im Sommer 2019, als zehnjährige Bundesanleihen erstmals keinen positiven Kupon mehr auswiesen. Statt Zinsen gab es lediglich eine garantierte Rückzahlung des Nennwerts. Doch auch diese Nullzinskupons sind Geschichte. Am 6. Juli 2022 begab die Bundesrepublik Deutschland eine bis zum 15. August 2032 laufende Anleihe und war bereit dafür jedes Jahr einen Zins von 1,7 Prozent zu bezahlen.

Eine neue Welt

Eine Pandemie und einen Krieg später hat sich die Anleihewelt wieder komplett gedreht. Ein Faktum, das viele Anleger so nicht auf dem Schirm haben, galt die Nullzinsphase doch irgendwie immer als gottgegeben und unabänderlich. Allerdings hat die Sache auch einen Haken: Anleger, die 2016 die besagten Bundesanleihen erwarben, haben heute deutlich weniger Geld in ihrem Depot. Bei langlaufenden Staatsanleihen – in den letzten Jahren wurden etwa in Österreich sogar wieder 50-jährige Staatsanleihen begeben – ist der Wertverfall im Depot zum Teil dramatisch im zweistelligen Prozentbereich. Nicht wenige, vor allem institutionelle Investoren, dürften von diesem Renditesprung mit gleichzeitigem Werteinbruch auf dem falschen Fuß erwischt worden sein.

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Was ist eine Anleihe?

Der Käufer einer Anleihe gewährt ihrem Herausgeber (dem sogenannten Emittenten) einen Kredit. Die Höhe dieses Kredits entspricht dem erworbenen Anleihenennwert. Dieser muss zum Ende des Kreditverhältnisses (der Laufzeit der Anleihe) vom Emittenten vollständig an den Kreditgeber zurückgezahlt werden. Während der Laufzeit der Anleihe erhält der Käufer vom Emittenten der Anleihe für die Überlassung des Geldes Zinsen. Die Konditionen dieses Kredits, insbesondere seine Laufzeit und die Verzinsung (Kupon), sind in der (physischen) Anleiheurkunde oder heute zumeist in den Anleihe- oder auch Emissionsbedingungen festgeschrieben.



Schwieriges Jahr

Das Jahr 2022 begann jedoch nicht nur für Anleiheanleger wenig erfreulich. Paolo Bernardelli, Fonds-Manager bei Eurizon, bringt es auf den Punkt: „Die Performance in der ersten Jahreshälfte war für alle Anlageklassen schrecklich. Aktien, Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und Schwellenländeranleihen haben sich alle sehr schlecht entwickelt, in den meisten Fällen mit einer zweistelligen negativen Performance. Die Kombination aus einer viel höher als erwarteten Inflation und dem Wunsch der Zentralbanken, die Inflation zu bekämpfen und geldpolitische Anreize zu beseitigen, indem sie die Zinssätze erhöhen und die quantitative Lockerung aufheben, führte zu einem starken Anstieg der Renditen. Der Krieg verstärkt die negative Performance der Anlageklassen, wobei der Anstieg der Energiepreise zu einem weiteren Anstieg der Inflation und einem ‚Fly to quality‘-Umfeld bei den Anlegern führt, insbesondere in Europa.“ Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass die Renditen und Spreads nach einer langen Phase der Entspannung und der ständigen Suche nach Rendite in den ersten Monaten des Jahres unter Druck gerieten und insbesondere Unternehmensanleihen nun mit den höheren Renditen von Staatsanleihen konkurrieren müssen. Womit auch der Kampf zwischen den beiden wichtigsten Anleihearten anschaulich dokumentiert wäre.

Bestandteil der Staatsfinanzierung

Werfen wir zunächst einen Blick auf Staatsanleihen: Da Staatsfinanzierung in den seltensten Fällen ausschließlich über Steuereinnahmen funktioniert, spielen in fast allen Staaten dieser Welt Staatsanleihen eine elementare Rolle im globalen Finanzsystem. Solange die Bonität der Staaten zweifelsfrei vorhanden ist, hat das keine großen Auswirkungen. Wenn jedoch die Zahlungsfähigkeit ganzer Volkswirtschaften in Frage gestellt wird, wie es in der Eurokrise in Griechenland der Fall war, hat dies auch Folgen für die jeweiligen Staatsanleihen. Der Kursverfall war dabei nur ein Problem von vielen. Im schlechtesten Fall drohte nämlich nicht nur der Ausfall von Zinszahlungen, sondern der komplette Ausfall der Rückzahlung.

Dies war in der Eurozone noch nie der Fall und dürfte nach Ansicht vieler auf politischen Druck um jeden Preis verhindert werden. Ausschließen möchte es aber niemand und unwahrscheinliche Ereignisse sind inzwischen ja durchaus realistisch geworden (Stichwort: Brexit). Einer der Gründe: Außerhalb Europas sind Staatspleiten durchaus Usus. Beispiel Argentinien. In Folge der großen Krise Anfang der 2000er-Jahre verloren viele Anleger ihr in argentinischen Staatsanleihen angelegtes Geld ganz oder zumindest zu großen Teilen. Grund hierfür war eine Wirtschaftskrise, die nur durch einen Kapitalschnitt bei den Staatsschulden gelöst werden konnte. Doch selbst anderthalb Jahrzehnte später hat das südamerikanische Land noch immer mit den Nachwehen zu kämpfen. Argentinien ist im Übrigen kein Einzelfall. Die Geschichtsbücher zählen fast 300 Staatspleiten in den letzten 200 Jahren.

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Risiken von Anleihen

Emittentenrisiko
Für die Rückzahlung der Staats- oder Unternehmensanleihen haftet der jeweilige Staat bzw. das Unternehmen mit samt seinen Vermögenswerten und (Steuer-)Einnahmen. Die Fähigkeit, den Zahlungsverpflichtungen aus Anleihen nachzukommen bestimmt das Emittentenrisiko. Dieses Risiko wird in der Regel in kurzen Ratings angegeben.

Kursrisiko
Die Kurse von Anleihen entwickeln sich gegenläufig zu den Renditen am Rentenmarkt. Im Falle eines Renditeanstiegs können Anleger bei Verkauf der Anleihen vor dem Laufzeitende Kapitalverluste erleiden. Dieses Risiko ist für langlaufende (Staats-)Anleihen (30 Jahre und mehr) wesentlich höher als für kurzlaufende, kann jedoch durch das Halten der Anleihen bis zu ihrer Fälligkeit ausgeschlossen werden.

Liquiditätsrisiko
Das Risiko, Anleihen vor Fälligkeit nicht jederzeit veräußern zu können, ist äußerst gering. Im Fall der Bundesanleihen hat man die meistgehandelten Staatsanleihen des Euroraums im Depot. Zudem wird von der Finanzagentur sowie der Bundesbank Marktpflege betrieben. Ähnliches gilt für US-Staatsanleihen. Die Anleihen großer Unternehmen sind ebenfalls meist problemlos handelbar.



Sichere Bank für Langfristanleger

Als Zinspapiere galten Staatsanleihen lange Zeit in Europa als sichere Bank für Langfristanleger. Dementsprechend liegt ein Großteil der deutschen Staatspapiere in den Depots von Lebensversicherungen, Pensionsfonds oder anderen auf Bonität bedachten Investoren. Mündelsichere Anlagen ist hier das Schlagwort. Noch heute wirbt die Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH, das ist der zentrale Dienstleister für die Kreditaufnahme und das Schuldenmanagement des Bundes, mit den Worten für ihre Produkte: „Aufgrund ihrer langen Laufzeiten eignen sie sich insbesondere für die Geldanlage zur Altersvorsorge oder größere Anschaffungen in fernerer Zukunft.“

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Nicht anders argumentieren große Unternehmen, die ebenfalls zur Finanzierung auf Anleihen setzen. Selbst große Tech-Konzerne wie Apple, die eigentlich in Cash schwimmen, haben das günstige Zinsumfeld genutzt, um an noch mehr Geld zu kommen. Ähnlich wie die Staaten versuchen Unternehmen mit ihrer Bonität zu punkten und möglichst günstige Konditionen zu erhalten. Raffaella Tommaselli, Fondsmanagerin mit Schwerpunkt Unternehmensanleihen bei Eurizon, kommentiert diese Entwicklung angesichts der großen Veränderungen 2022 sehr positiv: „Viele Unternehmen haben das ‚Corona-Krisenhilfspaket‘ genutzt, um Schulden vorzeitig zu refinanzieren und so die ‚Fälligkeitsmauer‘ in die Zukunft zu verschieben, so dass jetzt nur noch sehr wenige Unternehmen kurzfristigen Liquiditätskrisen ausgesetzt sein dürften.“ Jérémie Boudinet, Credit Portfolio Manager bei La Française AM, ergänzt: „Nachrangige Anleihen dürften weiterhin von den soliden Fundamentaldaten ihrer Emittenten profitieren.“ Insofern muss uns also zumindest von Seiten der Unternehmensfinanzierung wohl nicht bange werden, wenn wir in das veränderte Umfeld von steigenden Zinsen, hohen Inflationsraten und unklaren Konjunkturaussichten schauen.

mE-FAZIT

Mit der Rückkehr des Zinses kehrt auch das alte Anlageobjekt Anleihe zurück aufs Tapet der Investoren. Zur Beimischung gerade in größeren Depots waren Staatsanleihen schon immer eine notwendige Wahl. Berücksichtigen muss man nur, dass in einem Umfeld steigender Zinsen die Kurse der Anleihen sinken, so dass zwar die Verzinsung der Anleihe auf die Laufzeit unverändert bleibt, zwischenzeitliche Veräußerungen jedoch nur mit Kursverlusten realisierbar sind.



Bundesanleihen

Bundesanleihen sind Schuldverschreibungen der Bundesrepublik Deutschland. Es gibt sie mit Laufzeiten von sieben, zehn, fünfzehn oder dreißig Jahren ab Emissionszeitpunkt. Inhaber erhalten jährlich feste Zinszahlungen sowie die Rückzahlung zum vollen Nennwert am Laufzeitende. Da Bundesanleihen an der Börse gehandelt werden, können Anleger sie dort an jedem Handelstag kaufen und verkaufen. Zinszahlungen werden dabei ebenfalls tagesaktuell berücksichtigt. Zudem sind die Kursbewegungen während der Laufzeit zu beachten. Dies ist lediglich dann relevant, wenn die Bundesanleihen schon vor ihrer Fälligkeit verkauft werden. Dabei gilt folgende Regel: Steigt der Marktzins, fällt der Anleihekurs – sinkt der Marktzins, steigt der Anleihekurs.



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