Quo vadis „Geschäftsmodell Deutschland“?

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Trotz der deutlich gesunkenen Großhandelspreise bzw. Börsenkurse für Gas und Strom in Europa, bleiben die weiterhin hohen Energiekosten ein wesentlicher Belastungsfaktor für die Konjunktur im Winterhalbjahr.

Mehr Insolvenzen in Deutschland zu erwarten

Die bisher vor allem auf Ebene der Importeure und Versorger auflaufenden Mehrkosten werden in den kommenden Monaten sukzessive, aber in noch nicht abschätzbarer Höhe an die Endverbraucher durchgereicht.

Dadurch entsteht auf gesamtwirtschaftlicher Ebene ein bedeutender Wohlfahrtsverlust für die meisten europäischen Volkswirtschaften. Einige Private sowie Unternehmen werden zudem vor existenzielle Probleme gestellt, die durch staatliche Stützungsmaßnahmen nur teilweise abgefedert werden können.

Die Zahl der Insolvenzen wird damit weiter ansteigen und die ungewöhnlich niedrigen Niveaus seit Beginn der Coronakrise verlassen. Auch dürften die Arbeitslosenquoten in vielen europäischen Staaten anziehen, auch wenn dieser Effekt nur moderat ausfällt.

Gestiegene Inflationserwartungen

Einerseits greifen nach wie vor staatliche Stützungsmaßnahmen, andererseits werden Unternehmen versuchen, ihre Mitarbeiter – angesichts des umfassenden Mangels an qualifizierten Arbeitskräften – zu halten.

Die von einigen Wirtschaftsforschungsinstituten zuletzt erneut deutlich nach unten revidierten Wachstumsprognosen und gleichzeitig gestiegenen Inflationserwartungen insbesondere für das kommende Jahr 2023 verdeutlichen, dass die bisherigen Stärken der deutschen Volkswirtschaft aktuell nicht mehr tragen.

Vielmehr offenbaren Handelskonflikte, pandemie- und kriegsbedingte Lieferkettenunterbrechungen sowie explodierende Rohstoffpreise die Abhängigkeit von günstigen (Energie-) Rohstoffen, diversen Vorleistungen aus dem Ausland sowie den Export von Industrieprodukten. Damit brechen gleichzeitig einige wesentliche Stützen des jahrzehntelang funktionierenden Erfolgsmodell Deutschlands weg.

Adjustierung des „Geschäftsmodells Deutschland“

Das ifo-Institut forderte in diesem Zusammenhang jüngst eine Adjustierung des „Geschäftsmodells Deutschland“. Unternehmen und Politik stehen damit nicht nur vor der Herausforderung, die akuten Probleme im kommenden Rezessions-Winterhalbjahr zu überstehen, sondern sich auf ein in den kommenden Jahren funktionierendes Modell zu transformieren.

Dafür müssen bestehende erfolgskritische Abhängigkeiten reduziert und trotzdem die enge Kooperation und internationale Arbeitsteilung mit verlässlichen Partnern forciert werden.

Verglichen damit ist die US-Volkswirtschaft in einer komfortableren Situation, da die Abhängigkeit von Rohstoffimporten deutlich geringer ist. Insbesondere bei Energierohstoffen ist man nahezu autark und in nur geringem Maße von Sanktionen gegenüber Russland betroffen. Hinzu kommt eine deutlich geringere Abhängigkeit von internationalen Exportmärkten und damit globalen Lieferketten.

Fed und EZB im Fokus

Die wesentlichste Stütze der US-Konjunktur ist hingegen ist der inländische private Konsum, den die US-Notenbank Fed – die im Vergleich zur EZB den Vorteil hat, nur für eine einzige Volkswirtschaft die passende Geldpolitik umsetzen zu müssen – über die Veränderung der Leitzinsen gut steuern kann.

Schon heute haben die stark gestiegenen Zinsen seit Anfang 2022 für erhebliche Korrekturen bei Vermögenspreisen, bspw. Aktien und Immobilien, gesorgt und dämpfen so die konjunkturelle Dynamik.

Sollte die Wirtschaft zu stark abgewürgt werden, könnte die Fed schnell wieder auf einen weniger restriktiven geldpolitischen Kurs umschwenken, vorausgesetzt die Inflationsdynamik nimmt wie zuletzt weiter ab.

Ein Kommentar von Carsten Mumm
Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

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