Die Chemiebranche blickt nach vorne

Bildquelle: Pressefoto Dow

Hohe Energiekosten, eine unsichere Versorgungslage mit Energie und Rohstoffen sowie eine schwächelnde Konjunktur drücken derzeit in der Chemieindustrie auf die Stimmung. Allerdings haben die Branchenvertreter den Ruf, sogenannte Frühzykliker zu sein und frühzeitig von einer Konjunkturerholung zu profitieren. Hinzu kommen einige wichtige Zukunftstrends als mögliche Stimmungsaufheller.

Chancen identifizieren

Chemieunternehmen werden zu den sogenannten Frühzyklikern gezählt. Dies bedeutet, dass sie traditionell in besonderer Weise von einer einsetzenden Konjunkturerholung profitieren. Zuletzt hat sich dies im Fall der Corona-Krise gezeigt, als sich beispielsweise die Geschäfte und die Aktienkurse von Unternehmen wie BASF nach dem COVID-19-Tief im Frühjahr 2020 schnell erholten. Angesichts der aktuell vorherrschenden schwierigen Marktbedingungen könnte eine erneute Erholung bald anstehen. Allerdings gestaltet sich die Situation aktuell angesichts der Energiekrise in Europa, der Inflation, Lieferkettenproblemen und der schwächelnden Konjunktur alles andere als leicht. Das Thema Energie kann allerdings auch Chancen bieten.

Sollten die Branchenvertreter diese einsparen können, dürfte ihnen dies in Zukunft Wettbewerbsvorteile bescheren. Auch in anderen Bereichen bieten sich Chancen. In Bezug auf Umwelt- und Klimaschutz hat die Chemieindustrie nicht gerade den besten Ruf. Im Fokus steht beispielsweise das Thema Plastik. Die Regulierungsanforderungen in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft und die Vermeidung von Abfällen dürften in Zukunft noch strenger werden. Daher bietet es sich den Branchenvertretern an, bereits frühzeitig entsprechende Maßnahmen hin zu mehr Recycling und einer echten Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Nachzügler dürften entsprechende Nachteile im Wettbewerb haben. Hinzu kommen die Möglichkeiten, die sich mit einer stärkeren Beschäftigung mit der Elektromobilität einstellen.

Bei der Beratungsgesellschaft McKinsey & Company ist man der Ansicht, dass ein Paradigmenwechsel beim Autokauf im Zusammenhang mit der Umstellung auf Elektrofahrzeuge eine große Wachstumschance für Chemieunternehmen schaffen würde. Das McKinsey Center for Future Mobility sagt voraus, dass batterieelektrische (BEVs) und Plug-in-Hybride (PHEVs) bis 2030 in China, Europa und Nordamerika mehr als 55 Prozent der Produktion neuer Autos ausmachen sollten. Dies seien 47 Millionen Fahrzeuge und damit sieben Mal mehr als noch 2021. Zwischen 2024 und 2026 sollen mehr als 500 neue Elektroautomodelle auf den Markt kommen. Hochwertige Materialien aus der Chemieindustrie dürften den Automobilherstellern unter anderem dabei helfen, die Kosten zu senken und die Reichweite der Fahrzeuge zu erhöhen.

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BASF: Trendwende bei den Rohstoffkosten in Sicht?

COVID-19 hatte im Frühjahr 2020 für einen Kurssturz der BASF-Aktie (WKN: BASF11 / ISIN: DE000BASF111) um fast 50 Prozent gesorgt. Die Anteilsscheine des Ludwigshafener Chemieunternehmens erholten sich jedoch schnell. Innerhalb eines Jahres hatte die im deutschen Leitindex DAX gelistete BASF-Aktie die Vor-COVID-19-Kursniveaus übertroffen und dabei ihren Wert im Vergleich zum COVID-19-Tief bei etwa 37 Euro in etwa verdoppelt. Auch nach dem aktuellen Abschwung möchte BASF als Frühzykliker zu den Profiteuren der Erholung gehören. Kurzfristig stellen die Energiekrise in Deutschland oder die Inflation jedoch Risikofaktoren dar.

Entsprechend uneins sind sich die Analysten in Bezug auf die Kursaussichten für die BASF-Aktie. UBS-Analyst Andrew Stott führt die BASF-Aktie mit einem „Sell“-Rating und einem Kursziel von 37,00 Euro. Dabei hat er vor allem die Branchenschwäche infolge der Gewinnwarnungen der US-Konzerne Dow und Eastman Chemical im Blick. Deutlich optimistischer ist man bei Bernstein. Analyst Gunther Zechmann bewertet BASF mit „Outperform“ bei einem Kursziel von 77,00 Euro. Seiner Ansicht nach würde sich bei den in den vergangenen Jahren gestiegenen Rohstoffpreisen eine Trendwende abzeichnen.

Dow setzt eine beeindruckende Serie fort

Zu den weiteren Chemie-Branchengrößen gehört der US-Konzern Dow Inc. (WKN: A2PFRC / ISIN: US2605571031). Dieser ist in seiner jetzigen Form gar nicht so alt und ging aus der Fusion der Konzerne Dow Chemical und E.I. du Pont de Nemours and Company sowie einer späteren Abspaltung im Jahr 2019 hervor. Im zweiten Quartal 2022 hatten sich bei Dow noch viele positive Aspekte der Wiedereröffnung der Wirtschaft nach der Corona-Krise gezeigt, während das Asien-Geschäft bereits von den chinesischen Lockdowns gekennzeichnet war. Konzernweit stiegen die Umsatzerlöse im Vorjahresvergleich um 13 Prozent auf 15,7 Mrd. US-Dollar.

Neben den chinesischen Lockdowns musste Dow auch mit ungünstigen Wechselkursen, insbesondere mit einem starken US-Dollar, fertig werden. Der Nettogewinn ging um 13 Prozent auf 1,7 Mrd. US-Dollar zurück. Hier machten sich höhere Rohstoff- und Energiekosten im gesamten Unternehmen bemerkbar. Trotzdem kündigte der Konzern zuletzt eine Quartalsdividende von 70 Cents pro Aktie an. Damit wurde seit 1912 die nun schon 444. Dividende ohne Unterbrechung ausgezahlt. Eine auf das Jahr hochgerechnete Dividendenrendite von mehr als 6 Prozent kann sich damit auch mehr als nur sehen lassen.

Bildquelle: Pressefoto Dow

DuPont übt Preissetzungsmacht aus

Neben Dow und Corteva ging aus der zwischenzeitlichen Fusion von Dow Chemical und E.I. du Pont de Nemours and Company auch DuPont (WKN: A2PLC7 / ISIN: US26614N1028) hervor. DuPont konzentriert sich auf Spezialchemikalien wie moderne Kunststoffe, Klebstoffe und Enzyme für Endmärkte wie die Automobil-, Konsumgüter- und Elektronikindustrie. Der Vorteil: Diese warten häufig mit geringen Volumen, jedoch hohen Gewinnspannen auf und sind zudem durch Rechte in Bezug auf geistiges Eigentum oder Fertigungs-Know-how geschützt.

Es ist wohl auch dieser Besonderheit der Produkte zu verdanken, dass DuPont zuletzt den Inflationsdruck und damit gestiegene Kosten für Energie, Transport oder Mitarbeiter mithilfe höherer Preise sowie einer Kostendisziplin abfedern konnte. Diese Preissetzungsmacht ist in Zeiten einer hohen Inflation besonders wichtig. Eine höhere Steuerbelastung sowie höhere Erlöse aus Anteilsverkäufen hatten jedoch dafür gesorgt, dass der Nettogewinn im zweiten Quartal 2022 im Vorjahresvergleich um 8 Prozent auf 365 Mio. US-Dollar zurückging. Die konzernweiten Umsatzerlöse legten dagegen um 7 Prozent auf 3,3 Mrd. US-Dollar zu. Organisch lag das Umsatzplus sogar bei 9 Prozent.

LyondellBasell investiert

Ähnlich wie die Branchenkonkurrenz musste auch LyondellBasell (WKN: A1CWRM / ISIN: NL0009434992) zuletzt einige Herausforderungen meistern. Dies hat das Unternehmen aus Rotterdam nicht davon abgehalten, ein wichtiges Projekt anzugehen. Dabei handelt es sich um eine World-Scale-Anlage für Propylenoxid und Autokraftstoffe an der US-Golfküste. Auf diese Weise soll die steigende Nachfrage nach Polyurethanen und hochoktanigen, sauber verbrennenden Autokraftstoffen bedient werden. Polyurethane sind wichtige Werkstoffe für Dämmstoffe, Windräder und leichtere Fahrzeuge. Damit sollten sie zur Dekarbonisierung beitragen.

Ab 2023 wird von der Anlage von Managementseite ein deutlicher Gewinnbeitrag erwartet. Im zweiten Quartal 2022 musste LyondellBasell auch wegen Einmalbelastungen mit einem Gewinnrückgang im Vorjahresvergleich um 20 Prozent auf 1,6 Mrd. US-Dollar fertig werden, während die Erlöse um 28 Prozent auf 14,8 Mrd. US-Dollar kletterten. Das Unternehmen will den schwierigen Marktbedingungen auch weiterhin trotzen. Gelingen soll dies unter anderem dank der Stärke des Geschäftsportfolios, einer anhaltend starken Nachfrage auf den Verpackungsmärkten und günstiger Margen bei Oxyfuel- und Raffinerieprodukten.

Fazit

Angesichts der schwächelnden Konjunktur sowie der hohen Energiekosten und der Sorgen vor einer unzureichenden Energieversorgung, insbesondere in Europa, hat es die energieintensive Chemiebranche derzeit nicht leicht. Als Frühzykliker sollten jedoch Chemieunternehmen zu den ersten gehören, die von einer möglicherweise im kommenden Jahr einsetzenden wirtschaftlichen Erholung profitieren. Zudem bieten einige Zukunftstrends den Branchenvertretern interessante Möglichkeiten.

red mE. Bildquelle: Pressefoto Dow