Tiefpunkt der negativen Stimmungslagen könnte erreicht sein

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Die globalen wirtschaftlichen Perspektiven bleiben für das Winterhalbjahr schwach, wie auch der jüngste World Economic Outlook des IWF noch einmal untermauerte.

Die Rezession kommt

Etwa ein Drittel der Weltwirtschaft wird demnach in eine Rezession abrutschen. Angesichts zumeist erhöhter Inflationsraten und daraus resultierend sinkender Reallöhne wird aber auch in Regionen, in denen kein negatives Wachstum eintritt, gefühlt eine Rezession eintreten1. Aufgrund des schwachen Jahresstarts wird für die meisten Regionen weltweit für 2023 deutlich schwächere Wachstumsraten erwartet als im laufenden Jahr. Dennoch bleibt die Perspektive einer Stabilisierung und leichten Wachstumsraten ab dem 2. Quartal nächsten Jahres.

Aktuelle Umfragen unter Unternehmen und Konsumenten in Deutschland unterstreichen die kurzfristig sehr schwierige Situation. So sank zuletzt das ifo-Beschäftigungsbarometer – was bedeutet, dass Unternehmen weniger Neueinstellungen planen. Aufgrund des zu erwartenden Konsumeinbruchs – der GfK-Konsumklimaindex wurde erneut nahe historischer Tiefpunkte veröffentlicht – und der sinkenden Investitionsnachfrage planen Unternehmen zudem weniger Preiserhöhungen als in den vergangenen Monaten. Da parallel die Erzeugerpreise aber vorerst weiter ansteigen, in Deutschland im September um mehr als 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, werden die Unternehmensgewinne im laufenden vierten Quartal unter Druck geraten.

Steigende Zinsen

Dazu passt, dass die Ausblicke vieler Unternehmen schon in der aktuellen Berichtssaison für das dritte Quartal deutlich unsicherer werden. Entsprechend verändert sich auch gerade die Kreditnachfrage stark, wie dem jüngsten Bank Lending Survey der Bundesbank zu entnehmen ist. Unternehmen in Deutschland fahren demnach kreditfinanzierte Anlageinvestitionen zurück, unter anderem wegen gestiegener Zinsen.

Unternehmen in Deutschland fahren offenbar kreditfinanzierte Anlageinvestitionen zurück. (Bildquelle: Pixabay / Foto-Rabe)

Gleichzeitig erhöhte sich die Nachfrage nach Krediten zur Finanzierung der Lagerhaltung und von Betriebsmitteln. Gleichzeitig wird es für Unternehmen schwieriger neue Kredite zu bekommen, wie ifo-Institut und Bundesbank unisono berichten. Banken haben die Kriterien im Rahmen der kreditvergabe verschärft, da sowohl die Risikoeinschätzung als auch die Risikotoleranz angestiegen sind.

Zaghafte Anzeichen einer Erholung

Allerdings gibt es auch erste zaghafte Anzeichen dafür, dass der Tiefpunkt der negativen Stimmungslagen erreicht sein könnte. So stiegen die Einkommenserwartung und die Anschaffungsneigung privater Konsumenten gemäß GfK-Veröffentlichung zuletzt leicht an, wenn auch auf sehr niedrigen Niveaus. Laut ifo-Geschäftsklimaindex stabilisierten sich zudem de Geschäftserwartungen bei Dienstleistern und im Handel – ebenfalls auf sehr niedrigen Niveaus – leicht. Auch stiegen die Exporterwartungen der Unternehmen leicht an.

Die ZEW-Umfrage unter Finanzanalysten ergab passend dazu eine sehr schwache aktuelle Geschäftslage, aber leicht verbesserte Geschäftserwartungen. Es sieht daher so aus, als ob viele Wirtschaftssubjekte derzeit versuchen, durch die akute Krise hindurchzuschauen und den Blick auf die erwartete realwirtschaftliche Besserung ab dem Frühjahr richten, was zu einer Stabilisierung der Frühindikatoren in den kommenden Monaten beitragen sollte.

EZB im Fokus

Von der EZB wird nach dem gestrigen Zinsschritt in Höhe von 0,75 Prozentpunkten in der kommenden Dezembersitzung ein weiterer Zinsschritt um 0,50 oder 0,75 Prozentpunkte erwartet. Allerdings deuteten die Ausführungen der EZB Präsidentin Lagarde darauf hin, dass die Notenbank künftig auch die starke wirtschaftliche Abkühlung in ihr Kalkül für den weiteren geldpolitischen Kurs mit aufnehmen wird und nicht mehr nur ausschließlich auf die Inflationsentwicklung achtet. Daher wird es wahrscheinlicher, dass ab 2023 zunächst eine Zinserhöhungspause eingelegt wird, um die weitere Wachstums- und Inflationsentwicklung abzuwarten.

Auch die US-Notenbank Fed dürfte in der kommenden Woche eine Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte umsetzen und im Dezember eine weitere Zinserhöhung folgen lassen. Da jedoch in den USA weiter nachgebende Inflationsraten zu erwarten sind, wäre auch hier ein Abwarten zum Jahresanfang plausibel. Für Anleger bestehet damit die Hoffnung, dass tatsächlich in 2023 ein weniger restriktiver geldpolitischer Kurs als bisher erwartet, die Aktiennotierungen schon mit Blick auf das Jahresende unterstützen könnte. Auch wenn aktuell bestehende Abwärtstrends vieler Aktienindizes noch intakt sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese in den kommenden Wochen nach oben verlassen werden können.

Ein Kommentar von Carsten Mumm
Er ist Chefvolkswirt bei der Privatbank Donner & Reuschel. Das Traditionshaus mit Sitz in Hamburg und München setzt auf qualifizierte und umfassende Beratung für vermögende Privatkunden, Unternehmer, Immobilienkunden und institutionelle Kunden.

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