Historische Gelegenheit bei europäischen Aktien?

(Bildquelle: unsplash / Mika Baumeister)

Europäische Unternehmen haben es derzeit mit einem schwierigen Marktumfeld zu tun. Auch deshalb sind ihre Aktien zuletzt zurückgekommen und inzwischen im historischen Vergleich günstig bewertet. Anlegern bieten sich damit günstige Einstiegsgelegenheiten, zumal einiges dafür spricht, dass die Marktrisiken nun eingepreist sind.

Konjunkturabkühlung in Sicht

Trotz der Rezessionsängste und steigender Leitzinsen hat sich die US-Wirtschaft zuletzt überraschend stabil präsentiert. In Europa kommen zu den Lieferkettenprobleme, COVID-19 sowie der Inflation und steigenden Zinsen als Belastungsfaktoren die Unsicherheiten in Bezug auf die Energieversorgung und der Krieg in der Ukraine hinzu. Trotzdem gab es auch hierzulande im ersten Halbjahr 2022 einige positive Überraschungen. Die EU-Kommission rechnet jedoch mit einer deutlichen Abkühlung der Konjunktur.

Die entsprechende Prognose besagt, dass die EU, der Euroraum und die meisten Mitgliedstaaten im letzten Quartal des Jahres in eine Rezession abgleiten sollten. Als Gründe für diese Annahme werden die große Unsicherheit, der hohe Energiepreisdruck, die Kaufkrafterosion bei den privaten Haushalten, das schwächere außenwirtschaftliche Umfeld und die restriktiveren Finanzierungsbedingungen genannt. Wie gut, dass die Wirtschaft 2021 dank der Erholung nach der COVID-19-Delle sich schnell erholt hatte und vieles von diesem Schwung sich auch im ersten Halbjahr 2022 zeigte.

Daher geht man für 2022 immer noch von einem Wachstum des BIP in der EU um 3,3 Prozent und in der Eurozone um 3,2 Prozent aus. Für 2023 wird jedoch sowohl für die EU als auch für die Eurozone nur noch ein Wachstum in Höhe von 0,3 Prozent erwartet. Bis 2024 soll das Wirtschaftswachstum laut Kommission aber allmählich wieder an Fahrt gewinnen und im Durchschnitt 1,6 Prozent in der EU und 1,5 Prozent im Euroraum betragen. Trotz der schwächeren Aussichten für das kommende Jahr, bedeutet dies nicht, dass bei europäischen Aktien keine Chancen ergeben würden.

Nach der Fed hebt auch die EZB die Leitzinsen im Kampf gegen die Inflation an. (Bildquelle: unsplash / Jannik Selz)

Günstige Einstiegsgelegenheit

Die in New York ansässige Investmentgesellschaft Pzena Investment Management verweist darauf, dass europäische Unternehmen derzeit so günstig wie seit 20 Jahren nicht mehr seien. „Die Aktienmärkte leiden weltweit unter Anlegersorgen, die von hoher Inflation über steigende Zinsen bis hin zu Befürchtungen über eine nachfolgende Rezession reichen“, erklärt Richard Pzena, Gründer und CEO des amerikanischen Deep Value-Investors. „Der europäische Aktienmarkt ist allerdings besonders betroffen, weil nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine die steigenden Energiekosten zusätzlich belasten“, sagt Pzena weiter.

Dies sind wohl auch die Gründe, warum die eigenen Pzena-Analysen ergeben haben, dass europäische Unternehmen in dem aktuellen Umfeld nahe eines 20-Jahres-Tiefs gehandelt werden. Wie günstig die Aktien hierzulande sind, zeigt ein Blick auf den MSCI Europe Value Index. Laut Analysen von Pzena Investment Management weist dieser derzeit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von historisch niedrigen 7,2 auf. Bei den Vermögensverwaltern ist man zudem der Meinung, dass ein Großteil der Belastungen bereits eingepreist ist. Dies würde bedeuten, dass das Abwärtspotenzial überschaubar sein könnte und die Chancen eher auf der Oberseite lauern sollten.

Gut positionierte Unternehmen

„Die aktuellen Bewertungen spiegeln eine übermäßig pessimistische und ängstliche Stimmung wider. Für uns ist das ein ideales Umfeld, uns längerfristig an Firmen zu beteiligen, die zu stark reduzierten Bewertungen gehandelt werden“, sagt Pzena. Allerdings wird einschränkend auch gesagt, dass Anleger nun nicht einfach Schnäppchen auf breiter Front einsammeln sollten. Vielmehr sei eine sorgfältige Auswahl entscheidend, deswegen sollte der Schwerpunkt auf gut positionierten Unternehmen liegen, die finanziell gut ausgestattet sind, um auch eine mögliche schwere Rezession zu überstehen.

„In Zeiten hoher Inflation ist es besonders wichtig, in Marktführer zu investieren, die ihre Geschäftstätigkeit anpassen und höhere Inputkosten weitergeben können. Viele unserer europäischen Portfolio-Holdings sind globale Unternehmen, die ihre Umsätze in der ganzen Welt generieren. Damit werden sie bewertungstechnisch oft aufgrund ihres Sitzes in Europa abgestraft, obwohl sie aufgrund ihrer geografisch diversifizierten Umsatzströme weniger anfällig für konjunkturellen Gegenwind sind und durch einen schwachen Euro im Vergleich zu US-Wettbewerbern profitieren dürften“, so Pzena.

Fast makellos

Für gut positioniert halten die Pzena-Experten beispielsweise den niederländischen Personaldienstleister Randstad, der zu den größten Personalagenturen weltweit gehört. Gerade angesichts des erwarteten Abschwungs dürfte das Unternehmen in der Lage sein, seinen Marktanteil weiter auszubauen.

Die Erträge seien eng an den Arbeitsmarkt gekoppelt und wuchsen mit der Nachfrage nach Arbeitskräften und steigenden Löhnen. Anders als Mitbewerber profitiert Randstad nach Ansicht der Pzena-Analysten in diesem Umfeld vom technologischen Vorsprung und von Skaleneffekten, was aus vergangenen zyklusübergreifenden Investitionen resultiert und das organische Unternehmenswachstum vorangetrieben hat.

Für eine Rezession sieht man Randstad gerüstet, unter anderem weil das Unternehmen diversifiziert aufgestellt sei, über ein kapitalleichtes Geschäftsmodell verfügen würde und ein antizyklisches Cashflow-Profil vorweisen könne. Außerdem sei die Bilanz makellos und würde beinahe ohne Nettoverschuldung auskommen, Mietkosten ausgenommen.

mE-FAZIT

Europäische Aktien sind günstig wie selten zuvor. Angesichts der verschiedenen Marktrisiken wurden auch langfristig aussichtsreiche Werte abgestraft. Speziell dort bieten sich Anlegern günstige Einstiegsgelegenheiten, die nicht nur einen Schnäppchencharakter haben.

 

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