Pflege und die Geld-Frage

Pflegeversicherungen sind ein wichtiges Instrument zur Risikoabsicherung

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Die Menschen werden immer älter. Das lässt sich am besten im eigenen Umfeld beobachten: Vergleicht man einmal Oma und Opa von heute und vor einer Generation fällt auf, dass die heutigen Großeltern meist deutlich agiler und gesünder sind – mit Folgen für die Lebenserwartung. Diese steigt seit Jahren mehr oder minder gleichförmig an. Damit einhergeht jedoch auch die wachsende Pflegebedürftigkeit. Also jener körperliche Zustand, den niemand so recht wahrhaben will, aber dennoch viele Menschen im fortgeschrittenen Alter betrifft.

Die Versorgung in diesem Zustand ist dann häufig eine Frage des Geldbeutels. Zwar gibt es die staatlich organisierte Pflegeversicherung, aber der Mittel sind begrenzt, weshalb auch die Leistungen alles andere als luxuriös sind. Wer im Fall der Pflegebedürftigkeit also nicht aufs Geld schauen möchte, muss eine große Menge Erspartes haben oder eine private Pflegezusatzversicherung, die dann einspringt. Eine Bestandsaufnahme.

Das Thema Alterung

Wenn es um das Thema alternde Gesellschaften geht, hat Deutschland wenig Vorbilder – von Japan einmal angesehen. Auf 100 Personen im Alter von 20 bis unter 65 Jahren entfielen 2021 in Deutschland etwa 37 Personen im Alter ab 65 Jahren. Zum Vergleich: Im Jahr 1950 standen 16 Personen im Rentenalter 100 Personen im Erwerbsalter gegenüber. In Japan hat dieser sogenannte Altenquotient im Jahr 2015 bereits bei 46,2 gelegen – übersetzt heißt das: bereits knapp die Hälfte der Bevölkerung ist im Rentenalter, Tendenz steigend. Es verwundert daher auch nicht, dass alle nennenswerten Innovationen rund um die Versorgung von Senioren aus Japan kommen.

Hinzu kommt die Entwicklung, dass die vielen Alten zugleich auch immer älter werden. Sowohl in Japan, als auch in Deutschland, als auch global. Die Lebenserwartung in Deutschland neugeborener Jungen beträgt inzwischen 78,5 Jahre und die der Mädchen 83,4 Jahre. Bereits heute lebende Menschen werden ebenfalls immer älter.

Hatten beispielsweise 65-jährige Männer 1871/1881 im Durchschnitt noch 9,6 Jahre zu leben. 2019/2021 waren es bereits 17,8 Jahre. Bei den Frauen ist diese Entwicklung noch stärker ausgeprägt: Lag der Wert für den Zeitraum 1871/1881 bei 10 Jahren, so konnten 65-jährige Frauen 2019/2021 noch durchschnittlich 21,1 weiteren Lebensjahren entgegensehen, so das Statistische Bundesamt zu den Fakten.

Wenn es um das Thema alternde Gesellschaften geht, hat Deutschland wenig Vorbilder – von Japan einmal angesehen. (Bildquelle: unsplash / National Cancer Institute)

Money, Money, Money,…

Diese an sich erfreulichen Entwicklungen des immer Älterwerdens haben allerdings viele komplexe Auswirkungen. Die massivste betrifft natürlich die Altersversorgung, denn: Wer immer älter wird, braucht länger eine Rente bzw. muss ein größeres Vermögen ansparen, um bis zum Lebensabend damit zurecht zu kommen. Da die gesetzliche Rente umlagefinanziert aufgestellt ist, muss diese stetig an die sich verändernde Lebenserwartung einerseits, aber auch auf den Altenquotienten andererseits angepasst werden.

An diesem Punkt stehen gerade auch die beiden wichtigen Säulen des Gesundheitswesens: die Krankenversicherung und die Pflegeversicherung. In beiden Fällen werden die Beiträge größtenteils paritätisch von Arbeitnehmer und Arbeitgeber entrichtet, wobei die gesetzliche Versicherung Umlagefinanziert ist, die private hingegen kapitalgedeckt.

Derzeit steht vor allem die Pflegeversicherung angesichts eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium im Fokus, denn es drohen drastische Beitragserhöhungen. Das Gutachten, das Ende September 2022 veröffentlicht wurde, spricht davon, dass der Beitragssatz bis 2040 um 1,5 bis 2,0 Prozentpunkte ansteigen wird. Derzeit liegt er bei 3,05 Prozent für Versicherte mit Kindern und 3,4 Prozent für Kinderlose.

Daraus ergibt sich eine wahrscheinliche Beitragssteigerung allein für die Pflegeversicherung von 50 Prozent und mehr. Keine Überraschung, denn Experten wie der Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen warnen seit langem vor der Unterfinanzierung der Sozialversicherungen, insbesondere der Pflegeversicherung: „Die Nachhaltigkeitslücke dieses noch jungen und eher kleinen Sozialversicherungszweigs ist mit 51,8 Prozent des BIP inzwischen bedrohlich angewachsen“, warnt Raffelhüschen im Sommer 2022. Der Reformbedarf wird indes auch von anderer Seite angemahnt:

„Aus unserer Sicht ist eine zügige Reform der Pflegeversicherung dringend notwendig, damit für die Versicherten die Kosten der Pflegebedürftigkeit berechenbarer werden”, sagt etwa Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. Die Politik ist also in den kommenden Jahren gefragt, Lösungen zu finden.

Die Pflegeversicherung

Wie relevant die Pflegeversicherung bereits heute ist, zeigen die Daten des Bundesgesundheitsministerium. Im letzten Jahr kamen auf rund 82 Millionen Gesetzlich und Privat Pflegeversicherten rund 4,88 Millionen Pflegebedürftige. Rund 46 Prozent davon waren in den Pflegegraden 3 bis 5 eingruppiert, also jenen Pflegegraden die am meisten Geld kosten. Insgesamt verursacht die Pflegeversicherung jährlich Kosten im mittleren zweistelligen Milliardenbereich. Das meiste landet bei den rund 30.000 ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen und ihren knapp 1,3 Millionen Beschäftigten.

Die Pflegeversicherung ist ein wichtiger Baustein der privaten Finanzen. (Bildquelle: markteinblicke.de)

Wie weit wir inzwischen von einer finanziellen Vollversorgung in der Pflege entfernt sind, zeigt der Blick zurück: Die Zahl der Leistungsbezieher lag im ersten Jahr nach der Einführung der Sozialen Pflegeversicherung im Jahr 1995 bei 1,06 Millionen und Kosten von knapp 20 Mrd. Euro. In der Folge kam es immer wieder zu Pflegereformen – die letzte 2017. Damals wurde das bisherige System der dreistufigen Pflegestufen komplett über den Haufen geworfen und ein fünfteiliges System der Pflegegrade eingeführt

Wer zahlt was?

Wann und welche Leistungen Pflegebedürftige aus der Pflegeversicherung bekommen, hängt nicht nur vom Pflegegrad, sondern auch der Dauer der Pflegebedürftigkeit und der Art der Pflege ab. Dabei sind solche Fragen zu klären, wie: Braucht jemand nur Hilfe beim täglichen Waschen und Einkaufen? Kann die Person sich gut orientieren? Kann die pflegebedürftige Person zu Hause wohnen oder braucht sie rund um die Uhr Betreuung in einem Pflegeheim?

Je nach Umfang des Hilfebedarfs erfolgt die Einstufung innerhalb des Pflegegradsystems. Bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit werden sechs Bereiche mit mehreren Einzelkriterien überprüft. Für jedes Kriterium innerhalb der Bereiche werden Punkte vergeben. Je größer die Beeinträchtigung ist, desto mehr Punkte gibt es. Da die sechs Bereiche unterschiedlich große Bedeutung für den Alltag haben, werden die Punkte gewichtet. Diese ergeben zusammengerechnet einen Gesamtpunktwert, aus dem der Umfang der Pflegebedürftigkeit und der Pflegegrad abgeleitet werden können.

Ist die Einstufung in einen Pflegegrad erfolgt, richtet sich die Höhe der Leistungen der Pflegeversicherung nach der Art der Pflege und der jeweiligen Lebensumstände. Etwa drei Viertel aller Pflegebedürftigen leben zu Hause. Um zwei Drittel davon kümmern sich so genannte „Pflegepersonen“. In der Regel handelt es sich um Angehörige, es können aber auch Nachbarn, Freunde oder schlichtweg ehrenamtlich tätige Menschen sein. Das Pflegegeld liegt in diesem Fall zwischen 316 und 901 Euro pro Monat.

Wer dagegen einen professionellen Pflegedienst beauftragt, kann ihn nach Zeitaufwand oder für fest vereinbarte Leistungen bezahlen. Für diese häusliche Pflegehilfe erstattet die Pflegeversicherung die tatsächlich entstandenen Kosten bis zu einer gesetzlich festgelegten Höhe. Je nach Pflegegrad liegen die Erstattungen zwischen 724 bis 2.095 Euro pro Monat. In erster Linie werden die Zahlungen für körperbezogene Pflege, pflegerische Betreuung sowie Hilfen bei der Haushaltsführung geleistet.

Eine Kombination von Leistungen durch Pflegepersonen und professionelle Pflegedienste ist ebenfalls möglich. Durch einen monatlichen Entlastungsbeitrag oder Einmalhilfen können Pflegebedürftige zusätzliche Leistungen von ihrer Pflegeversicherung erhalten. Bereits bei dieser Art der Pflege reichen die Erstattungen der Pflegeversicherung häufig nicht für alle anfallenden Kosten aus.

Kann der Pflegebedürftige nicht durchgehend zu Hause betreut werden, bietet sich teilstationäre Pflege als Tages- oder Nachtpflege an. Das kann zum Beispiel sinnvoll sein, wenn die Pflegeperson tageweise einer Arbeit nachgeht. Auch zur Stärkung der häuslichen Pflege ist teilstationäre Pflege möglich. Je nach Pflegegrad liegen die Erstattungen zwischen 689 bis 1.995 Euro pro Monat. Neben allgemeinen Pflegeleistungen, werden auch die Hin- und Rückfahrt zwischen Wohnung und Pflegeeinrichtung, sowie die Aufwendungen für soziale Betreuung und für notwendige medizinische Behandlungspflege übernommen.

Wenn eine Pflege zu Hause dauerhaft nicht mehr möglich ist, kann der Versicherte in einer stationären Pflegeeinrichtung versorgt werden. Die Erstattung durch die Pflegeversicherung liegt hier bei 125 bis 2.005 Euro – je nach Pflegegrad. Die Kosten für die (teil-)stationäre Pflege übersteigen die Erstattungssätze der Pflegeversicherung regelmäßig.

Stationäre Pflegeeinrichtungen verlangen unabhängig vom Pflegegrad einen „einrichtungseinheitlichen Eigenanteil“ von den Pflegebedürftigen. Hinzu kommen die Kosten für Unterbringung und Verpflegung, die ebenfalls selbst getragen werden müssen. Je nach Art der Pflege und den eigenen Wünschen stehen hier schnell vierstellige Beträge im Monat im Raum.

Die Pflege kann schnell ins Geld gehen und ist doch unverzichtbar. (Bildquelle: unsplash / Josh Appel)

Vorsorge ist möglich

Wie man sieht, liegen die Kosten für die Pflege häufig über den Leistungen der Pflegeversicherung. Entweder man kann diese dann aus den regulären Alterseinkünften oder dem Ersparten bezahlen, oder man greift auf die Leistungen einer privaten Pflegezusatzversicherung zurück. Diese gibt es als Pflegetagegeld-Versicherung, Pflegekosten-Versicherung und Pflege-Rentenversicherung.

Einige Pflegetagegeld-Verträge werden vom Staat mit 5 Euro pro Monat gefördert. Ob so ein Vertrag sinnvoll ist, oder doch eher ein nicht-geförderter Vertrag, kann im Rahmen einer fachkundigen Beratung durch einen Versicherungsmakler im Einzelfall geklärt werden. In jedem Fall sollte die Höhe der Pflegeabsicherung immer auch auf die restliche Vorsorge abgestimmt werden. Generell erlauben Pflegetagegeld-Versicherungen die flexibelste Absicherung, denn diese zahlt sowohl bei der Pflege zuhause als auch im Heim.

Das marktEINBLICKE-Fazit

Die Kosten für die Pflege sind gewaltig und je nach Alter und Pflegebedürftigkeit sind diese Kosten für lange Zeit zu tragen. Die staatlich organisierte Pflegeversicherung leistet hier nur einen Teil, weshalb zusätzliche private Absicherung dringend angeraten ist. Zwar existiert neben der sozialen auch eine rechtliche Verantwortung für Ehe- und Lebenspartner sowie Kinder und Eltern untereinander, sich finanziell beizustehen.

Aber nicht jeder möchte sich im Fall der Fälle auf das Vermögen etwa der eigenen Kinder verlassen. Die Alternative Sozialamt besteht zwar prinzipiell immer, aber auch hier hat nicht jedermann Ambitionen vorstellig zu werden, zumal das Sozialamt im Zweifel dennoch auf das Vermögen der Kinder und deren Ehe- und Lebenspartner zurückgreift. Daher sollte das Thema immer auch mit dem Gedanken an diese Unterhaltspflicht angegangen werden.

Wer eine üppige Altersversorgung hat, kann zwar unter Umständen auf eine zusätzliche Pflegeabsicherung verzichten. Zu Bedenken ist hierbei jedoch, dass die durchschnittliche Pflegezeit zwischen sechs und sieben Jahren liegt und somit finanziell gewaltige Dimensionen erreicht. Im Regelfall dürfte daher eine Pflegetagegeld-Versicherung ein sinnvoller Baustein jeder Altersvorsorge sein. Diese zahlt in Abhängigkeit der Pflegedauer und nicht der Höhe des ersparten Vermögens.