Wirecard: Prozessauftakt gegen Ex-CEO Braun

So kommen Wirecard-Anleger zu ihrem Geld I Hauptvorwurf der Staatsanwaltschaft zielt auf gewerbsmäßigen Bandenbetrug

Bildquelle: Pressefoto Wirecard

Es war der 18. Juni 2020 um 10:43 Uhr, als die Wirecard AG die alles entscheidende und das Ende markierende Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichte. Am 8.12. 2022, fast zweieinhalb Jahre später, beginnt der Prozess gegen Markus Braun, den einstigen CEO des damaligen DAX-Star-Unternehmen Wirecard.

Heute wissen Anleger, dass man es beim Wirecard-Skandal mit einem multiplen Versagen auf allen Ebenen zu tun hatten. Das fing beim Aufsichtsrat an, ging weiter zum Wirtschaftsprüfer EY und setzte sich bei der BaFin, der Staatsanwaltschaft München und auch in sonstigen Behörden fort.

Auf einmal “fehlten” 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz

Man erinnere sich: Nach mehrfachen Verzögerungen des Geschäftsberichts für das abgeschlossene Jahr 2019 hatte Wirecard Mitte Juni 2020 zugegeben, dass rund 1,9 Mrd. Euro auf Treuhandkonten auf den Philippinen mit großer Wahrscheinlichkeit nie existiert haben. Das Geld war offiziell für das sogenannte Drittpartnergeschäft in Asien vorgesehen, über das der nach wie vor im DAX notierte Konzern eigenen Angaben zufolge Geschäfte in Ländern ohne eigene Lizenz abwickelte.

Insbesondere die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY sieht sich dabei seit Beginn des Skandals im Zentrum der Vorwürfe und auch der Schadenersatzklagen der betroffenen Anleger. Der Zusammenbruch der Wirecard AG gehört zu den größten Wirtschaftsskandalen der deutschen Geschichte. Geschädigt wurden nicht nur zahlreiche Kunden, sondern auch unzählige Privatanleger, die teilweise einen sehr großen Teil ihres Vermögens verloren haben.

Dies ist eines der meistbenutzten Pressefotos der Jahre 2019 bis 2021: Es zeigt die Wirecard-Zentrale nahe München. Der Zusammenbruch des Unternehmens gehört zu den größten Wirtschaftsskandalen der deutschen Geschichte. (Bildquelle: Pressefoto Wirecard)

„Schier unglaubliche Abgründe haben sich im Rahmen der Aufklärung durch den Untersuchungsausschuss aufgetan. So war es wohl EY selbst, die die Treuhandkonstruktionen empfohlen haben, um Wirecard die Bilanzierung in der dann erfolgten Form zu ermöglichen“, schrieb Marc Tüngler vom DSW in seiner marktEINBLICKE-Kolumne im vergangenen Jahr.

Der Hauptvorwurf der Staatsanwaltschaft zielt auf gewerbsmäßigen Bandenbetrug

Heute nun, kommt Wirecrd-Ex-Vorstandschef Markus Braun vor Gericht. Der Hauptvorwurf zielt auf gewerbsmäßigen Bandenbetrug. Mitursächlich für das große Vertrauen in die damalige Wirecard-Story waren die kontinuierlich wachsenden Umsatz- und Gewinnzahlen. Diese wurden im Rahmen der Bilanzprüfung mehr als zehn Jahre lang von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY anstandslos testiert.

„Der Prozess gegen den ehemaligen CEO wird die Verantwortlichkeiten hoffentlich schonungslos aufdecken. Anlegern hilft das Strafverfahren gegen Markus Braun allerdings nur mittelbar. Geht es um Schadensersatz für die betroffenen Anleger, stehen vielmehr die zuständigen Wirtschaftsprüfer und damit EY Deutschland und die einschlägige Einheit von EY Global im Fokus“, sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW.

Wie kommen Wirecard-Anleger an ihr Geld zurück?

Ansprüche von Wirecard-Anlegern wurden in der vorvergangenen Woche im Rahmen des Insolvenzverfahrens erstinstanzlich abgelehnt. Vor diesem Hintergrund stellt sich für geschädigte Anleger die Frage, wie sie erfolgreich und ohne Kostenrisiko eine Kompensation ihrer Verluste gegen EY durchsetzen können.

Die DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz), die führende deutsche Anlegerschutzvereinigung, hat gemeinsam mit den auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzleien Nieding+Barth (Frankfurt am Main) und AKD Benelux Lawyers (Amsterdam) genau dies ermöglicht. Als Rechtsvehikel wurde hierfür eine gemeinnützige Stiftung nach niederländischem Recht gegründet.

Ein Entschädigungsfonds nach niederländischem Recht

„Die ‘Stichting Wirecard Investors Claim’ ist der beste, schnellste, risikolose und auskömmlichste Weg für Anleger, ihr Geld zurückzuerhalten. Sie ermöglicht eine europäische Vergleichslösung für alle geschädigten Wirecard-Anleger auch und gerade mit EY Global. Die Wahl einer niederländischen Stiftung eröffnet damit Optionen, die nach deutschem Recht gerade nicht gegeben sind“, sagt Gunther Friedl, Chairman der Stiftung.

Ein solcher Entschädigungsfonds nach niederländischem Recht wird neben EY Deutschland auch EY Global und andere an der Prüfung beteiligte EY-Einheiten mit ins Visier nehmen. „Dies ist aus unserer Sicht nur konsequent, da EY Global bei der Beaufsichtigung von EY Deutschland versagt hat und daher ebenfalls für den Schaden der Anleger haftet.  Es kann nicht sein, dass EY Global sich hier aus der Verantwortung stiehlt “, erläutert Klaus Nieding von der Rechtsanwalts-AG Nieding+Barth.

Die Einbeziehung von EY Global habe zudem den großen Vorteil, dass ein Unternehmen involviert wird, das über die finanziellen Mittel verfügt, eine angemessene Entschädigung zu zahlen. „Sollten EY Deutschland/Global nicht zu einer außergerichtlichen Einigung bereit sein, beschreiten wir den Klageweg. Die entsprechende Klageschrift bereiten wir derzeit vor, um sie zeitnah beim zuständigen Gericht einreichen zu können. Ein Prozesskostenrisiko tragen die Geschädigten dabei in keinem der Szenarien: Die Verfahrenskosten sind über eine Finanzierungslösung abgedeckt“, so Nieding weiter.

Wambach-Bericht bestätigt Versagen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY

Nach der Insolvenz wurden die Zweifel an einer korrekten Prüfung durch EY immer lauter. „Entsprechend stark stieg der Druck auf die Prüfungsgesellschaft, die in der ganzen Causa Wirecard zudem als einer der Anspruchsgegner für Geschädigte übriggeblieben ist, der auch über das Kapital verfügt, den Schaden zu regulieren“, sagt Patrick Haas, Partner der Kanzlei AKD. Der sogenannte Wambach-Bericht habe dann deutlich gezeigt, dass tatsächlich grundsätzliche Prüfungsstandards vernachlässigt wurden.

Im Rahmen eines Kapitalanlegermusterverfahrens (KapMuG-Verfahren), das allein gegen EY Deutschland geführt wird, ist eine Einbeziehung von Ernst & Young Global nicht möglich. Das Landgericht München hat in Sachen Wirecard kürzlich einen Vorlagebeschluss in einem Verfahren von Aktionären sowohl gegen den Ex-Wirecard CEO Markus Braun als auch gegen die EY Deutschland erlassen. Das Bayerische Oberste Landesgericht wird nun prüfen, ob es zu einem KapMuG-Verfahren in dieser Sache kommen wird.

Stiftung bietet Lösung für alle Betroffenen

Die Stiftungslösung steht allen geschädigten Wirecard-Anlegern offen – Privatanlegern wie ach institutionellen Investoren. Das gilt auch für Anleger, die Ihren Sitz nicht in Deutschland haben. Aus diesem Grund wird diese Lösung von dem europäischen Anlegerverband BETTER FINANCE unterstützt.

Alle betroffenen Anleger können sich online unter diesem DSW-Link informieren und kostenlos registrieren. Wichtig dabei ist, dass die Beteiligung an einer Lösung im Wege der Stichting nur für Geschädigte möglich ist, die sich bisher nicht an einem Klageverfahren beteiligt haben. „Das Verbot der sogenannten doppelten Rechtshängigkeit untersagt die Beteiligung an mehreren Verfahren gleichzeitig“, sagt Nieding. Betroffene sollten jetzt schnell handeln, und sich bei der Stiftung registrieren, so Nieding weiter.