Die schwache Performance wichtiger Aktienindizes in diesem Jahr hat in vielen Bereichen für günstige Einstiegsgelegenheiten gesorgt. Allerdings wäre es wenig ratsam, als Anleger lediglich die optisch günstigsten Papiere aufzusammeln. Schnäppchenjäger könnten auch Enttäuschungen erleben. Daher sollte nicht nur auf die Bewertung einer Aktie geschaut werden. Andere Faktoren spielen auch am Aktienmarkt beim Kauf eine wichtige Rolle.
Aufwärtspotenzial dank Turnaround?
Börsianer haben die Möglichkeit, verschiedene Anlagestrategien zu fahren. Eine davon besagt, dass möglichst günstige Aktien in das Depot aufgenommen werden sollten. Schließlich könnten gerade diese Titel ein hohe Aufwärtspotenzial vorweisen. Diese Denkweise liegt auch der Turnaround-Strategie zugrunde.
In diesem Fall werden vor allem Aktien von Unternehmen betrachtet, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums, beispielsweise eines Jahres, besonders schlecht performt haben und denen nun eine Erholung zugetraut wird. Genauso wie in anderen Lebenssituationen heißt es auch im Fall von Aktien, dass günstig nicht auch notwendigerweise gut bedeuten muss. Schließlich wird es auch bestimmte Gründe geben, warum Aktien in einer bestimmten Periode schwach performt haben oder günstig bewertet sind.
Wenn nun aber besonders viele Analysten an eine Aktie glauben und diese häufig mit „Kauf“-Empfehlungen versehen, könnte dies bei vielen Anlegern für mehr Vertrauen in die jeweiligen Werte sorgen. Daher hat man sich bei CNBC Anfang Dezember FactSet-Daten angeschaut und besonders günstige US-Aktien identifiziert, die aber gleichzeitig mit sehr vielen positiven Analystenratings versehen wurden.
So erkennt man eine relativ günstige Bewertung
Ob eine Aktie günstig ist oder nicht wurde anhand der Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) festgestellt. Wie günstig eine Aktie ist, wird in diesem Fall jedoch nicht einfach an der absoluten Höhe des KGV festgemacht, sondern anhand des aktuellen KGV im Vergleich zum 5-Jahresdurchschnitt dieser Kennzahl bei der jeweiligen Aktie.
Gleichzeitig sollen mindestens 60 Prozent der Analysten, die die jeweilige Aktie covern, ein „Buy“-rating ausgegeben haben. Darüber hinaus mussten die Titel mindestens ein Aufwärtspotenzial gegenüber dem durchschnittlichen Kursziel von 30 Prozent vorweisen, um in die Liste der günstigen, jedoch von Analystenseite geliebten Werte aufgenommen zu werden.
Zum Stichtag 1. Dezember 2022 kam eine Liste heraus mit 14 Aktien, die die oben genannten Kriterien erfüllen. Wenn man diese nun nach dem größten Abstand zwischen dem aktuellen KGV und dem 5-Jahresdurchschnitt beim Kurs-Gewinn-Verhältnis sortiert, stehen die EQT Corporation, Delta Air Lines, Live Nation Entertainment und PayPal an der Spitze.
Der Erdgas-Spezialist mit KGV 4,4
Mit einem Abstand von 82,5 Prozent zum durchschnittlichen KGV der vergangenen fünf Jahre führt die Aktie der EQT Corporation (WKN: A0RFZL / ISIN: US26884L1098) die CNBC-Auswertung zu günstigsten und von Analystenseite besonders geschätzten US-Aktien an. Während das aktuelle KGV 4,4 beträgt, liegt dieser Wert im 5-Jahresdurchschnitt bei 25,3. Gleichzeitig führen 73,9 Prozent der Analysten die Aktie mit einem „Buy“-Rating, während das Potenzial des Papiers im Vergleich zum durchschnittlichen Kursziel Anfang Dezember 2022 bei 48,3 Prozent lag.
Das Energieunternehmen beschäftigt sich mit der Erdgasproduktion und dem Transport mithilfe von Pipelines. Entsprechend gehörte EQT zu den Profiteuren der zeitweise deutlich angestiegenen Erdgaspreise. Hinzu kommt die Aussicht auf weitere Energieausfuhren der USA.
In Europa entstehen immer mehr LNG-Terminals. Allein in Deutschland sollen es bald sechs sein. Mithilfe von Flüssiggasimporten möchte sich der Kontinent unabhängiger von russischen Erdgaslieferungen durch Pipelines machen. Die USA werden wiederum dank des heimischen Frackings sowie entstehender LNG-Terminals in den kommenden Jahren zu einem dominanten Player am weltweiten LNG-Markt. Unternehmen wie EQT Corp. dürfte dies in besonderer Weise freuen.
Diese Airline setzt auf Erholung der Reisebranche
Hinter der EQT Corporation folgt Delta Air Lines (WKN: A0MQV8 / ISIN: US2473617023). Mit einem aktuellen KGV von 7,4 hatte die Aktie der Fluggesellschaft zuletzt einen Abstand von 77,1 Prozent gegenüber dem durchschnittlichen Wert in den vergangenen fünf Jahren von 32,2. Von den Analysten, die die Aktie in ihrer Coverage haben, sind 80 Prozent von den Kursaussichten besonders stark überzeugt. Sie führen das Papier mit einer „Buy“-Einschätzung.
Der Abstand des aktuellen Aktienkurses beträgt gegenüber dem durchschnittlichen Analystenrating wiederum 35,3 Prozent. In der Airline- und Reisebranche dürfte man hoffen, dass sich die Reiseaktivitäten nach den Corona-bedingten Unterbrechungen in den vergangenen Jahren weiter erholen.
Allerdings wird dies nicht ganz einfach, da insbesondere die Geschäftsreisen im Zuge der sich verschlechternden wirtschaftlichen Aussichten in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Wie sich eine solche Erholung in den Delta Air-Geschäftszahlen niederschlagen kann, zeigte sich im dritten Quartal 2022, als das Unternehmen aus Atlanta im US-Bundesstaat Georgia einen neuen Rekordwert beim Quartalsumsatz verbuchte.
Zudem war es das zweite Quartal in Serie mit einer zweistelligen operativen Marge. Darüber hinaus erwartet das Management, dass der Umsatz im laufenden Dezember-Quartal den Wert aus dem Vorkrisenjahr 2019 übertreffen sollte.
Die Lust auf Live-Veranstaltungen ist zurück
Auch im Fall von Live Nation (WKN: A0H0VZ / ISIN: US5380341090) geht es um die Erholung eines Unternehmens, das im Zuge der Corona-Krise in besonderer Weise gelitten hatte. Live Nation Entertainment veranstaltet Konzerte und andere Live-Veranstaltungen. Die Aktie von Live Nation hatte sich bereits deutlich von ihrem Corona-Tief erholt, die jüngsten Marktunsicherheiten brachten das Papier jedoch wieder unter Druck. Das KGV von 55,5 ist optisch zunächst alles andere als günstig, gemessen am 5-Jahresdurchschnittswert von 174,3 allerdings schon. Damit gebe es bewertungstechnisch ein Aufholpotenzial von rund 68,1 Prozent.
Gleichzeitig kann die Aktie von Live Nation in 61,1 Prozent der Fälle mit „Buy“-Ratings aufwarten, während die Aktie mit knapp 40 Prozent unterhalb des durchschnittlichen Kursziels notiert. Auf Unternehmensseite will man sich wiederum nicht mehr lange mit dem Thema COVID-19 beschäftigen.
Zwischen Juli und September 2022 wurde ein Rekordquartal verbucht. Mit 44 Millionen Besuchern von rund 11.000 Veranstaltungen wurde ein Bestwert in einem Dreimonatszeitraum ausgewiesen. Auch insgesamt soll 2022 ein Rekordjahr werden. Schließlich wurden zum Ende des abgelaufenen Quartals 115 Millionen Tickets verkauft, 37 Prozent mehr als zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 2019.
E-Commerce-Markt bleibt aussichtsreich
Der vierte im Bunde ist PayPal (WKN: A14R7U / ISIN: US70450Y1038). Die Aktie des Bezahldienstleisters zeigte sich im Zuge der Corona-Krise wie im Rausch. Lockdowns hatten dazu geführt, dass der Online-Handel einen noch stärkeren Boom erlebte als zuvor. Nach dem COVID-19-bedingten Hoch herrscht bei den einstigen „Corona-Profiteuren“ so etwas wie Katerstimmung.
Die PayPal-Aktie kam zuletzt auf ein geschätztes Kurs-Gewinn-Verhältnis von 16,5. Im Vergleich zum 5-Jahresdurchschnitt von 35,4 ergibt sich damit ein Abstand von 53,5 Prozent, während die Aktie gegenüber dem durchschnittlichen Kursziel der Analysten ein Aufholpotenzial von 34,1 Prozent vorzuweisen hat.
Die „Buy“-Rating-Quote liegt wiederum bei 60 Prozent. Neben dem Ende des Corona-bedingten Rauschs leidet der E-Commerce-Bereich auch darunter, dass die Inflation viele Konsumenten dazu zwingt, ihre Ausgaben stärker zu kontrollieren und sich etwas weniger ausgabefreudig zu präsentieren. Allerdings profitiert PayPal auch von einigen langfristigen Trends. Der Online-Handel dürfte auch in Zukunft weiterwachsen, während das Unternehmen auch daran arbeitet, bargeldlose Bezahlmethoden immer stärker zu etablieren.
Das marktEINBLICKE-Fazit
Die schwache Gesamtmarktstimmung hat dafür gesorgt, dass auch viele aussichtsreiche Aktien in Mitleidenschaft gezogen wurden. Anlegern eröffnen sich interessante Einstiegsmöglichkeiten. Trotzdem sollte bei der Einzeltitelauswahl auch immer ganz genau hingeschaut werden.
Bildquelle: marktEINBLICKE