ETF-Sparplan: Das neue Sparbuch der Deutschen?

Jesper Wahrendorf von Vanguard Invest: „Ich bin davon überzeugt, dass die professionelle Vermögensverwaltung weiter an Bedeutung gewinnt“

(Bildquelle: Unsplash / roman-wimmers)

Das Börsenjahr 2022 war für viele Anleger eine zumindest emotionale, wenn nicht sogar eine finanzielle Achterbahnfahrt. Grund genug, die vergangenen Monate einmal in das große Ganze einzuordnen und in die Zukunft zu blicken. Wir sprachen dazu mit Jesper Wahrendorf, Head of Vanguard Invest, der digitalen Anlageplattform von Vanguard, der interessante marktEINBLICKE gibt.

Haben die zahlreichen Krisen in der jüngeren Vergangenheit wie die Corona-Pandemie, das geopolitische Umfeld oder der Energiepreisschock das Verhalten der Anleger nachhaltig verändert?

Natürlich ist unter den Anlegern angesichts der Häufung an Krisen die Unruhe gestiegen. Man sieht das an der vergleichsweise hohen Volatilität im Markt. Aber Stressphasen hat es an den Finanzmärkten schon immer gegeben. Solche Perioden kommen und gehen. Es gilt also, langfristig zu denken. Das zeigt auch eine spannende Studie von Vanguard. Im Rahmen der Untersuchung wurden mehr als zwei Dutzend geopolitischer Krisen aus den vergangenen 60 Jahren untersucht, die zum Teil die Märkte in große Aufruhr versetzt haben. Das Ergebnis: Geopolitische Verkaufswellen sind häufig nur von überschaubarer Dauer.

Wie blicken Sie auf die vergangenen Monate zurück?

Für uns waren die vergangenen Monate Vanguard-Wetter. Das heißt, dass das Anlageumfeld in der jüngeren Vergangenheit durchaus herausfordernd war. Gleichwohl sollte man versuchen, auch in unruhigen Zeiten gelassen zu bleiben. Hektisches Umschichten hat noch selten Mehrwert gebracht, langfristig strategisches Investieren dagegen schon. Das bedeutet auch, diversifiziert in den Markt zu gehen. Ein ideales Vehikel hierfür stellen zum Beispiel ETFs auf marktbreite Standardindizes dar. Wer ausreichend diversifiziert, reduziert bekanntlich seine Risiken. Aber auch unter Kostenaspekten weisen ETFs signifikante Vorteile auf. Gleichwohl gilt es auch innerhalb des ETFs-Segments auf Preisunterschiede zu achten. Schon kleine Preisdifferenzen können auf Dauer eine enorme Wirkung auf das Gesamtergebnis entfalten.

Was erwarten Sie vom Börsenjahr 2023 bzw. welche Trends sehen Sie bei der Geldanlage?

Das Marktumfeld wird noch eine Weile herausfordernd bleiben. Das macht es für Privatanleger schwieriger, ihr Portfolio in Eigenregie zu managen. Ich bin davon überzeugt, dass die professionelle Vermögensverwaltung weiter an Bedeutung gewinnt. Das gilt insbesondere für digitale Dienste, also die sogenannten Robo Adviser. Warum? Die digitale Vermögensverwaltung ist zum einen kostengünstig.

Zum anderen stellen Robo Adviser dem Anleger ein auf sein Chance-Risiko-Profil zugeschnittenes ETF-Portfolio zusammen. Und drittens übernehmen digitale Vermögensverwaltungen idealerweise – wie beim Vanguard Invest Anlageservice – auch nach Depoteröffnung die Risikosteuerung des Portfolios. Ein weiterer Trend, der im Rahmen der Geldanlage an Relevanz gewinnen dürfte, ist das Thema ESG. Nachhaltige Investments, die Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien berücksichtigen, erfreuen sich schon seit Längerem einer steigenden Nachfrage.

Zudem habe ich für 2023 die Hoffnung, dass die von der Regierung angekündigte „Aktienrente“ an den Start kommt. Der Plan der Ampelkoalition sieht vor, dass ein Teil der Rentenversicherungsbeiträge fondsgebunden in Aktien investiert wird und die Erträge daraus den Rentnern später zugutekommen. Ich begrüße diesen Ansatz sehr.

Deutschland ist nicht gerade dafür bekannt, ein Land der Aktionäre zu sein. (Bildquelle: Pressefoto Deutsche Börse AG)

Wie schätzen Sie das Interesse deutscher Anleger am Aktienmarkt grundsätzlich ein?

Deutschland ist nicht gerade dafür bekannt, ein Land der Aktionäre zu sein. Es liegt ja nicht daran, dass die Deutschen nicht sparen würden. Das tun sie im europäischen Ländervergleich sogar sehr fleißig. Das Problem ist, dass sie ihr Geld zu konservativ anlegen. So liegt die Aktionärsquote hierzulande lediglich bei rund 17 Prozent, und damit weit unter entsprechenden Werten in anderen Ländern wie den USA, der Schweiz oder Großbritannien. Die „Aktienrente“ könnte das ändern.

Warum stehen viele Bundesbürger Aktien so skeptisch gegenüber?

Während insbesondere im angelsächsischen Raum die Chancen von Aktien im Vordergrund stehen, verhält sich das in Deutschland leider meistens noch umgekehrt. Es sind die Risiken, die vor allem wahrgenommen werden. Das mag daran liegen, dass viele hiesige Anleger mit vermeintlichen Gewinneraktien wie beispielsweise Wirecard böse Erfahrungen gemacht haben. Aber gerade dieses Beispiel zeigt auch, von welch hohem Nutzen eine ausreichende Diversifikation ist. Solche Aspekte gilt es den deutschen Anlegern zu vermitteln. Dann wird sich auch an der häufig nur auf die Risiken fokussierten Sichtweise etwas ändern.

Aus meiner Sicht haben ETF-Sparpläne das Potenzial, zum neuen Sparbuch der Deutschen zu werden.

Eine Möglichkeit zum Vermögensaufbau und zur privaten Altersvorsorge stellen ETF-Sparpläne dar. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

Es freut mich sehr, dass der Trend bei ETF-Sparplänen klar nach oben zeigt. Laut Daten des Finanzportals extraeft.com hat sich die Zahl der ETF-Sparpläne in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren auf rund 3,6 Millionen Stück mehr als vervierfacht. Ich gehe stark davon aus, dass sich der Trend in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Aus meiner Sicht haben ETF-Sparpläne das Potenzial, zum neuen Sparbuch der Deutschen zu werden.

„Hanf war beispielsweise ein solches gehyptes Thema. Doch viele dieser vermeintlichen Trends sind schon wieder vorüber, bevor sie richtig begonnen haben.“(Bildquelle: Pixabay / stankx)

Blicken wir abschließend auf den ETF-Markt im Gesamten. So fällt auf, dass die Zahl der ETFs auf bestimmte Nischenthemen deutlich gestiegen ist. Was halten Sie von dieser Entwicklung?

Ich sehe das skeptisch. Hanf war beispielsweise ein solches gehyptes Thema. Doch viele dieser vermeintlichen Trends sind schon wieder vorüber, bevor sie richtig begonnen haben. Für den langfristigen Vermögensaufbau erachte ich Themen-ETFs somit als nur eingeschränkt geeignet, zumal viele dieser Produkte innerhalb ihres Portfolios über keine ausreichende Diversifikation verfügen. Doch gerade dieser Punkt ist einer der Grundgedanken von ETFs. Wir bei Vanguard verfolgen nicht jeden Trend.  Wir denken langfristig und haben das Ziel, qualitativ hochwertige ETFs zu Top-Konditionen anzubieten. 

Gibt es weitere Entwicklungen im Bereich der ETF-Anlage?

Wie bereits erwähnt, sind ETFs mit ESG-Einbindung stark im Kommen. Das Problem dabei ist, dass es unterschiedliche Definitionen gibt, was unter ESG bzw. Nachhaltigkeit genau zu verstehen ist. Daher ist überlegtes und besonnenes Vorgehen ist daher auch bei dem Thema ESG gefragt.

Bildquelle: Vanguard

Jesper Wahrendorf

Er ist Head of Vanguard Invest, der digitalen Anlageplattform von Vanguard.

 

 

 

Bildquelle: markteinblicke.de