Zwischen Resilienz und Rezession

Für Anleger bleibt es herausfordernd, Renditen oberhalb der Inflationsrate zu erzielen.

(Bildquelle: unsplash / Venti Views)

Wir geben in den kommenden Tagen in der Reihe „Ausblick 2023“ marktEINBLICKE zu den Faktoren, die das Anlegerjahr 2023 mitbeherrschen sollten. Dazu haben wir uns wieder kompetente Verstärkung ins Haus geholt und verschiedene Börsen-Experten gebeten, einen Ausblick zu wagen. Ihre Einschätzungen werden wir zum Jahreswechsel an dieser Stelle veröffentlichen. Heute ist Dr. Ulrich Stephan an der Reihe.

Nach einem Jahr, in dem eine Hiobsbotschaft der nächsten folgte, und wir uns infolge des Russland-Ukraine-Krieges mit einer zweistelligen Inflationsrate konfrontiert sehen, blickt die Deutsche Bank verhalten optimistisch in das Jahr 2023.

Zugegeben – mit Herausforderungen werden wir weiter umgehen müssen: Die Inflation wird, unter anderem aufgrund der hohen Energiepreise, zunächst hoch bleiben. Ab Frühling sollte sie jedoch nachlassen und in Deutschland im kommenden Jahr bei rund 7,5 Prozent liegen. Deshalb wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen zunächst weiter erhöhen, bis sie voraussichtlich im Sommer nächsten Jahres ihren Höchststand erreichen.

Die EZB wird entscheidend für das Jahr 2023 sein. (Bildquelle: unsplash / Jannik Selz)

Wir werden wohl in der Eurozone und den USA eine milde Rezession erleben; ich gehe jedoch davon aus, dass viele börsennotierte Unternehmen gut durch die konjunkturell schwierigere Phase kommen werden. Banken, zum Beispiel, profitieren vom veränderten Zinsumfeld. Die Energie- und die Grundstoffbranche sowie der Bergbau, die bislang in Rezessionen Einbußen erlitten, sollten aufgrund der hohen Energie- und Rohstoffpreise sowie der starken Nachfrage ebenfalls gut durch den Abschwung kommen.

Alles teuer außer Aktien

Für Anleger bleibt es herausfordernd, Renditen oberhalb der Inflationsrate zu erzielen. Wir wissen nicht, wie sich der Russland-Ukraine-Krieg und der Handelskonflikt zwischen den USA und China entwickeln werden, oder wie es mit der europäischen Energieversorgung weitergeht. Ich sehe jedoch Chancen am Aktienmarkt, denn eine leichte Rezession dürfte bereits eingepreist sein. Vor allem die zurzeit niedrigen Bewertungen sprechen für Aktien. Sobald sich eine wirtschaftliche Erholung abzeichnet, sollten die Kurse steigen.

Vor allem die zurzeit niedrigen Bewertungen sprechen für Aktien. (Bildquelle: Pressefoto Deutsche Börse AG)

Ich sehe zum Beispiel bei zyklischen Aktien Potenzial – Stichwort: grüne Transformation der Wirtschaft, für die immense Investitionen notwendig sind. Anleger sollten Themen wie Künstliche Intelligenz, Elektromobilität oder Cybersecurity im Auge behalten. Insgesamt gehen wir von mittleren einstelligen Renditen an den Aktienmärkten aus. Die Prognose für den Dax liegt bei 15.000 Punkten zum Jahresende 2023, den S&P 500 sehen wir bei 4.100 Punkten und den Stoxx 600 bei 445 Punkten. In der Eurozone, den USA und China sollten Anleger Unternehmen auf dem Radar haben, die in den Aufbau einer Infrastruktur für erneuerbare Energien, in Stromnetze, Wasser und Transportwege, darunter auch Straßen und Häfen, investieren. Bei diesen Infrastrukturprojekten handelt es sich um private und öffentliche Investitionen.

Und schließlich erwarten wir auch für Staatsanleihen steigende Renditen. Bis Ende 2023 sollten die Renditen zehnjähriger US-Treasuries bei 4,2 Prozent liegen und zehnjährige Bundesanleihen bei 2,4 Prozent.

Ein Beitrag von Dr. Ulrich Stephan

Dr. Ulrich Stephan, Deutsche Bank AG

Er ist Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutsche Bank AG.
WWW: www.deutsche-bank.de

 

 

 

 

 

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