Grund zum Optimismus?

(Bildquelle: unsplash / Marcel Eberle)

Wir geben in den kommenden Tagen in der Reihe „Ausblick 2023“ marktEINBLICKE zu den Faktoren, die das Anlegerjahr 2023 mitbeherrschen sollten. Dazu haben wir uns wieder kompetente Verstärkung ins Haus geholt und verschiedene Börsen-Experten gebeten, einen Ausblick zu wagen. Ihre Einschätzungen werden wir zum Jahreswechsel an dieser Stelle veröffentlichen. Heute ist Heiko Thieme an der Reihe.

Wirtschaft, Politik und Börse ließen kurz vor Jahresende wenig Optimismus erkennen. Die Notenbanken sprechen von weiteren Zinssteigerungen, um die Inflationsrate vom höchsten Sockel seit 40 Jahren wieder auf die zwei Prozent Marke zu senken. Dieser Prozess kann mindestens zwei bis drei Jahre dauern. Selbst eine Rezession wird dabei in Kauf genommen! Das waren starke Worte von den Währungshütern in Washington, London und Frankfurt.

Auch die japanische Notenbank schloss sich am 20. Dezember dem steigenden Zinstrend an. Die erhoffte Weihnachtsrallye an den Börsen blieb daher aus. Profis und Privatanleger sind mehrheitlich pessimistisch für die Börsen im Neuen Jahr. Für die Ukraine beginnt der schlimmste Winter seit dem Zweiten Weltkrieg. Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht. Dies war eines der schlechtesten Börsenjahre.

2022 war eines der schlechtesten Börsenjahre. (Bildquelle: marktEINBLICKE)

Kann 2023 dennoch positive Entwicklungen bringen?

Der Ukraine-Krieg bleibt eine Herausforderung für die Demokratien der Freien Welt. Die Sanktionen gegen Russland werden allmählich ihre Wirkung zeigen. Putin steht bereits mit dem Rücken an der Wand! Er nahm am wichtigen G20 Gipfeltreffen in Bali im November nicht teil. Seine traditionelle mehrstündige Fernsehdebatte am Jahresende wurde kommentarlos gestrichen. Er wollte sich offensichtlich kritischen Fragen in Bezug auf den Ukraine-Krieg und die Wirtschaftslage in Russland nicht stellen.

Die 100-Jahrfeier zur Gründung der Sowjetunion am 30. Dezember wurde ebenfalls abgesagt, so auch der Neujahrsempfang im Kreml. Im Gegensatz dazu feierte China das 100-jährige Bestehen seiner kommunistischen Partei am 21. Juli sehr ausgiebig. Wie lange kann sich Putin noch als Kremlchef halten? Sind es Monate oder Jahre?

Inflation und ihr Höhepunkt

Die Inflation hat ihren Höhepunkt bereits überschritten! Die Rohstoffpreise und auch die Nahrungsmittelkosten befinden sich auf dem Rückzug. In den USA sind die Verbraucherpreise seit Jahresmitte nur noch um ein Prozent bis Ende November gestiegen. Dies entspricht einer Jahresrate von unter drei Prozent!

Auch in Europa sind die Inflationsraten rückläufig, wenn auch nicht so deutlich. Die Börsen in Europa und USA haben diese Entspannung auf der Inflationsseite bereits honoriert, indem die Kurse beim Dow Jones und DAX im Oktober und November über 20 Prozent stiegen und damit die Definition einer neuen Hausse erfüllen!

Dow Jones und DAX erfüllen bereits die Definition einer neuen Hausse. (Bildquelle: Pressefoto Deutsche Börse AG)

Die Pessimisten reden dagegen von einer ‘Bärenfalle’ und rechnen mit neuen Tiefständen im Laufe des neuen Jahres. Wie immer gibt es an der Börse mindestens zwei total unterschiedliche Meinungen zu jeder Markteinschätzung!  Die kommenden Monate werden zeigen, wer hier Recht hat. Erweist sich der momentane Inflationsrückgang als nur temporär, so hätten die Optimisten die schlechteren Karten.

Der Rentenmarkt unterstützt jedoch die Optimisten! Bis November kam es am US-Rentenmarkt durch drastisch steigende Zinsen zu einem der größten Kursverluste in der Geschichte. Die Renditen von 10 jährigen US-Staatsanleihen fielen jedoch wieder nach der jüngsten Zinsentscheidung in Washington Mitte Dezember deutlich und signalisierten damit, dass man mit keiner tiefen Rezession rechne.

Mit zwei oder sogar drei weiteren moderaten Zinserhöhungen können Börsianer leben, sofern die Notenbanken bei weiteren rückläufigen Inflationsraten bereit wären, die Zinszügel wieder etwas zu lockern. In anderen Worten, die weitere Zinsentwicklung ist Datenabhängig.

Das Wirtschaftswachstum könnte sich bereits ab Jahresmitte etwas stabilisieren, sodass die befürchtete Rezession relativ flach verläuft. Unternehmensgewinne könnten sich in einem solchen Szenario verbessern und sogar teilweise neue Rekordhöhen erreichen.

Die Bewertungsbasis

Der DAX weist eine aktuelle Bewertungsbasis auf, die fast 20 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt liegt. Somit könnte das Rekordhoch vom Jahresbeginn 2022 wieder am Ende dieses Jahres gesehen werden und vielleicht sogar die 17.000 Marke erreichen. Während der Ukraine-Krieg Europa belastet, profitiert Amerika als Exporteur von Öl und Gas. Auch das Verteidigungsgeschäft boomt.

Im Technologiesektor kam es nach den atemberaubenden Höhenflug vom Frühjahr 2020 bis Anfang 2022 zu drastischen Kurseinbrüchen von teilweise weit mehr als 50 Prozent. Die Übertreibungen während der Corona Krise sind hier größtenteils abgebaut und offerieren bereits wieder günstige Einstiegschancen.

Trotz vieler Konjunktive gebe ich meiner Prognose eine Wahrscheinlichkeit von fast 70 Prozent. Seit 1935 kam es an Wall Street in den 22 Jahren nach den Zwischenwahlen noch nie zu einem Verlust. Im Durchschnitt erreichte der Anstieg, gemessen auf den Dow Jones sogar 15 Prozent, was einen Endstand von rund 38.000 signalisiert!

Ein Beitrag von Heiko Thieme

(Bildquelle: Heiko Thieme)

Der globale Anlagestratege ist über 45 Jahre im internationalen Anlagegeschäft tätig und schrieb 16 Jahre als freier Kolumnist für die FAZ. Seit dem Jahr 1979 gibt es seine Marktanalysen und Einschätzungen sowie die älteste deutsche Börsenhotline.
WWW: www.heiko-thieme.club

 

 

 

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