Das Jahr 2023 wird in den Bereichen Nahrungsmittel, Energie, Rohstoffe und Cybersicherheit von erhöhten Risiken gekennzeichnet sein, die weitere Störungen der globalen Lieferketten verursachen und Investitionsentscheidungen beeinflussen werden, sagt Carolina Klint, Risk Management Leader, Continental Europe, bei Marsh.
Seit 17 Jahren warnt der Global Risks Report des Weltwirtschaftsforums vor eng miteinander verknüpften globalen Risiken. Der Global Risks Report 2023 stellt fest, dass Konflikte und geoökonomische Spannungen eine Reihe von miteinander verwobenen globalen Risiken ausgelöst haben.
Der Bericht wurde in Zusammenarbeit mit Marsh McLennan sowie der Zurich Insurance Group erstellt und stützt sich auf die Perspektiven von über 1.200 globalen Risikoexperten und führenden Persönlichkeiten aus der Politik und Wirtschaft.
Kurzfristig sind steigende Lebenshaltungskosten das größte Risiko
Auf 2-Jahressicht gesehen sind die weltweite Pandemie – insbesondere auch die COVID-Situation in China – und der Krieg in Europa die Energie-, Inflations-, Nahrungsmittel- und Sicherheitskrisen wieder in den Vordergrund gerückt. Daraus ergeben sich Folgerisiken, die in den kommenden beiden Jahren dominieren werden.
Das Risiko einer Rezession, eine wachsende Verschuldung und eine anhaltende Krise der Lebenshaltungskosten steigt. Besonders die steigenden Lebenshaltungskosten für Energie- und Nahrungsmittel treffen die armen Menschen und Regionen besonders hart.
Abstand zwischen Industrie- und Schwellenländern ist geringer geworden
Die Globalisierung hat zwar den Abstand zwischen den Industrie- und Schwellenländern verringert. Allerdings malt der Global Risk Report ein düsteres Bild: Die „neue ökonomische Ära“ könnte eine Ära „der wachsenden Kluft zwischen reichen und armen Ländern werden und den ersten Rückschritt in der Menschheitsentwicklung seit Jahrzehnten“ einleiten.
„Die kurzfristige Risikolandschaft wird von Energie, Nahrungsmitteln, Schulden und Katastrophen beherrscht. Diejenigen, die ohnehin schon am stärksten gefährdet sind, leiden – und angesichts der zahlreichen Krisen nimmt die Zahl derer, die als gefährdet gelten, rapide zu, sowohl in den reichen als auch in den armen Ländern. Führende Politiker der Welt müssen das Klima und die menschliche Entwicklung in den Mittelpunkt ihres Interesses stellen, auch wenn sie aktuelle Krisen bekämpfen. Kooperation ist der einzige Weg nach vorne“, sagte Saadia Zahidi, Managing Director beim World Economic Forum.
„In einer Zeit, in der Länder und Organisationen ihre Resilienzbemühungen verstärken sollten, wird wirtschaftlicher Gegenwind ihre entsprechenden Möglichkeiten einschränken. Angesichts der schwierigsten geoökonomischen Bedingungen seit einer Generation sollten sich Unternehmen nicht nur auf die Bewältigung kurzfristiger Probleme konzentrieren, sondern auch auf die Entwicklung“, rät Carolina Klint.
Der Klimawandel ist nach wie vor langfristig das größte Risiko
Langfristig gesehen sind sich die Experten aber einig: Vom Klimawandel geht die größte Gefahr aus! Die Welt muss beginnen, beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel effektiver zusammenzuarbeiten. Ansonsten droht in den nächsten 10 Jahren eine weitere globale Erwärmung. Diese kann zum ökologischen Zusammenbruch führen.
Das Zusammenspiel zwischen den Auswirkungen des Klimawandels, dem Verlust der biologischen Vielfalt, der Ernährungssicherheit und dem Verbrauch natürlicher Ressourcen schafft einen gefährlichen Cocktail. Ohne signifikante politische Veränderungen oder Investitionen wird diese Mischung den Zusammenbruch von Ökosystemen beschleunigen, die Nahrungsmittelversorgung bedrohen, die Auswirkungen von Naturkatastrophen verstärken und weitere Fortschritte bei der Eindämmung des Klimawandels behindern, erklärt John Scott, Head of Sustainability Risk, Zurich Insurance Group
Die Umfrage macht deutlich, fünf der zehn größten Risiken sind im Umwelt Bereich zu finden: Ein Scheitern bei der Eindämmung des Klimawandels und der Anpassung an seine Folgen, Naturkatastrophen, der Verlust der biologischen Vielfalt und die Umweltzerstörung. Auf 10-Jahressicht wird dabei der Verlust der biologischen Vielfalt als eines der sich am schnellsten verschärfenden globalen Risiken betrachtet wird.
„Wenn wir unsere Massnahmen beschleunigen, besteht bis zum Ende des Jahrzehnts immer noch die Möglichkeit, einen 1,5°C-Zielpfad zu erreichen und dem Notstand unserer Natur zu begegnen“, sagt Scott. Aber er sieht auch positive Entwicklungen, „in Anbetracht der jüngsten Fortschritte bei der Einführung von Technologien für Erneuerbare Energien und Elektrofahrzeuge dürfen wir zuversichtlich sein“.
Ein Rückschritt durch geopolitische Konflikte
Ein weiteres Risiko liegt in geopolitische Rivalitäten und Konflikten. Dadurch sind die Regierungen und Politiker gezwungen sich auf die Krisenbewältigung zu fokussieren. Dies kann zu einer gesellschaftlichen Not unbekannten Ausmaßes führen. Denn die durch den Krisenzustand wegfallenden Investitionen in Gesundheit, Bildung und wirtschaftliche Entwicklung könnten den sozialen Zusammenhalt weiter untergraben.
Zudem besteht bei wachsenden Rivalitäten die Gefahr einer zunehmenden geoökonomischen Militarisierung und Remilitarisierung. An die Stelle von internationalen Kooperationen treten dann internationale Konflikte. Der Global Risk Report macht deutlich: die Ökonomische Kriegsführung könnte zur „Norm“ werden. Das eigene Wachstum rückt dabei immer mehr in den Vordergrund. Ziel sei dabei die eigene Unabhängigkeit zu stärken und gleichzeitig die andere Staaten zu hemmen. Die Experten befürchten einen „geoökonomischen Nullsummen-Krieg“.
Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat deutlich gemacht, das diese Schreckens-Szenarien gar nicht so unwahrscheinlich sind und wie fragil der globale Frieden ist. Weiteres Konflikt-Potential liegt in den politischen Spannungen zwischen den USA und China. Weiter angefacht werden diese durch die Situation um Taiwan.
Hohe Militärausgaben könnten Entwicklungsfortschritt hemmen
In den kommenden Jahren werden weltweit die Regierungen schwierige konkurrierende Belange der Gesellschaft, der Umwelt und der Sicherheit gegeneinander abwägen müssen. Kurzfristige geoökonomische Risiken stellen schon jetzt die Netto-Null-Verpflichtungen auf die Probe. Dabei wird die Kluft, die zwischen dem wissenschaftlich Notwendigen und dem politisch Vertretbaren besteht, gnadenlos aufgedeckt.
Um die Folgen einer sich erwärmenden Welt zu begrenzen, sind drastisch beschleunigte kollektive Massnahmen zur Bewältigung der Klimakrise erforderlich. Gleichzeitig können Sicherheitserwägungen und steigende Militärausgaben den fiskalischen Spielraum eingrenzen. Dieser fehlt dann um die Auswirkungen einer länger anhaltenden Krise der Lebenshaltungskosten abzufedern.
Der Global Risk Report zeichnet ein düsteres Bild
Der Globale Ausblick der befragten Experten ist düster. Auf kurze Sicht glauben nur zwei Prozent an eine Erneuerung der Stabilität, auf langfristige Sicht sind es immerhin neun Prozent. Der große Teil erwartet auf kurzfristige Sicht schwere Zeiten, die in allen Branchen spürbar sind.
Auf lange Sicht sind die Erwartungen nicht besser, im Gegenteil. Immerhin 20 Prozent erwarten anhaltende Krisen, mit potentiell katastrophalen Folgen. Besonders die Auswirkungen des Klimawandels dürften dabei eine Rolle spielen. Nicht umsonst nehmen diese die Top 5 bei den Risiken auf der 10-Jahressicht ein.