Trumps Politik beschäftigt auch ATX-Aushängeschild voestalpine

Bildquelle: Pressefoto © voestalpine AG

Vor einigen Jahren haben wir in der Interview-Reihe “Die Börsenblogger nachgefragt” Unternehmen abseits des DAX vorgestellt. Nun wollen wir den Faden wieder aufnehmen und in loser Folge Interviews mit interessanten Gesprächspartnern führen. Den Anfang macht heute Peter Fleischer, Head of Investor Relations der voestalpine AG (WKN: 897200 / ISIN: AT0000937503). Im Gespräch berichtet er über den erfolgreichen Wandel des ATX-Konzerns hin zum Technologie- und Industriegüterkonzern, beschreibt die Auswirkung der Trump-Administration auf das US-Geschäft und gibt Einblicke in das international renommierte Mitarbeiterbeteiligungsprogramm.

Die Börsenblogger: Die voestalpine hat sich ja vom Stahlkonzern hin zum Technologie- und Industriegüterkonzern entwickelt. Ist dieser Wandel – im Hinblick auf Aktionäre und Investoren – bereits vollzogen?

Peter Fleischer: Der Wandel von einem Stahlkonzern hin zu einem Technologie- und Industriegüterkonzern ist das Resultat einer über Jahrzehnte verfolgten Strategie in nachgelagerten Bereichen zu wachsen. Das Credo war – und ist immer noch – nicht mehr Stahl zu produzieren, sondern mehr aus Stahl zu machen. Naturgemäß dauert es sehr lange, bis dieser Transformationsprozess in den Köpfen der Teilnehmer am Kapitalmarkt angekommen ist bzw. sich gefestigt hat. Die internationalen Analysten, die ein Research über die voestalpine verfassen, sind sehr stark auf den Stahlsektor ausgerichtet. Diese befassen sich damit in erster Linie mit dem Stahlzyklus und neigen dazu, die „Downstream-Bereiche“ zu vernachlässigen. Einerseits deshalb, weil sie mit dem Stahlumfeld vertraut sind, andererseits auch weil das Geschäftsmodell der voestalpine insgesamt komplex ist und in keinem anderen Unternehmen weltweit in ähnlicher Form so existiert. Deshalb setzen wir seit mehreren Jahren sehr stark darauf, den Investoren & Analysten im Rahmen von Veranstaltungen und Präsentationen Themen näherzubringen, mit denen ein traditionelles Stahlunternehmen nicht konfrontiert ist.

So war das Augenmerk bei einem Kapitalmarkttag im letzten Jahr auf das Kundensegment Luftfahrt gerichtet, während wir heuer bei einer ähnlichen Veranstaltung auf den Automobilsektor näher eingehen möchten. Dabei gilt es den Blick auf das breitflächige Produktportfolio der voestalpine in diesen Bereichen zu schärfen. Die signifikant bessere Kursentwicklung der voestalpine-Aktie im Vergleich zu den europäischen Stahltiteln seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise macht aber schon deutlich, dass sich die Auffassung über die voestalpine von Investorenseite in den letzten Jahren gewandelt hat. So ist der voestalpine-Konzern durch die kontinuierliche Steigerung des Weiterverarbeitungsanteils dem traditionellen Stahlzyklus in immer geringerem Ausmaß ausgesetzt und erreichte dadurch in den vergangenen Jahren eine sehr zufriedenstellende und stabile Ergebnisentwicklung angesichts herausfordernder Bedingungen im europäischen Stahlsektor.

Um die Wahrnehmung der voestalpine als ein Technologie- und Industriegüterkonzern am Kapitalmarkt weiter zu forcieren, wird – zumindest langfristig betrachtet – ein Wechsel der Peer-Group angestrebt. Aufgrund der hohen Volatilität der Stahlindustrie und damit einhergehend eines Risikoabschlages liegen die Bewertungen in diesem Sektor meist niedriger als es der relativ stabilen Ertragslage aufgrund der Diversifikation und langen Wertschöpfungskette des voestalpine-Konzerns entsprechen würde.

Peter Fleischer ist Head of Investor Relations der voestalpine AG (Bildquelle: © voestalpine)

Die Börsenblogger: Das vierte Geschäftsquartal 2016/17 war hervorragend. Kann die voestalpine diesen Schwung ins neue Jahr mitnehmen?

Peter Fleischer: Das vierte Geschäftsquartal 2016/17 war geprägt durch eine exzellente Ordertätigkeit bei hochwertigen Stahlprodukten, aber auch durch eine sehr gute Nachfragesituation in zahlreichen Kundensegmenten der Verarbeitungsbereiche. So konnte der Stahlbereich von deutlichen Preissteigerungen mit Anfang des Kalenderjahres 2017 profitieren. Auch im Öl- und Gassektor kam es zu einer schrittweisen Erholung in der 2. Kalenderjahreshälfte 2016. Es gibt derzeit keine Anzeichen, einer Eintrübung in wesentlichen Absatzregionen des voestalpine-Konzerns. Insbesondere zeigten die Wirtschaftsindikatoren für Europa eine weitere Belebung an. Auch die Situation in Asien stellt sich als robust dar, während die Hoffnungen die die Märkte in den US-Präsidenten gesteckt haben, bisher nicht erfüllt wurden. Vor diesem Hintergrund wird erwartet, dass das 1. Halbjahr 2017/18 ergebnismäßig sehr zufriedenstellend ausfallen wird und damit die positive Entwicklung des Abschlussquartals 2016/17 unvermindert fortgesetzt wird.

Die Börsenblogger: Die Eigenmittel erreichten zuletzt mit mehr als 6 Mrd. Euro einen neuen Höchststand. Welche Chancen eröffnen sich dadurch im Bereich Investitionen und Innovationen?

Peter Fleischer: Die voestalpine investierte seit dem Geschäftsjahr 2012/13 deutlich über dem Abschreibungsniveau in den technologischen Ausbau und das Wachstum in Kernsegmenten. Vor allem im Geschäftsjahr 2016/17 sind zahlreiche große Projekte in die Inbetriebnahme Phase übergeleitet worden. Die nächsten Jahre sind in dieser Hinsicht als Konsolidierungsphase zu betrachten, um der Organisation wieder etwas Zeit zu geben, zu verschnaufen. Es stehen durchaus auch in den kommenden Jahren zukunftsweisende Vorhaben sowie umfangreiche Erhaltungsinvestitionen an, jedoch wird das Tempo gedrosselt und die Investitionen leicht über Abschreibungsniveau zurückgefahren. Die Innovationsfreudigkeit bleibt davon aber unberührt.

Die Forschungstätigkeit wird auch in den nächsten Jahren hoch bleiben, um den technologischen Vorsprung, den die voestalpine in vielen Produktsegmenten aufweist, zu halten oder sogar noch weiter auszubauen. So wurden die Forschungsaufwendungen des voestalpine-Konzerns 2016/17 gegenüber dem Vorjahr um 6,4 % gesteigert. Trotz der umfangreichen Investitionstätigkeit der letzten fünf Jahre ist die Gearing Ratio (Nettofinanzverschuldung in % des Eigenkapitals) mit Ende des Geschäftsjahres 2016/17 gegenüber dem Stand von Ende März 2012 unverändert geblieben und das trotz Rückzahlung einer im Eigenkapital befindlichen Hybridanleihe mit Ende Oktober 2014 im Ausmaß von 500 Mio. EUR sowie jährlichen attraktiven Dividendenzahlungen an die Aktionäre.

Die Börsenblogger: Die Trump-Administration sorgt in vielen Branchen für Unruhe. Der Stahlsektor scheint aber ein Schwerpunkt zu sein. Welche Auswirkung erwarten Sie und wie reagieren Sie?

Peter Fleischer: Der Stahlsektor in den USA hat bereits in der Zeit vor Trump umfangreiche Handelsbarrieren gegenüber Stahlimporten verhängt, mit denen der voestalpine-Konzern durchwegs zu leben gelernt hat. Annahmen über zukünftige Ausgestaltungen von Handelshemmnissen unter der Trump-Administration sind mangels konkreter Informationen reine Spekulation. Eines zeigt sich aber zunehmend, dass in den USA Handelsbeschränkungen teilweise auch kritisch gesehen werden, denn die verarbeitende Industrie in den USA ist abhängig von Vormaterialimporten, da sie bestimmte Produktqualitäten in der Heimatregion selbst nicht vorfinden.

Im Fall von Stahl bedeutet das, dass bestimmte hochwertige Stahlgüten im Inland nicht produzierten werden. Wenn auf diese Einfuhren nennenswerte Zölle aufgeschlagen werden, wird sich die Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie im internationalen Handel verschlechtern. In Summe erwirtschaftete der voestalpine-Konzern im Geschäftsjahr 2016/17 rund 1. Mrd. EUR Umsatz, wobei ein erheblicher Teil davon aufgrund von Inlandsumsätzen von voestalpine-Tochterunternehmen in den USA resultiert. Aus heutiger Sicht sollte sich der Einfluss allfälliger US-Handelsbarrieren auf voestalpine-Produkte wirtschaftlich insgesamt in Grenzen halten. Die erforderliche Management-Attention ist allerdings erheblich.

Die phs-ultraform-Anlage von voestalpine in Schwäbisch Gmünd (Bildquelle: markteinblicke.de)

Die Börsenblogger: Der österreichische Kapitalmarkt war in den letzten Jahren bei vielen Anlegern nicht ausreichend präsent. Das scheint sich nun geändert zu haben. Erhoffen Sie sich Vorteile für voestalpine als großes ATX Unternehmen?

Peter Fleischer: Durch die durchwegs erfreuliche Konjunkturentwicklung in vielen ost- und zentraleuropäischen Ländern, ist aufgrund der räumlichen Nähe von Österreich zu den angesprochenen Ländern die Wiener Börse wieder verstärkt ins Blickfeld der internationalen Anleger gerückt. Ein weiterer Faktor, warum die Aktienindizes der Wiener Börse 2017 signifikant besser abschnitten als die großen globalen Handelsplätze liegt daran, dass die Börsenwerte des ATX bewertungsmäßig noch weniger stark zulegen konnten.

Für amerikanische Investoren spielt darüber hinaus die Entwicklung des US-Dollar eine nicht unwesentliche Rolle. Durch die aktuelle Erholung des Euro gegenüber dem US-Dollar werden europäische Aktien für US-Investoren generell wieder interessanter. Für die voestalpine als eines der umsatzstärksten Unternehmen an der Wiener Börse bedeutet das verstärktes Interesse internationaler Investoren und damit auch erhebliche Mittelzuflüsse in das Wertpapier. Gerade für große Investoren spielt die Liquidität eine mitentscheidende Rolle bei ihren Investitionsentscheidungen, wodurch die voestalpine neben der Größe des Unternehmens auch durch den vergleichsweise hohen Streubesitz einen Vorteil gegenüber kleineren Unternehmen an der Wiener Börse hat.

Die Börsenblogger: Für viele Aktionäre spielt die Dividende immer eine große Rolle. Wird die voestalpine ihre Dividendenpolitik mit zuletzt steigenden Ausschüttungen fortsetzen?

Peter Fleischer: Seit dem IPO 1995 hat die voestalpine jährlich Dividenden an ihre Aktionäre ausgeschüttet und damit auch in Jahren, die wirtschaftlich sehr turbulent waren. Dabei erreichte die Dividendenrendite einen durchschnittlichen Wert von 3,8 %. Insgesamt wurden über die vergangenen 22 Jahre betrachtet 2,6 Mrd. EUR an die Shareholder der voestalpine verteilt. Die Dividendenstrategie der voestalpine zielt auf eine Dividendenrendite zwischen 3 und 4 Prozent bezogen auf den Durchschnittskurs der Aktie eines Geschäftsjahres ab. Im Vergleich zum Zeitraum vor der Finanz- und Wirtschaftskrise liegt die Dividendenrendite nach „Lehmann“ etwas niedriger und spiegelt damit insgesamt das niedrigere Zinsniveau wider.

Nichtsdestotrotz wurde in den letzten fünf Jahren die Dividende kontinuierlich auf zuletzt 1,10 EUR je Aktie gesteigert. Die Höhe der Dividende für das aktuelle Geschäftsjahr wird primär von der Gewinnentwicklung abhängen, darüber hinaus auch von der Performance der voestalpine-Aktie. Dass der Trend kontinuierlich steigender Dividenden der vergangenen Jahre fortgesetzt wird, erscheint vor dem Hintergrund positiver Gewinnaussichten als durchaus denkbar. Die Entscheidung darüber fällt aber nicht das Unternehmen, sondern die Hauptversammlung – also die Aktionäre selber.

Die Börsenblogger: Im Bereich Mitarbeiteraktien ist die voestalpine Vorreiter in Europa. Hilft Ihnen dies bei der Mitarbeitersuche?

Peter Fleischer: Die Mitarbeiterbeteiligung, die seit dem Jahr 2001 besteht und in dieser Form einzigartig in Österreich ist, wurde seitdem kontinuierlich ausgebaut. Zum 31. März 2017 waren über die voestalpine Mitarbeiterbeteiligung Privatstiftung 24.100 Mitarbeiter mit insgesamt 24,1 Mio. Stück beteiligt. Die „Mitarbeiterstiftung“ erfreut sich unter der Belegschaft großer Beliebtheit. Die soliden Kurssteigerungen seit Beginn des Programms im Jahr 2001 tragen wesentlich zu den sehr zufriedenstellenden Ansichten der Belegschaft über die Beteiligung am Unternehmen bei. Aber auch durch die Anhebung der steuerlichen Freibeträge für Zuwendungen an Arbeitnehmer im Rahmen der Mitarbeiterbeteiligung wurde die Attraktivität des Modells weiter forciert. Das gilt nicht nur für bestehende Mitarbeiter sondern dient darüber hinaus auch als zusätzliches Anreizsystem, eine Karriere im voestalpine-Konzern anzustreben.

Bildquellen: Pressefoto © voestalpine