An der Wall Street sehen wir derzeit einen Mega-Trend. Der Dow Jones (und mit ihm der breiter gefasste S&P 500 sowie die Tech-Indizes) legen gerade eine Rekord-Rallye hin, wie sie nicht alle Tage zu sehen ist. Die Frage, die sich nun stellt, lautet allerdings - wie lange geht das noch so gut? Oder, noch etwas differenzierter: wer oder was treibt denn da eigentlich die Kurse?
Auf ihrer letzten Sitzung hat die US-Notenbank einstimmig beschlossen, ihre Zinspolitik unverändert zu belassen. Zunächst will sich die Fed ein klareres Bild über die beabsichtigte Wirtschafts- und Finanzpolitik der neuen US-Administration machen, die sich derzeit noch sehr im Handwerk des handelspolitischen Porzellanzerschlagens und geopolitisch widersprüchlicher Aussagen übt.
Jetzt ist die Katze aus dem Sack! Beziehungsweise der Trump aus dem Tower. Vergessen Sie alles, was wir neulich noch über den Begriff "postfaktisch" und über den Hang zu Lug und Trug in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geschrieben haben. Die neue Wahrheit ist: es gibt keine!
Üblicherweise im Zusammenhang mit einer Amnesie, also einem Gedächtnisverlust bekannt lässt sich der Begriff "retrograd" diesmal gleich auf die ganze Woche anwenden. Weil, und das ist das Außerordentliche an den vergangenen Tagen, wirklich alle marktbewegenden Ereignisse aus 2016 noch einmal aufgekocht wurden.
Wird das Polit-Chaos in den USA zu einem Handicap für Aktien? Fährt eine restriktive US-Geldpolitik den Trumponomics nachhaltig in die Parade? Wirken pro-amerikanische Steueränderungen auf deutsche Exportunternehmen kontraproduktiv? Und kann die Europa GmbH auch vor dem Hintergrund des Super-Polit-Jahrs 2017 gegen die America Corporation bestehen?
Alles neu macht der Trump. Selbst die Regulierung der Finanzindustrie, die seit 2008 als heilige Kuh gilt, ist nicht mehr vor dem rotfüchsigen Schlächter sicher. Mit einem neuen Dekret wird die Re-Deregulierung eingeläutet. U.a. soll die eiserne „Volcker-Rule“ marshmallowisiert werden. Diese schränkt den (Eigen-)Handel der US-Banken ein oder verbietet ihn sogar.
In ihrer Grundsatzrede hat sich Theresa May klar zu einem harten Brexit bekannt. Mit dem Ausscheiden aus EU-Binnenmarkt und Europäischer Zollunion sind eine scharfe Rezession und ein Bedeutungsverlust des Londoner Finanzplatz nicht zu verhindern. Gleichzeitig dürfte es als konjunkturstützende Alternative kein Briten freundliches, neues Freihandelsabkommen mit der EU geben.
Donald Trump hat nach zwei Wochen nicht nur den niedrigsten Beliebtheitswert aller bisherigen US-Präsidenten, sondern so viel Sand ins innen- und außenpolitische Getriebe geschaufelt, dass es nur so knirscht. Und weil die Politik inniglich mit der Wirtschaft verwoben ist, legten die Kurse nicht nur an der Wall Street zuletzt erst einmal den Rückwärtsgang ein.
Der Dow Jones Industrial Average hat die 20.000er-Punkte-Marke geknackt. Heißt dies nun, dass der Weg Richtung 30.000 Zähler frei ist? Wohl nicht ganz. Vor allem, da längst nicht alle Unsicherheiten aus der Welt sind.